EuGH, Urteil vom 28.05.2020, C – 796 / 18: Vertrag über die Zusammenarbeit von öffentlichen Auftraggebern ist unter bestimmten Voraussetzungen vergaberechtsfrei

Leitsatz (amtlich):

1. Die Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG ist dahin auszulegen, dass eine Vereinbarung, die zum einen vorsieht, dass ein öffentlicher Auftraggeber einem anderen öffentlichen Auftraggeber eine Software kostenfrei überlässt, und die zum anderen mit einer Kooperationsvereinbarung verknüpft ist, nach der jede Partei dieser Vereinbarung verpflichtet ist, von ihr etwaig hergestellte zukünftige Weiterentwicklungen der Software der anderen Partei kostenfrei zur Verfügung zu stellen, einen „öffentlichen Auftrag“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 Nr. 5 der Richtlinie darstellt, wenn sich sowohl aus dem Wortlaut dieser Vereinbarungen als auch aus der anwendbaren nationalen Regelung ergibt, dass es grundsätzlich zu Anpassungen der Software kommen wird.

2. Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 ist dahin auszulegen, dass eine Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Auftraggebern vom Anwendungsbereich der in dieser Richtlinie vorgesehenen Vorschriften über die Vergabe öffentlicher Aufträge ausgenommen sein kann, wenn sich diese Zusammenarbeit auf Tätigkeiten bezieht, die zu den von jedem an der Zusammenarbeit Beteiligten – und sei es allein – zu erbringenden öffentlichen Dienstleistungen akzessorisch sind, sofern diese Tätigkeiten der wirksamen Erbringung der öffentlichen Dienstleistungen dienen.‘

3. Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24 in Verbindung mit dem zweiten Absatz ihres 33. Erwägungsgrundes und ihrem Art. 18 Abs. 1 ist dahin auszulegen, dass eine Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Auftraggebern nach dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht dazu führen darf, dass ein privates Unternehmen bessergestellt wird als seine Wettbewerber.

EuGH, Urteil vom 9. 6. 2009 – C-480/06: Vertrag über die Zusammenarbeit von Gebietskörperschaften bei der Wahrnehmung einer ihnen allen obliegenden öffentlichen Aufgabe – der Abfallentsorgung – ist vergaberechtsfrei

Europäischer Gerichtshof

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Richtlinie 92/50/EWG – Nichtdurchführung eines förmlichen europaweiten Verfahrens für die Vergabe von Abfallverwertungsleistungen – Zusammenarbeit von Gebietskörperschaften“

  1. Die Klage wird abgewiesen.
  2. Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften trägt die Kosten.

EuGH, Urteil vom 9. 6. 2009 – C-480/06

[1] In der Rechtssache C-480/06 betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 24. November 2006, Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch X. Lewis und B. Schima als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg, Klägerin, gegen Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch M. Lumma und C. Schulze-Bahr als Bevollmächtigte im Beistand von Rechtsanwalt C. von Donat, Beklagte, unterstützt durch: Königreich der Niederlande, vertreten durch C. M. Wissels und Y. de Vries als Bevollmächtigte, Republik Finnland, vertreten durch J. Heliskoski als Bevollmächtigten, Streithelfer, erlässt DER GERICHTSHOF (Große Kammer) unter Mitwirkung des Präsidenten V. Skouris, der Kammerpräsidenten P. Jann, C. W. A. Timmermans, K. Lenaerts, und J.-C. Bonichot (Berichterstatter) sowie der Richter A. Borg Barthet, J. Malenovský, J. Kluka und U. Lõhmus, Generalanwalt: J. Mazák, Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat, aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 11. November 2008, nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 19. Februar 2009 folgendes Urteil (*):

[2] 1 Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften, festzustellen, dass die Bundesrepublik Deutschland dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 8 in Verbindung mit den Abschnitten III bis VI der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungsaufträge (ABl. L 209, S. 1) verstoßen hat, dass die Landkreise Rotenburg (Wümme), Harburg, Soltau-Fallingbostel und Stade einen Auftrag über Abfallentsorgungsleistungen direkt an die Stadtreinigung Hamburg erteilt haben, ohne dass dieser Dienstleistungsauftrag im förmlichen Verfahren gemeinschaftsweit ausgeschrieben worden ist.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

[3] 2 Art. 1 der Richtlinie 92/50 bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie

  1. a) gelten als ‚öffentliche Dienstleistungsaufträge‘ die zwischen einem Dienstleistungserbringer und einem öffentlichen Auftraggeber geschlossenen schriftlichen entgeltlichen Verträge …
  2. b) gelten als ‚öffentliche Auftraggeber‘ (im Folgenden ‚Auftraggeber‘ genannt) der Staat, Gebietskörperschaften, Einrichtungen des öffentlichen Rechts und Verbände, die aus einer oder mehreren dieser Körperschaften oder Einrichtungen bestehen.

Als ‚Einrichtung des öffentlichen Rechts‘ gilt jede Einrichtung,

– die zu dem besonderen Zweck gegründet wurde, im Allgemeininteresse liegende Aufgaben zu erfüllen, die nicht gewerblicher Art sind, und

– die Rechtspersönlichkeit besitzt und

– die überwiegend vom Staat, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts finanziert wird oder die hinsichtlich ihrer Leitung der Aufsicht durch letztere unterliegt oder deren Verwaltungs-, Leitungs- oder Aufsichtsorgan mehrheitlich aus Mitgliedern besteht, die vom Staat, von Gebietskörperschaften oder von anderen Einrichtungen des öffentlichen Rechts ernannt worden sind. …

  1. c) gelten als ‚Dienstleistungserbringer‘ natürliche oder juristische Personen sowie öffentliche Einrichtungen, die Dienstleistungen anbieten. Der Dienstleistungserbringer, der ein Angebot eingereicht hat, wird als ‚Bieter‘, und derjenige, der sich um eine Aufforderung zur Teilnahme an einem nicht offenen Verfahren oder einem Verhandlungsverfahren beworben hat, als ‚Bewerber‘ bezeichnet; …“

[4] 3 Art. 11 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 92/50 sieht vor:

„Die Auftraggeber können in folgenden Fällen Dienstleistungsaufträge im Verhandlungsverfahren ohne vorherige Vergabebekanntmachung vergeben: …

  1. b) wenn die Dienstleistungen aus technischen oder künstlerischen Gründen oder aufgrund des Schutzes von Ausschließlichkeitsrechten nur von einem bestimmten Dienstleistungserbringer ausgeführt werden können;“

Sachverhalt und Vorverfahren

[5] 4 Die vier niedersächsischen Landkreise Rotenburg (Wümme), Harburg, Soltau-Fallingbostel und Stade schlossen am 18. Dezember 1995 mit der Stadtreinigung Hamburg einen Vertrag über die Entsorgung ihrer Abfälle in der neuen Müllverbrennungsanlage Rugenberger Damm, die mit einer Kapazität von 320 000 Tonnen jährlich sowohl Elektrizität als auch Wärme produzieren und am 15. April 1999 fertig gestellt werden sollte.

[6] 5 Nach diesem Vertrag reserviert die Stadtreinigung Hamburg den vier Landkreisen eine Kapazität von 120 000 Tonnen zu einem für alle nach der gleichen Formel berechneten Preis. Die Vergütung wird über die Stadtreinigung Hamburg an den Betreiber der Anlage, der ihr Vertragspartner ist, gezahlt. Die Laufzeit des Vertrags beträgt zwanzig Jahre. Die Parteien haben vereinbart, spätestens fünf Jahre vor dem Ende der Vertragslaufzeit Verhandlungen über eine Verlängerung des Vertrags aufzunehmen.

[7] 6 Der Vertrag wurde von den vier Landkreisen ohne Durchführung des in der Richtlinie 92/50 vorgesehenen Ausschreibungsverfahrens direkt mit der Stadtreinigung Hamburg abgeschlossen.

[8] 7 Mit einem Mahnschreiben gemäß Art. 226 Abs. 1 EG vom 30. März 2004 wies die Kommission die deutschen Behörden darauf hin, dass die Bundesrepublik Deutschland durch den Abschluss des Vertrags über die Abfallentsorgungsleistungen ohne Durchführung eines Vergabeverfahrens und ohne europaweite Ausschreibung gegen Art. 8 in Verbindung mit den Abschnitten III bis VI der Richtlinie 92/50 verstoßen habe.

[9] 8 Mit Schreiben vom 30. Juni 2004 machte die Bundesrepublik Deutschland gegenüber der Kommission geltend, dass es sich bei dem fraglichen Vertrag um eine Vereinbarung über die gemeinsame Wahrnehmung von den Landkreisen bzw. der Stadt Hamburg obliegenden öffentlichen Aufgaben handele. Diese kommunale Zusammenarbeit, die ein in der staatlichen Sphäre ablaufendes Geschehen zum Gegenstand habe, berühre nicht den Markt und unterliege folglich nicht dem Vergaberecht.

[10] 9 Da die Kommission trotz dieser Ausführungen der Ansicht war, dass die betreffenden Landkreise öffentliche Auftraggeber seien und der Vertrag über die Abfallentsorgungsleistungen ein schriftlicher entgeltlicher Dienstleistungsvertrag sei, der den für die Anwendung der Richtlinie 92/50 maßgeblichen Schwellenwert überschreite und deshalb in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie falle, übermittelte sie der Bundesrepublik Deutschland mit Schreiben vom 22. Dezember 2004 gemäß Art. 226 Abs. 1 EG eine mit Gründen versehene Stellungnahme.

[11] 10 Mit Schreiben vom 25. April 2005 hielt die Bundesrepublik Deutschland an ihrer bisherigen Argumentation fest.

[12] 11 Da nach Ansicht der Kommission diese Argumente die Vorwürfe in der mit Gründen versehenen Stellungnahme nicht entkräften konnten, hat sie gemäß Art. 226 Abs. 2 EG die vorliegende Klage erhoben.

Zur Klage

Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

[13] 12 Die Kommission trägt erstens vor, die betreffenden Landkreise seien öffentliche Auftraggeber im Sinne der Richtlinie 92/50 und bei dem fraglichen Vertrag handele es sich um einen schriftlichen entgeltlichen Vertrag, der den für die Anwendung der Richtlinie 92/50 maßgeblichen Schwellenwert überschreite. Außerdem sei die Abfallentsorgung eine Dienstleistung im Sinne der Kategorie 16 des Anhangs I A dieser Richtlinie.

[14] 13 Nach Ansicht der Bundesrepublik Deutschland ist der Vertrag ein verwaltungsinterner Vorgang und fällt daher nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 92/50.

[15] 14 Die Vertragspartner leisteten einander Amtshilfe bei der Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben. Daher könne die Stadtreinigung Hamburg nicht als Dienstleistungserbringer angesehen werden, der gegen Bezahlung tätig werde, sondern sei vielmehr ein öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger, der gegen Erstattung seiner Betriebskosten benachbarten Körperschaften des öffentlichen Rechts Amtshilfe leiste.

[16] 15 Wie die Bundesrepublik Deutschland beruft sich auch das Königreich der Niederlande in diesem Zusammenhang auf die Randnrn. 16 und 17 des Urteils vom 3. Oktober 2000, University of Cambridge (C-380/98Slg. 2000, I-8035), um daraus abzuleiten, dass der Dienstleistungsbegriff ausschließlich Dienstleistungen erfasse, die auf dem Markt unter bestimmten Bedingungen von Wirtschaftsteilnehmern angeboten werden könnten.

[17] 16 Der Inhalt des Vertrags geht nach Ansicht dieser beiden Mitgliedstaaten über das hinaus, was ein „Dienstleistungsauftrag“ im Sinne der Richtlinie 92/50 vorsehe, da er den betreffenden Landkreisen – als Gegenleistung für die Abfallverwertung in der Anlage Rugenberger Damm – auferlege, ihre nicht selbst genutzten Entsorgungskapazitäten der Stadtreinigung Hamburg tarifgebunden zur Verfügung zu stellen, um Abhilfe für den Mangel an Entsorgungskapazitäten zu schaffen, mit dem die Stadt Hamburg zu kämpfen habe.

[18] 17 Die Bundesrepublik Deutschland fügt hinzu, dass dieses Rechtsverhältnis in der Präambel des Vertrags als „Regionaler Entsorgungsverbund“ bezeichnet werde. Dieser stelle auf die Zusammenarbeit der Vertragspartner ab, die einander in Notfällen Beistand bei der Erfüllung der ihnen gesetzlich obliegenden Entsorgungspflicht leisteten und damit diese Aufgabe in der Region gemeinsam wahrnähmen. So sei vorgesehen, dass sich die betreffenden Landkreise unter gewissen Umständen für eine bestimmte Zeit verpflichteten, die angelieferten Abfallmengen zu reduzieren, wenn die Verwertungsanlage nicht funktioniere. Sie akzeptierten auf diese Weise die Einschränkung ihres vertraglichen Erfüllungsanspruchs.

[19] 18 Nach Ansicht der Kommission kann die Leistungserbringung im vorliegenden Fall deshalb nicht als Amtshilfe angesehen werden, weil die Stadtreinigung nicht von Gesetzes wegen oder aufgrund anderer einseitiger Rechtsakte tätig werde, sondern auf der Grundlage eines Vertrags.

[20] 19 Die Richtlinien zum Vergaberecht seien auch nur in denjenigen Fällen unanwendbar, die in ihnen selbst ausdrücklich und abschließend aufgeführt seien (vgl. Urteil vom 18. November 1999, Teckal, C-107/98Slg. 1999, I-8121, Randnr. 43, in Bezug auf die Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge [ABl. L 199, S. 1]). Im Urteil vom 13. Januar 2005, Kommission/Spanien (C-84/03Slg. 2005, I-139, Randnrn. 38 bis 40), habe der Gerichtshof bestätigt, dass von Gebietskörperschaften geschlossene horizontale Kooperationsverträge wie der vorliegende Vertrag vom Vergaberecht erfasst seien.

[21] 20 Die Bundesrepublik Deutschland tritt dieser Auslegung des Urteils Kommission/Spanien mit dem Argument entgegen, dass der Gerichtshof in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen sei, nicht ausdrücklich entschieden habe, dass alle Vereinbarungen zwischen Verwaltungsträgern unter das Vergaberecht fielen, sondern nur beanstandet habe, dass das Königreich Spanien die Vereinbarungen zwischen Einrichtungen des öffentlichen Rechts vom Anwendungsbereich des Vergaberechts generell ausnehme.

[22] 21 Die Kommission verneint zweitens, dass sich die Bundesrepublik Deutschland auf die „In-house“ -Ausnahme berufen könne, nach der von einem öffentlichen Auftraggeber geschlossene Verträge dann nicht in den Anwendungsbereich der Vergaberichtlinien fielen, wenn die Körperschaft öffentlichen Rechts über ihren Vertragspartner, eine rechtlich von ihr verschiedene Person, eine Kontrolle ausübe wie über ihre eigenen Dienststellen und diese Person zugleich ihre Tätigkeit im Wesentlichen für die Körperschaft öffentlichen Rechts verrichte (vgl. in diesem Sinne Urteil Teckal, Randnrn. 49 und 50). Die Bedingung der Kontrolle wie über eigene Dienststellen hält die Kommission im vorliegenden Fall deshalb nicht für erfüllt, weil keine der Auftraggeberinnen auf die Leitung der Stadtreinigung Hamburg Einfluss nehme.

[23] 22 Die Bundesrepublik Deutschland ist dagegen der Auffassung, dass die geforderte Kontrollintensität, die sich am öffentlichen Interesse zu orientieren habe, in der Metropolregion Hamburg gegeben sei, da die beteiligten Verwaltungen einander gegenseitig kontrollierten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. Januar 2005, Stadt Halle und RPL Lochau, C-26/03Slg. 2005, I-1, Randnr. 50). Ein Abweichen von den gemeinsam definierten Zielen hätte eine Einstellung der gesamten Zusammenarbeit zur Folge. Aufgrund des Prinzips des gegenseitigen „Gebens und Nehmens“ hätten die Stadtreinigung Hamburg und die betreffenden Landkreise ein Interesse an der Aufrechterhaltung einer solchen Zusammenarbeit und folglich an der Berücksichtigung der gemeinsam definierten Ziele.

[24] 23 Das Königreich der Niederlande vertritt unter Hinweis auf das Urteil vom 19. April 2007, Asemfo (C-295/05Slg. 2007, I-2999), die Auffassung, dass die Bedingung bezüglich der Kontrollintensität auch dann erfüllt sein könne, wenn das Maß der von der Körperschaft des öffentlichen Rechts ausgeübten Kontrolle im Vergleich zur Kontrolle über eigene Dienststellen eingeschränkter sei. Es werde keine identische, sondern nur eine ähnliche Kontrolle verlangt.

[25] 24 Nach Ansicht der Kommission hat dieses Urteil keine Lockerung der Rechtsprechung aus dem Urteil Teckal zur Folge. Es stelle nur klar, dass das Kriterium der Kontrollintensität auch dann erfüllt sein könne, wenn ein besonders gestalteter rechtlicher Rahmen eine Beziehung der Abhängigkeit und Unterordnung herstelle, die eine vergleichbare Kontrolle durch mehrere öffentliche Auftraggeber ermögliche, was im vorliegenden Fall nicht zutreffe.

[26] 25 Die Kommission rügt drittens, dass die Bundesrepublik Deutschland nicht nachgewiesen habe, dass aus technischen Gründen nur die Stadtreinigung Hamburg den fraglichen Vertrag hätte abschließen können und sie sich deshalb auf die Ausnahme nach Art. 11 Abs. 3 Buchst. b der Richtlinie 92/50 berufen könne.

[27] 26 Die Bundesrepublik Deutschland entgegnet, dass die Stadtreinigung Hamburg im Fall einer Ausschreibung nicht notwendigerweise in der Lage gewesen wäre, ein Angebot zu unterbreiten, da die Stadt Hamburg 1994 nicht über die Verwertungskapazität verfügt habe, die sie hätte veranlassen können, an einer Ausschreibung teilzunehmen. Die Errichtung der Anlage Rugenberger Damm sei nämlich nur im Hinblick auf den erst später bekannt gewordenen Abfallverwertungsbedarf der betreffenden Landkreise und auf die Versicherung, dass diese eine zukünftige Anlage nutzen würden, ins Auge gefasst worden.

[28] 27 Zudem hätten die Landkreise die Gewissheit gehabt, dass die geplante Anlage der Stadtreinigung Hamburg in einem überschaubaren Zeitraum in Betrieb genommen werde, was kein anderer Bieter hätte gewährleisten können.

[29] 28 Die Kommission weist viertens das Vorbringen der Bundesrepublik Deutschland zurück, die Richtlinie 92/50 müsse nach Art. 86 Abs. 2 EG unangewendet bleiben, wenn sie wie im vorliegenden Fall dazu führe, dass öffentliche Einrichtungen die ihnen übertragene Aufgabe der Abfallbeseitigung nicht erfüllen könnten.

[30] 29 Die Bundesrepublik Deutschland ist nämlich der Auffassung, dass die Auslegung der Richtlinie 92/50 durch die Kommission zum einen dazu führen würde, dass die betreffenden Landkreise die Stadtreinigung Hamburg nicht mit der Abfallentsorgung – einer Aufgabe von allgemeinem Interesse auf Gemeinschaftsebene – betrauen könnten und gezwungen wären, diese Aufgabe dem Dienstleistungsanbieter mit dem wirtschaftlich günstigsten Angebot zu übertragen, ohne jegliche Garantie dafür, dass die öffentliche Dienstleistung auf zufriedenstellende und dauerhafte Weise erledigt werde; zum anderen würde sie dazu führen, dass die Kapazitäten der neuen Anlage nicht rentabel genutzt würden.

[31] 30 Nach Ansicht der Bundesrepublik Deutschland wäre ohne die beanstandete Vereinbarung keine der beiden Vertragsparteien in der Lage gewesen, ihre öffentliche Aufgabe zu erfüllen. Insbesondere hätte die Stadt Hamburg nicht eine Anlage mit Überkapazitäten errichten können, um dann aus wirtschaftlichen Gründen ohne Erfolgsgarantie zu versuchen, diese nicht ausgelasteten Kapazitäten auf dem Markt unterzubringen.

Würdigung durch den Gerichtshof

[32] 31 Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Klage der Kommission nur den Vertrag zwischen der Stadtreinigung Hamburg und vier angrenzenden Landkreisen zum Gegenstand hat, der die Zusammenarbeit bei der Abfallentsorgung gewährleisten soll, und nicht den Vertrag zur Regelung des Verhältnisses zwischen der Stadtreinigung Hamburg und dem Betreiber der Müllverwertungsanlage Rugenberger Damm.

[33] 32 Nach Art. 1 Buchst. a der Richtlinie 92/50 gelten als öffentliche Dienstleistungsaufträge die schriftlichen entgeltlichen Verträge, die zwischen einem Dienstleistungserbringer und einem der in Art. 1 Buchst. b dieser Richtlinie genannten öffentlichen Auftraggeber geschlossen werden, zu denen Gebietskörperschaften wie die Landkreise, um die es im vorliegenden Vertragsverletzungsverfahren geht, gehören.

[34] 33 Nach Art. 1 Buchst. c der Richtlinie 92/50 können „natürliche oder juristische Personen sowie öffentliche Einrichtungen“ vertragsschließender Dienstleistungserbringer sein. Dass der Dienstleistungserbringer eine vom Dienstleistungsempfänger verschiedene Körperschaft öffentlichen Rechts ist, steht der Anwendung der Richtlinie 92/50 nicht entgegen (vgl. in diesem Sinne zu einem öffentlichen Liefer- und Bauauftrag Urteil Kommission/Spanien, Randnr. 40).

[35] 34 Der Rechtsprechung des Gerichtshofs ist jedoch zu entnehmen, dass eine Ausschreibung nicht obligatorisch ist, wenn die öffentliche Stelle, die ein öffentlicher Auftraggeber ist, über die fragliche Einrichtung eine ähnliche Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen, vorausgesetzt, dass diese Einrichtung ihre Tätigkeit im Wesentlichen mit ihr oder mit anderen Gebietskörperschaften verrichtet, die ihre Anteile innehaben (vgl. in diesem Sinne Urteile Teckal, Randnr. 50, und Stadt Halle und RPL Lochau, Randnr. 49).

[36] 35 Der Gerichtshof hat außerdem zu einem Fall, in dem eine Gemeinde einer interkommunalen Genossenschaft mit der alleinigen Aufgabe, den angeschlossenen Gemeinden Dienstleistungen zu erbringen, gemeinwirtschaftliche Verpflichtungen auferlegt hat, entschieden, dass die Vergabe an die Genossenschaft rechtmäßig ohne Ausschreibung erfolgen konnte, weil die angeschlossenen Gemeinden gemeinsam die Kontrolle über sie ausübten, auch wenn die Leitung der Genossenschaft durch den Verwaltungsrat in mancherlei Hinsicht selbständig erfolgte (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. November 2008, Coditel Brabant, C-324/07, Slg. 2008, I-0000, Randnr. 41).

[37] 36 Im vorliegenden Fall ist jedoch unstreitig, dass die vier Landkreise weder über ihren Vertragspartner, die Stadtreinigung Hamburg, noch über den Betreiber der Müllverbrennungsanlage Rugenberger Damm, eine Gesellschaft, deren Kapital teilweise aus Privatvermögen besteht, eine Kontrolle ausüben, die als eine ähnliche Kontrolle wie die über ihre eigenen Dienststellen charakterisiert werden könnte.

[38] 37 Indes wird mit dem streitigen Vertrag eine Zusammenarbeit von Gebietskörperschaften bei der Wahrnehmung einer ihnen allen obliegenden öffentlichen Aufgabe – der Abfallentsorgung – vereinbart. Diese Aufgabe steht mit der Umsetzung der Richtlinie 75/442/EWG des Rates vom 15. Juli 1975 über Abfälle (ABl. L 194, S. 39) in Zusammenhang, mit der die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet werden, Abfallbewirtschaftungspläne zu erstellen, die insbesondere „Maßnahmen zur Förderung der Rationalisierung des Einsammelns, Sortierens und Behandelns von Abfällen“ vorsehen, wobei eine der wichtigsten dieser Maßnahmen nach der Richtlinie 91/156/EWG des Rates vom 18. März 1991 (ABl. L 78, S. 32), durch die Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie 75/442 geändert wurde, darin besteht, zu versuchen, den Abfall in einer so nah wie möglich gelegenen Anlage zu verwerten.

[39] 38 Des Weiteren steht fest, dass der Vertrag zwischen der Stadtreinigung Hamburg und den betreffenden Landkreisen das Ergebnis einer Initiative der Vertragsparteien zur interkommunalen Zusammenarbeit ist und Anforderungen enthält, mit denen sichergestellt werden kann, dass die Aufgabe der Abfallentsorgung erfüllt wird. Vertragsgegenstand ist nämlich, der Stadt Hamburg dadurch die Errichtung und den Betrieb einer Abfallentsorgungsanlage unter den besten wirtschaftlichen Bedingungen zu ermöglichen, dass die benachbarten Landkreise ihren Abfall einbringen und so eine Kapazität von 320 000 Tonnen erreicht werden kann. Aus diesem Grund wurde die Errichtung der Anlage erst beschlossen und durchgeführt, nachdem sich die vier Landkreise damit einverstanden erklärt und sich dazu verpflichtet hatten, die Anlage zu nutzen.

[40] 39 Wie es in den Eingangsbestimmungen des Vertrags ausdrücklich heißt, ist Vertragsgegenstand in erster Linie die Verpflichtung der Stadtreinigung Hamburg, den vier Landkreisen jährlich eine Kapazität von 120 000 Tonnen Abfall zur thermischen Verwertung bei der Müllverwertungsanlage Rugenberger Damm einzuräumen. Wie es im Vertrag weiter heißt, übernimmt die Stadtreinigung Hamburg für den Betrieb der Anlage keine Haftung oder Gewähr. Bei Stillständen oder Fehlfunktionen der Anlage ist sie nur dazu verpflichtet, Ersatzkapazitäten anzubieten, und dies auch nur unter zwei Voraussetzungen. Zum einen muss zunächst die Entsorgung der Abfälle der Stadt Hamburg gesichert sein, und zum anderen müssen in anderen der Stadtreinigung Hamburg zugänglichen Anlagen Kapazitäten verfügbar sein.

[41] 40 Die vier betreffenden Landkreise zahlen der Stadtreinigung Hamburg als Gegenleistung für die in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils erläuterte Verwertung ihrer Abfälle in der Anlage Rugenberger Damm ein Jahresentgelt, dessen Berechnungsmethode und Zahlungsmodalitäten im Vertrag festgelegt sind. Die Liefer- und Abnahmekapazitäten werden für jede Kalenderwoche zwischen der Stadtreinigung Hamburg und einem von den vier Landkreisen zu benennenden Ansprechpartner abgestimmt. Dem Vertrag ist außerdem zu entnehmen, dass die Stadtreinigung Hamburg, wenn gegen den Betreiber der Müllverwertungsanlage Rugenberger Damm Schadensersatzansprüche bestehen und die Landkreise einen Schaden erlitten haben, die Interessen der Landkreise gegenüber dem Betreiber wahrnehmen wird, gegebenenfalls auch auf dem Klageweg.

[42] 41 Im Vertrag sind auch einige Verpflichtungen der vertragsschließenden Gebietskörperschaften vorgesehen, die mit dem Gegenstand der öffentlichen Aufgabe unmittelbar im Zusammenhang stehen. Zwar übernimmt die Stadt Hamburg den Hauptanteil der Leistungen, die den Gegenstand des Vertrags zwischen ihr und den vier Landkreisen bilden, doch stellen die Landkreise ihre nicht selbst genutzten Entsorgungskapazitäten der Stadtreinigung Hamburg zur Verfügung, um Abhilfe für den Mangel an Entsorgungskapazitäten der Stadt Hamburg zu schaffen. Sie verpflichten sich zudem, den Anteil nicht verwertbarer Müllverbrennungsschlacke zur Entsorgung in ihren Deponiebereichen aufzunehmen, der der von ihnen angelieferten Abfallmenge entspricht.

[43] 42 Nach dem Vertrag müssen sich die Vertragsparteien auch in Notfällen Beistand bei der Erfüllung der ihnen gesetzlich obliegenden Entsorgungspflicht leisten. So ist u. a. vorgesehen, dass sich die Landkreise verpflichten, unter bestimmten Umständen, wie z. B. bei temporärer Überlastung der Anlage, die gelieferten Abfallmengen zu reduzieren, und damit eine Beschränkung ihres Zugangsrechts zur Müllverbrennungsanlage akzeptieren.

[44] 43 Schließlich wird die Erbringung von Abfallentsorgungsleistungen nur gegenüber dem Betreiber der Anlage vergütet. Aus dem Vertrag ergibt sich, dass die in ihm vorgesehene Zusammenarbeit zwischen der Stadtreinigung Hamburg und den vier Landkreisen nicht zu Finanztransfers zwischen ihnen führt, die über die Erstattung des Teils der Kosten hinausgehen, der von den Landkreisen zu tragen ist, aber von der Stadtreinigung Hamburg an den Betreiber gezahlt wird.

[45] 44 Damit steht fest, dass der beanstandete Vertrag sowohl die Rechtsgrundlage als auch den Rechtsrahmen für die zukünftige Errichtung und den Betrieb einer Anlage bildet, die für die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe – der thermischen Abfallverwertung – bestimmt ist. Der Vertrag wurde ausschließlich zwischen öffentlichen Stellen ohne Beteiligung Privater geschlossen, sieht keine Vergabe eventuell erforderlicher Aufträge über den Bau und den Betrieb der Anlage vor und präjudiziert sie auch nicht.

[46] 45 Der Gerichtshof hat u. a. festgestellt, dass eine öffentliche Stelle ihre im allgemeinen Interesse liegenden Aufgaben mit ihren eigenen Mitteln und auch in Zusammenarbeit mit anderen öffentlichen Stellen erfüllen kann, ohne gezwungen zu sein, sich an externe Einrichtungen zu wenden, die nicht zu ihren Dienststellen gehören (vgl. Urteil Coditel Brabant, Randnrn. 48 und 49).

[47] 46 Die Kommission hat im Übrigen in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, dass sie, wäre die fragliche Zusammenarbeit in Form der Schaffung einer Einrichtung des öffentlichen Rechts erfolgt, die von den verschiedenen Körperschaften damit betraut worden wäre, die im Allgemeininteresse liegende Aufgabe der Abfallentsorgung wahrzunehmen, akzeptiert hätte, dass die Nutzung der Anlage durch die betreffenden Landkreise nicht der Regelung über öffentliche Aufträge unterliege. Sie ist jedoch der Auffassung, dass ohne eine solche Einrichtung der interkommunalen Zusammenarbeit der von der Stadtreinigung Hamburg an die betreffenden Landkreise vergebene Dienstleistungsauftrag hätte ausgeschrieben werden müssen.

[48] 47 Jedoch ist festzustellen, dass zum einen das Gemeinschaftsrecht den öffentlichen Stellen für die gemeinsame Wahrnehmung ihrer öffentlichen Aufgaben keine spezielle Rechtsform vorschreibt. Zum anderen kann eine solche Zusammenarbeit öffentlicher Stellen das Hauptziel der Gemeinschaftsvorschriften über das öffentliche Auftragswesen – einen freien Dienstleistungsverkehr und die Eröffnung eines unverfälschten Wettbewerbs in allen Mitgliedstaaten – nicht in Frage stellen, solange die Umsetzung dieser Zusammenarbeit nur durch Überlegungen und Erfordernisse bestimmt wird, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhängen, und der in der Richtlinie 92/50 genannte Grundsatz der Gleichbehandlung der Interessenten gewährleistet ist, so dass kein privates Unternehmen besser gestellt wird als seine Wettbewerber (vgl. in diesem Sinne Urteil Stadt Halle und RPL Lochau, Randnrn. 50 und 51).

[49] 48 Schließlich ist den dem Gerichtshof vorliegenden Akten auch kein Hinweis darauf zu entnehmen, dass die beteiligten Körperschaften in der vorliegenden Rechtssache eine Gestaltung gewählt hätten, mit der das Vergaberecht umgangen werden sollte.

[50] 49 Nach alledem ist die Klage der Kommission abzuweisen, ohne dass über die übrigen Verteidigungsmittel der Bundesrepublik Deutschland entschieden zu werden braucht.

Kosten

[51] 50 Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr gemäß dem Antrag der Bundesrepublik Deutschland die Kosten aufzuerlegen.

* Verfahrenssprache: Deutsch.

Vergabefreies interkommunales Zusammenwirken?

von Thomas Ax

Der Vergabesenat des OLG Koblenz stellt folgende Vorlagefrage an den EuGH: Ist Art. 12 Abs. 4 a der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG dahingehend auszulegen, dass eine Zusammenarbeit schon dann vorliegt, wenn ein auf seinem Gebiet für die Abfallentsorgung zuständiger öffentlicher Auftraggeber eine ihm nach nationalem Recht allein obliegende Entsorgungsaufgabe, für deren Erledigung mehrere Arbeitsgänge notwendig sind, nicht vollständig selbst erledigt, sondern einen anderen, von ihm unabhängigen öffentlichen Auftraggeber, der auf seinem Gebiet ebenfalls für die Abfallentsorgung zuständig ist, damit beauftragt, einen der notwendigen Arbeitsgänge gegen Entgelt auszuführen?
OLG Koblenz, Beschluss vom 14.05.2019 – Verg 1/19

A.

I.

Der Vergabesenat beim Oberlandesgericht Koblenz hat als Beschwerdegericht und letzte Instanz im Sinne des Art. 267 Abs. 3 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union darüber zu entscheiden, ob ein als Zweckvereinbarung bezeichneter Vertrag zwischen zwei öffentlichen Auftraggebern vom 27. September 2018, der alle Merkmale eines öffentlichen Auftrags aufweist, gemäß Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24/EU, umgesetzt in nationales Recht in § 108 Abs. 6 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), aus dem Anwendungsbereich des nationalen und europäischen Vergaberechts herausfällt oder ob die Vereinbarung die vergaberechtswidrige Direktvergabe eines ausschreibungspflichtigen öffentlichen Auftrags beinhaltet. In der Sache geht es um die Frage, ob es für eine Zusammenarbeit (cooperation, coopération) im Sinne der vorgenannten Ausnahmeregelungen ausreicht, wenn ein öffentlicher Auftraggeber eine ihm zugewiesene Pflichtaufgabe teilweise selbst erledigt, teilweise von einem anderen, von ihm unabhängigen öffentlichen Auftraggeber ausführen lässt.

II.

Im Einzelnen

1. Antragstellerin und Beschwerdeführerin ist ein zur R.-Gruppe gehörendes, in Südwestdeutschland tätiges Privatunternehmen, das ein breites Spektrum von Dienstleistungen zur Abfallbehandlung und -entsorgung anbietet. Antragsgegner und Beschwerdegegner ist der Abfallzweckverband R (nachfolgend kurz: Zweckverband), dessen Mitglieder – die Landkreise M. und C. sowie die kreisfreie Stadt K. – nach nationalem Recht für die Entsorgung der jeweils in ihrem Gebiet angefallenen Abfälle zuständig sind und die die Erfüllung dieser Aufgabe auf den von ihnen gemeinsam kontrollierten Zweckverband übertragen haben. Der Zweckverband ist öffentlicher Auftraggeber in Sinne des § 99 Nr. 2 GWB bzw. des Art. 2 Abs. 1 Nrn. 1, 4 der Richtlinie 2014/24/EU. Der beigeladene Landkreis N. (nachfolgend kurz: Landkreis) ist als kommunale Gebietskörperschaft öffentlicher Auftraggeber (§ 99 Nr. 1 GWB bzw. Art. 2 Abs. 1 Nr. 1 der Richtlinie 2014/24/EU). Er ist nach nationalem Recht für die gesamte Abfallentsorgung im Kreisgebiet zuständig und betreibt in L. eine Abfallentsorgungsanlage, zu der auch eine mechanisch-biologische Abfallbehandlungsanlage (MBA) gehört.

2. Im Zuständigkeitsbereich des Zweckverbands fallen jährlich ca. 50.000 Mg als Restabfälle bezeichnete, überwiegend aus Haushalten stammende gemischte Siedlungsabfälle an. Dabei handelt es sich um den Teil des Abfalls, der im Idealfall keine oder allenfalls noch wenige wiederverwertbare Stoffe enthält. Ein nach nationalem Recht zulässiger Entsorgungsweg ist die Deponierung, der allerdings zwingend eine aufwendige Vorbehandlung in einer MBA vorausgehen muss. Bei dieser Vorbehandlung sollen Wertstoffe und heizwertreiche Abfälle abgetrennt, Schadstoffe soweit wie möglich entfernt und die biologische Aktivität des organischen Anteils deutlich verringert werden. Die danach verbleibenden Deponierungsreste machen durchschnittlich knapp 50% des Ausgangsvolumens aus.

3. Der Zweckverband verfügt über keine eigene MBA. Etwa 80% der im Verbandsgebiet anfallenden Restabfälle werden im Auftrag des Zweckverbandes vollständig von privaten Unternehmen entsorgt. Die übrigen 20% – ca. 10.000 Mg/a – sind Gegenstand einer am 27. September 2018 geschlossenen Zweckvereinbarung zwischen dem Zweckverband und dem Landkreis mit folgendem Inhalt:

§ 1 Ausgangslage

1. Der Landkreis N. – nachstehend Kreis genannt – ist öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger (§ 17 Abs. 1 KrWG in Verbindung mit § 3 Abs. 1 LKrWG). In dieser Zuständigkeit hat er die jeweils in seinem Gebiet angefallenen und überlassenen Abfälle aus privaten Haushalten im Sinne des § 2 Abs. 2 GewAbfV und aus sonstigen Herkunftsbereichen entgegenzunehmen und ordnungsgemäß zu entsorgen. Dem Abfallzweckverband … – nachstehend AZV genannt – ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts u.a. die Restabfallbehandlung und -entsorgung der in den Mitgliedsgebietskörperschaften, der Stadt K. und den Landkreisen M. und C., anfallenden und diesem überlassenen Abfälle aus privaten Haushalten und aus sonstigen Herkunftsbereichen, insbesondere der Restabfälle und der hausmüllähnlichen Gewerbeabfälle, übertragen. Nach § 3 Abs. 2 LKrWG sollen die öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger zur Erfüllung ihrer Aufgaben miteinander kooperieren. Der Kreis und der AZV vereinbaren entsprechend § 108 Abs. 6 GWB eine Zusammenarbeit bei der Restabfallbehandlung und Entsorgung gemischter Siedlungsabfälle auf der Grundlage dieser Zweckvereinbarung im Sinne der §§ 12, 13 KomZG.

2. Der Kreis betreibt in der Gemarkung L. die Abfallentsorgungsanlage (AEA) L. mit einer Mechanisch-Biologischen Abfallbehandlungsanlage (MBA). Der Abfallwirtschaftsplan Rheinland-Pfalz, Teilplan B Konzeption der Restabfallwirtschaft, 2013, weist die MBA L. als Standort mit Entsorgungssicherheit mit (mind.) in das Jahr 2025 (s. dort S. 84) aus.

3. Auf der Basis der genannten Rechtsvorschriften und unter Beachtung des Grundsatzes der Nähe vereinbaren der Kreis und der AZV gemäß § 12 Abs. 1 KomZG die Mitbenutzung der MBA L. durch den AZV mit einer Teilmenge der ihm angedienten bzw. überlassenen Abfälle.

§ 2 Gegenstand

1. Der AZV verpflichtet sich, ihm überlassene Abfallteilmengen aus Haushalten und sonstigen Herkunftsbereichen (gemischte Siedlungsabfälle nach AVV 200301) einschließlich darin enthaltener Fehlwürfe von Abfällen lt. Anlage 1 in der MBA L. behandeln zu lassen.

2. Der Kreis verpflichtet sich, diese Abfälle gemäß § 3 der Zweckvereinbarung entgegenzunehmen und gemäß den Anforderungen von § 6 Abs. 4 DepV zu behandeln. Die Entsorgung der Restabfälle bleibt Aufgabe des AZV.

3. Im Rahmen der Kooperation erklärt sich der AZV bereit, Teilmengen mineralischer Abfälle von bis zu 3.000 Mg p.a. zu übernehmen, die im Rahmen der hoheitlichen Beseitigungspflicht des Landkreises Neuwied anfallen. Die durch den AZV insoweit zu übernehmenden Mengen richten sich nach dessen Leistungsfähigkeit und sind im Einzelnen zwischen den Beteiligten unter Berücksichtigung der wechselseitigen Interessen zu vereinbaren.

§ 3 Anlieferungsbedingungen

1. Der AZV verpflichtet sich, arbeitstäglich (Montag – Freitag) höchstens 50 Mg der in § 2 definierten Abfälle zur MBA L. anzuliefern. Die Parteien sind sich einig, dass die durch den AZV anzuliefernde Jahresmenge 10.000 Mg beträgt; für das Jahr 2018 beträgt die anteilige Menge ca. 4.000 Mg. Der Kreis kann Abfälle, die nicht § 2 Abs. 1 entsprechen, im Benehmen mit dem AZV zurückweisen. Die im Satz 2 genannte Tonnage stellt eine voraussichtliche Abfallmenge dar, die um bis zu 15 % über- oder unterschritten werden kann, ohne dass sich dies auf das Entgelt (§ 5 Abs. 1) auswirkt.

2. Die Anlieferung der Abfälle durch den AZV erfolgt in geschlossenen Transportfahrzeugen bis 12.00 Uhr an der MBA L. Spätere Anlieferungen können nur nach vorheriger Abstimmung mit der Betriebsleitung MBA erfolgen. Bis Donnerstag teilt der AZV die Anlieferungsmengen für die folgende Woche der Betriebsleitung MBA mit. Offene Container sind auf dem Transportweg bis zur Anlieferung in der MBA L. jeweils mit einer Plane oder in anderer geeigneter Weise abzudecken.

3. Der AZV verpflichtet sich, die Betriebsordnung der Abfallentsorgungsanlage (AEA) L., einzuhalten und die von ihm mit dem Transport der Abfälle beauftragten Dritten ebenfalls zur Beachtung der Betriebsordnung zu verpflichten. Die jeweils geltende Betriebsordnung wird dem AZV zur Verfügung gestellt.

§ 4 Betrieb der MBA L.

1. Die Einrichtung zur Behandlung und Entsorgung in der MBA L. werden vom Kreis unter Beachtung der jeweils geltenden Bestimmungen der Genehmigungsbescheide ordnungsgemäß betrieben.

2. Sämtliche Anlieferungen unterliegen der Eingangskontrolle. Die Anlieferung zu den Anlagen in der MBA L. und zur Deponie erfolgt erst nach Verwiegung auf einer geeichten Waage im Eingangsbereich der AEA L.. Die im Auftrag des AZV angelieferten Abfälle werden datenmäßig erfasst. Die Datenübermittlung an den AZV erfolgt durch den Kreis monatlich. Sie kann auch durch einen beauftragten Dritten erfolgen.

3. Aus der Behandlung in der MBA L. entstehen aus den Inputmengen 46 % Deponierungsreste, die der AZV gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 übernimmt.

§ 5 Entgelte

1. Für die ordnungsgemäße Behandlung der Restabfälle zahlt der AZV im Wege der Kostenerstattung ohne Berücksichtigung von Gewinnzuschlägen für die laufenden Betriebskosten an den Kreis ein Entgelt nach Abfallaufkommen. Näheres wird in einer gesonderten Entgeltordnung festgelegt.

2. Wird die in § 3 Abs. 1 vereinbarte Mindestabfallmenge von 8.500 Mg/a unterschritten, ist der AZV verpflichtet, für die Differenz zwischen der tatsächlich angelieferten Menge und 8.500 Mg/a eine tonnagebezogene Ausgleichszahlung zu leisten. Die Höhe dieser Ausgleichszahlung wird dann einvernehmlich zwischen den Parteien – unterbesonderer Berücksichtigung der Loyalitätsklausel gem. § 10 dieser Zweckvereinbarung – ermittelt. Bei der Ermittlung werden ersparte Aufwendungen des Kreises und akquirierte Drittmengen berücksichtigt. Eine Verpflichtung zur Akquisition von Abfällen in Höhe der fehlenden Differenzmenge besteht für den Kreis nicht. Ist dem Kreis die Verwertung freier Kapazitäten nicht möglich und kann er seine anlagebezogenen Aufwendungen nicht reduzieren, ist das in § 5 Abs. 1 vereinbarte Entgelt als Ausgleichszahlung für die fehlende Menge geschuldet. Im Falle der Überschreitung der Maximalabfallmenge (11.500 Mg/a) werden die Parteien in Anwendung des vorstehend beschriebenen Grundverständnisses in gleicher Weise die Anpassung des Entgelts für die 11.500 Mg übersteigende Menge vereinbaren.

§ 6 Dauer der Zweckvereinbarung

1. Die Zweckvereinbarung tritt nach Genehmigung durch die ADD mit ihrer Veröffentlichung, voraussichtlich zum 01.10.2018 in Kraft.

2. Sie hat eine Laufzeit von zehn Jahren. Sie kann zweimal jeweils mit einer Frist von einem Jahr – vor dem jeweiligen Ablauf – einvernehmlich um jeweils zwei Jahre verlängert werden. Ansonsten endet sie automatisch, ohne dass es einer Kündigung bedarf.

3. Unabhängig von der Bestimmung des § 12 Abs. 4 KomZG können der Kreis und der AZV diese Zweckvereinbarung nur aus wichtigem Grund aufheben oder kündigen. Ein wichtiger Grund liegt insbesondere vor, wenn die MBA nicht mehr zur Behandlung von Restabfällen genutzt werden soll oder ein Wegfall oder eine Änderung der Genehmigung als mechanisch-biologische Abfallbehandlungslage vorliegt. Sonstige zwingende Gründe bleiben unberührt.

4. Die ordentliche Kündigung ist während der Laufzeit gemäß Abs. 2 S. 1 dieser Vereinbarung ausgeschlossen. Entsprechend § 13 Abs. 3 KomZG bleibt das Recht eines Partners auf Kündigung aus wichtigem Grund unberührt.

§ 7 Haftung

1. Soweit und solange ein Partner der Zweckvereinbarung durch Umstände oder Ereignisse, deren Verhinderung ihm unmöglich oder wirtschaftlich nicht zumutbar ist, wie z.B. Streik, Aussperrung, Störung beim Bezug der Energie, Feuer oder Ereignisse höherer Gewalt, an der Erfüllung der Verpflichtungen dieser Zweckvereinbarung gehindert ist, ruhen seine Verpflichtungen. Entfällt das Hindernis, holen die Parteien die Verpflichtungen unter gegenseitiger Rücksichtnahme auf die jeweilige Leistungsfähigkeit nach. Für sonstige Leistungsstörungen oder Pflichtverletzungen gelten die gesetzlichen Bestimmungen, insbesondere die Regelungen des Bürgerlichen Gesetzbuches.

2. Kreis und AZV verpflichten sich, etwaige Störungen oder Unterbrechungen in ihrem Einflussbereich unverzüglich zu beheben, soweit ihnen das möglich ist. Sie werden sich über den Eintritt und die Beendigung störender Umstände oder Ereignisse unverzüglich unterrichten.

§ 8 Ausfallverbund

Der Kreis hat für den Fall, dass eine Behandlung des Restabfalls aufgrund von vorübergehenden Betriebsstörungen, Revisionszeiten oder ähnlichen von ihm zu vertretenden Ereignissen in der MBA L. nicht möglich ist, einen Ausfallverbund mit Betreibern anderer Anlagen vereinbart. Er ist berechtigt, in diesem Fall den Restabfall des AZV zu diesen Anlagen des Ausfallverbundes zu transportieren und dort behandeln zu lassen oder stellt anderweitig die Entsorgung sicher. Etwaige Mehrkosten trägt der Kreis. Die – unter Umständen von § 2 Abs. 2 S. 1 und 2 dieser Zweckvereinbarung abweichende – Entsorgung der Restabfälle in diesen Anlagen stimmt der Kreis mit dem AZV gesondert und im Einzelfall ab. Es steht den Parteien frei, auch in einem Fall des § 8 Satz 1 das Ruhen der gegenseitigen Verpflichtungen nach § 7 zu vereinbaren.

§ 9 Zwischenlagerung

Bei einem Ereignis gemäß § 8 Abs. 1 lagert der AZV die von ihm anzuliefernden Abfälle im Rahmen der Gegenseitigkeit der Vereinbarung vorrangig vor einer Inanspruchnahme des Ausfallverbundes auf seine Kosten auf dem Gelände des AZV zwischen, soweit dies möglich ist. Entfällt das Hindernis, holen die Parteien die Verpflichtungen unter gegenseitiger Rücksichtnahme auf die jeweilige Leistungsfähigkeit nach. Die Pflicht zur Zwischenlagerung gilt vorbehaltlich einer noch zu erteilenden immissionsschutzrechtlichen Genehmigung für das Gelände des AZV.

§ 10 Verpflichtung zur loyalen Zusammenarbeit

Die Parteien verpflichten sich, zur Umsetzung der mit Abschluss dieser Zweckvereinbarung bezweckten Ziele stets vertrauensvoll und loyal zusammenzuarbeiten und sich stets gegenseitig über Entwicklungen und/oder Veränderungen unterrichtet zu halten, die Einfluss auf die Durchführung dieser Zweckvereinbarung haben können.

§ 11 Schlussvorschriften

1. Änderungen und/oder Ergänzungen zu dieser Zweckvereinbarung bedürfen der Schriftform und der Bestätigung durch die Aufsichtsbehörde. Dies gilt auch für die Aufhebung dieser Klausel.

2. Sollten einzelne Bestimmungen dieser Vereinbarung unwirksam sein oder sollte sich in dieser Vereinbarung eine Lücke herausstellen, so wird die Gültigkeit der übrigen Bestimmungen hierdurch nicht berührt. Anstelle der unwirksamen Bestimmung oder zur Ausfüllung der Lücke soll eine rechtswirksame Ersatzregelung treten, die dem aus diesem Vertrag erkennbaren Willen der Parteien, dem wirtschaftlichen Sinn und Zweck der weggefallenen Regelung und der Gesamtvereinbarung Rechnung trägt bzw. möglichst nahe kommt. Dies gilt auch dann, wenn die Unwirksamkeit einer Bestimmung auf einer Leistungs- oder Zeitbestimmung beruht; es soll dann ein dem Gewollten möglichst nahekommendes rechtlich zulässiges Maß der Leistung oder Zeit als vereinbart gelten. Die Zweckvereinbarung wurde am 18. Oktober 2019 von der zuständigen Behörde genehmigt und in der Folgezeit in lokalen und regionalen Amtsblättern bekanntgemacht.

Nach den derzeitigen Vorstellungen der Beteiligten soll das kostendeckende Entgelt bei 100 Euro/Mg liegen. Als eigenen Vorteil aus der Arbeitsteilung verspricht sich der Landkreis eine höhere und damit insgesamt wirtschaftlichere Auslastung der MBA, ohne zugleich zusätzlichen (eigenen) Deponieraum verbrauchen zu müssen. Weil die aus verschiedenen Quellen stammenden Restabfälle in der MBA L. nicht getrennt behandelt werden, soll der Zweckverband nicht „seine“ Deponierungsreste übernehmen, sondern Anteile vom Gesamtaufkommen, die mengenmäßig jeweils 46 % des von ihm angelieferten Inputs entsprechen.

4. Die Partner der Zweckvereinbarung sind sich darüber einig, dass es sich bei § 2 Abs. 3 um eine Absichtserklärung handelt, die mangels eines aktuellen tatsächlichen Bedarfs des Landkreises einerseits und Kapazitätsproblemen des Zweckverbandes andererseits wahrscheinlich nie in die Tat umgesetzt werden wird (und wohl auch nie in die Tat umgesetzt werden sollte). Sie wurde zudem mit Schreiben des Verfahrensbevollmächtigten des Zweckverbandes an die Vergabekammer Rheinland-Pfalz vom 18. Februar 2019 „ausdrücklich für gegenstandslos“ erklärt. Die in § 9 der Zweckvereinbarung angesprochene immissionsschutzrechtliche Genehmigung gibt es nicht; sie wurde bisher noch nicht einmal beantragt.

5. Der Landkreis ist seit 2004 Mitglied des Vereins „Arbeitsgemeinschaft Stoffspezifische Abfallbehandlung (ASA) e.V.“, dem sowohl Kommunen als auch private Entsorgungsunternehmen angehören. Zu den Aufgaben dieses in ganz Deutschland tätigen Vereins gehört die Organisation eines Ausfallverbundes. Kommt es in einer Abfallbehandlungsanlage zu einer Betriebsstörung oder einem anderen Ereignis, das vorübergehend eine Behandlung unmöglich macht, wird dem Betreiber im Rahmen eines Ausfallverbundkonzeptes die Möglichkeit gegeben, die Ausfallzeit durch die entgeltliche Nutzung von Anlagenkapazitäten anderer Vereinsmitglieder zu überbrücken. Bisher musste der Landkreis den Ausfallverband noch nie in Anspruch nehmen.

6. In der MBA des Landkreises in L. werden etwa 30.000 Mg/a Restabfälle aus den Landkreisen R. und B. vorbehandelt. Diese Tätigkeit ist eingebettet in eine Kooperation der beteiligten Landkreise, die neben der delegierenden Übertragung der Aufgabe Restabfallentsorgung mit allen Rechten und Pflichten einschließlich des Rechts zur Gebührenerhebung auf den Landkreis Neuwied u.a. auch die gemeinsame Nutzung und konsekutive Verfüllung der den Beteiligten gehörenden Deponien M., K. und L. (in dieser Reigenfolge) zum Gegenstand hat. Daneben werden in geringem Umfang (< 500 Mg/a) Abfälle vorbehandelt, die aus Selbstanlieferungen (überwiegend von Gewerbetreibenden) stammen, für die keine Überlassungspflicht an den Landkreis besteht.

II.

Der Antragstellerin, die an öffentlichen Abfallentsorgungsaufträgen aller Art interessiert ist, war im Herbst 2018 war bekannt, dass der Zweckverband bei der Entsorgung von Restabfällen eine noch zu schließende Lücke von ca. 10.000 Mg/a hatte. Auf Nachfrage vom 26. Oktober 2018 informierte der Zweckverband mit Schreiben vom 31. Oktober 2018, das am selben Tag um die Mittagszeit per Telefax übermittelt wurde, den Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin unter Beifügung einer Kopie über den Abschluss der Zweckvereinbarung. Nach erfolgloser Rüge einer nach ihrer Auffassung unzulässigen Direktvergabe reichte die Antragstellerin am 3. Dezember 2018 einen Nachprüfungsantrag bei der Vergabekammer Rheinland-Pfalz ein.

III.

Mit Beschluss vom 6. März 2019 hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag als unzulässig zurückgewiesen, weil eine unter § 108 Abs. 6 GWB (= Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24) fallende Kooperation zweier öffentlicher Aufträge vorliege, weshalb nach nationalem Recht der Zugang zum Nachprüfungsverfahren nicht eröffnet sei. Zu dem zwischen den Verfahrensbeteiligten umstrittenen Tatbestandsmerkmal „Zusammenarbeit“ hat sie u.a. ausgeführt:

„Eine Abs. 6 Nr. 1 entsprechende Zusammenarbeit setzt zwar nicht voraus, dass alle an der Kooperation beteiligten öffentlichen Auftraggeber in gleichem Umfang zur Erbringung der Dienstleistung beitragen müssen. Notwendig ist insofern aber ein kooperatives Konzept (OLG Naumburg, Beschluss vom 17.03.2017, 7 Verg 8/16; Webeler in: jurisPK-VergabeR, 5. Aufl., 2016, § 108 GWB Rn. 68). Es reicht im Allgemeinen aus, dass jeder Kooperationsbeteiligte überhaupt einen Beitrag zur gemeinsamen Ausführung der Dienstleistung erbringt (OLG Naumburg, a.a.O.; vgl. Portz, a.a.O., § 108 Rn. 230)

Die insoweit erforderliche Zusammenarbeit ist jedoch schon begrifflich mehr als bloße Leistung gegen Bezahlung bzw. bloßer Austausch von Leistungen gegen Entgelt und meint ein bewusstes Zusammenwirken bei der Verrichtung einer Tätigkeit zur Erreichung eines gemeinsamen Ziels (OLG Koblenz, Beschluss vom 03.12.2014, Verg 8/14; a. A. Portz, a.a.O. Rn 240 ff.). Dies ergibt sich auch aus dem Erwägungsgrund 33 der Richtlinie 2014/24/EU (OLG Naumburg, a.a.O., OLG Koblenz, a.a.O.). Dort heißt es bzgl. der gemeinsamen Erbringung ihrer öffentlichen Dienstleistungen im Wege der Zusammenarbeit, dass „die von den verschiedenen teilnehmenden Stellen erbrachten Dienstleistungen […] nicht notwendigerweise identisch sein [müssen], sie können sich auch ergänzen.“ Weiter heißt es zu der Art der auf einem kooperativen Konzept beruhenden Zusammenarbeit, dass zwar nicht vorausgesetzt sei, dass alle teilnehmenden Stellen die Ausführung wesentlicher vertraglicher Pflichten übernehmen müssten. Dies solle aber nur gelten, „solange sie sich verpflichtet haben, einen Beitrag zur gemeinsamen Ausführung der betreffenden öffentlichen Dienstleistung zu leisten“.

Angesichts der dargestellten eindeutigen Aussagen im Erwägungsgrund 33 verbietet es sich, aus dem Umstand, dass in Erwägungsgrund 33 Abs. 3 Satz 2 von einer „Durchführung der Zusammenarbeit einschließlich etwaiger Finanztransfers zwischen den teilnehmenden öffentlichen Auftraggebern“ die Rede ist, zu schließen, für eine (auch nach nationalem Recht) vergaberechtsfreie Kooperation reiche es aus, wenn sich der Beitrag eines Vertragspartners auf die bloße Zahlung beschränkt (OLG Koblenz, a.a.O.). Dies wäre kein „Beitrag“ mehr im Sinne einer gemeinsamen Ausführung, sondern eine Gegenleistung (von Engelhardt/Kaelble, a.a.O., Rn. 84).

Darüber hinaus hat sich aber der Antragsgegner verpflichtet, jährlich eine Menge von 10.000 Mg der in der Zweckvereinbarung definierten Restabfälle zur MBA L. zu liefern und dort behandeln zu lassen. Der Beigeladene stellt insoweit seine Kapazitäten dem Antragsgegner zur Verfügung und übernimmt die Behandlung der Abfälle. Durch diese mechanische bzw. biologische Behandlung erreicht der Beigeladene, dass die Abfälle zum Teil noch verwertet und im Umfang erheblich reduziert werden. Der Antragsgegner wiederum hat in § 2 Abs. 2 in Verbindung mit § 4 Abs. 3 der Zweckvereinbarung zugesagt, die aus der Behandlung in der MBA L. entstehenden Deponierungsreste, die ca. 46 % der Inputmengen ausmachen, zurückzunehmen und in eigener Verantwortung zu beseitigen. Somit haben beide Beteiligte aufeinander aufbauende Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Erbringung der Dienstleistungen zur Abfallentsorgung übernommen. Ein kooperatives Konzept ist damit gegeben. Des Weiteren haben die Parteien in § 9 der Zweckvereinbarung verabredet, dass in den Fällen des § 8 der Antragsgegner vorrangig vor einer Inanspruchnahme des Ausfallverbundes auf seine Kosten auf seinem Gelände soweit tatsächlich und rechtlich möglich die Abfälle zwischenlagert. Dadurch übernimmt der Antragsgegner bei durch den Beigeladenen verschuldeten Leistungsstörungen eine Verpflichtung zur Zwischenlagerung des Abfalls. Auch dies spricht für ein kooperatives Konzept“.

IV.

Gegen die Entscheidung der Vergabekammer wendet sich die Antragstellerin mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde. Sie ist weiterhin der Auffassung, es fehle an einer Zusammenarbeit auf der Grundlage eines kooperativen Konzepts; vielmehr liege die Konstellation „Leistung gegen Entgelt“ und damit ein ausschreibungspflichtiger Auftrag vor, dessen Vergabe ohne vorherige Bekanntmachung der Vergabeabsicht im Amtsblatt der EU gemäß § 135 Abs. 1 Nr. 2 GWB unwirksam sei. Der Antragsgegner hält die angefochtene Entscheidung für richtig. Der beigeladene Landkreis hat sich nicht aktiv am Beschwerdeverfahren beteiligt.

B.

I.

Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich; der Ausgang des Beschwerdeverfahrens wird von der Antwort des Gerichtshofs bestimmt.

1. Vorab ist festzuhalten, dass § 135 Abs. 2 Satz 1 GWB dem Erfolg des Nachprüfungsantrages nicht entgegenstünde. Danach kann die Unwirksamkeit eines ohne vorherige Veröffentlichung einer Bekanntmachung im Amtsblatt der Europäischen Union vergebenen öffentlichen Auftrags nur festgestellt werden, wenn sie innerhalb von 30 Kalendertagen nach der Information der betroffenen Bieter und Bewerber durch den öffentlichen Auftraggeber über den Abschluss des Vertrags, jedoch nicht später als sechs Monate nach Vertragsschluss mit einem Nachprüfungsantrag geltend gemacht worden ist. Wäre die 30-Tages-Frist hier anwendbar, hätte der Nachprüfungsantrag spätestens am 30. November 2018 (einem Freitag) gestellt werden müssen; die Antragstellung am 3. Dezember 2018 wäre zu spät gewesen. Ausgehend vom Wortlaut der Norm wird in Deutschland die – vom Vergabesenat geteilte – Auffassung vertreten, die 30-Tages-Frist nach § 135 Abs. 2 Satz 1 GWB spiele bei Direktvergaben ohne Beteiligung von mindestens zwei Unternehmen – wie vorliegend – keine Rolle (Dreher/Hoffmann in: Beck`scher Vergaberechtskommentar, GWB 4.Teil § 135 Rn. 60; Vergabekammer Nordbayern; Beschluss v. 26.07.2018 – RMF-SG21-3194-3-19). Entgegen der gegenteiligen Auffassung des Antragsgegners hat die Regelung auch dann noch einen weiten Anwendungsbereich, z.B. bei einer Auftragsvergabe in einem unzulässigen Verhandlungsverfahren ohne Bekanntmachung, aber mit mehreren Wirtschaftsteilnehmern oder nach einer trotz Überschreitung des einschlägigen Schwellenwerts ohne europaweite Bekanntmachung durchgeführten Öffentlichen Ausschreibung nach nationalem Recht. Dass die Ausnahmeregelung, die die Anfechtungsfrist (und damit auch den Rechtschutz) um bis zu fünf Monate verkürzen kann, nicht über den eindeutigen Wortlaut hinaus auf eine Direktvergabe ohne nicht berücksichtigte Bewerber oder Bieter Anwendung finden kann, ergibt sich auch aus dem der nationalen Regelung zugrundeliegenden, aber nur unvollständig in nationales Recht umgesetzten Art. 2 f Abs. 1 lit. a), zweiter Spiegelstrich der Richtlinie 89/665/EWG (in der Fassung der Richtlinie 2007/66/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2007). Danach reicht es nicht aus, lediglich den Vertragsschluss mitzuteilen; die Mitteilung muss zudem auch Informationen im Sinne des Artikels 41 Abs. 2 der Richtlinie 2004/18/EG (heute ähnlich: Art. 55 Abs. 2 der Richtlinie 2014/24/EU) enthalten. Diese Informationen setzten aber die Existenz mindestens eines weiteren Wirtschaftsteilnehmers voraus, dessen Bewerbung bzw. Angebot abgelehnt wurde.

2. Der für den Zugang zum Nachprüfungsverfahren notwendige Auftragswert von mindestens 221.000 Euro wäre mit ca. 1 Million Euro/a weit überschritten.

3. Die Zweckvereinbarung enthält alle Elemente eines öffentlichen Auftrags: Ein öffentlicher Auftraggeber will einen wesentlichen Teil einer ihm obliegenden öffentlichen Aufgabe, der zugleich eine marktgängige Leistung beinhaltet, nicht selbst erledigen, sondern von einer von ihm personenverschiedenen und unabhängigen juristischen Person erledigen lassen, die sich zur Leistungserbringung verpflichtet und als Gegenleistung ein Entgelt erhält. Der Annahme eines Auftrags im Sinne des Vergaberechts steht nicht entgegen, dass die Vereinbarung öffentlich-rechtlicher Natur und der Ausführende seinerseits öffentlicher Auftraggeber in Sinne des § 98 Nr. 1 GWB ist. Auch ist es unerheblich, ob die Gegenleistung des Auftraggebers kostendeckend oder gar gewinnbringend ist (Gerichtshof, Urteil v. 19.12.2012 – C-159/11).

4. Dieser öffentliche Auftrag unterläge allerdings nicht dem europäischen und nationalen Vergaberecht, wenn die Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24/EU bzw. des § 108 Abs. 6 GWB vorlägen.

a) Der Bejahung der Bereichsausnahme steht nicht entgegen, dass auf der mechanisch-biologischen Abfallbehandlungsanlage (MBA) des Landkreises auch in großem Umfang Restabfälle vorbehandelt werden, die aus anderen Gebietskörperschaften stammen. Insoweit handelt es sich nicht um Tätigkeiten „auf dem offenen Markt“ im Sinne des Art. 12 Abs. 4 lit. c) der Richtlinie 2014/24/EU, weil sie im Rahmen einer aus dem Anwendungsbereich des (europäischen und nationalen) Vergaberechts herausfallenden interkommunalen Kooperation erbracht werden. Sie stehen deshalb ebenso wenig wie die sich auf ca. 500 Mg/a summierenden Kleinmengen verschiedener Anlieferer der Annahme entgegen, dass die Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 4 lit. c) der Richtlinie 2014/24/EU erfüllt sind.

b) Es kann dahin stehen, ob auch nach der Kodifizierung der Rechtsprechung des Gerichtshofes zur Nichtanwendbarkeit des europäischen Vergaberechts auf bestimmte Vereinbarungen zwischen öffentlichen Auftraggebern weiterhin – als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal – zu verlangen ist, dass durch die fragliche Vereinbarung kein privater Dritter besser gestellt wird als seine Wettbewerber (siehe dazu den Vorlagebeschluss des OLG Düsseldorf v. 28.11.2018 – Verg 25/18, beim Gerichtshof anhängig unter C-796/18). Eine solche Besserstellung wäre hier zu verneinen. Sie ergäbe sich insbesondere nicht schon aus der Möglichkeit, dass bei einem vorübergehenden Ausfall der MBA L. im Rahmen des Ausfallverbundkonzeptes kurzfristig auch eine von einem Privatunternehmen betriebene MBA einspringen könnte. Dies wäre keine in der hier fraglichen Vereinbarung angelegte Besserstellung eines Privaten, sondern Folge der unabhängig von dieser Vereinbarung für bestimmte Ausnahmesituationen gedachten Mitgliedschaft des Landkreises in einem Verein, der einen Ausfallverbund organisiert.

c) Somit fiele die Zweckvereinbarung aus dem Anwendungsbereich des europäischen und nationalen Vergaberechts heraus, wenn sie „eine Zusammenarbeit zwischen den beteiligten öffentlichen Auftraggebern begründet mit dem Ziel sicherzustellen, dass von ihnen zu erbringende öffentliche Dienstleistungen im Hinblick auf die Erreichung gemeinsamer Ziele ausgeführt werden“ (Art. 12 Abs. 4 lit. a) der Richtlinie 2014/24/EU). Was darunter genau zu verstehen ist, erschließt sich weder allein aus dem Wortlaut der Norm noch aus der bisherigen Rechtsprechung des Gerichtshofs und ist in Deutschland umstritten.

aa) Bei dieser Prüfung geht der Senat davon aus, dass die (angebliche) Übernahme von 3.000 Mg/a mineralischer Abfälle durch den Zweckverband von Anfang an nur auf dem Papier stand und ein Feigenblatt war, das die Blöße des Fehlens eines kooperativen Konzepts verbergen sollte. Gleiches gilt angesichts der Einschränkung „soweit dies möglich ist“ und der Tatsache, dass sich der Zweckverband bis heute noch nicht einmal um die für eine Zwischenlagerung notwendige Genehmigung bemüht hatte, für § 9 der Zweckvereinbarung.

bb) Damit beschränkt sich der wesentliche Inhalt der Zweckvereinbarung auf die Verpflichtung des Landkreises (= Auftragnehmer), gegen Entgelt die vom Zweckverband (= Auftraggeber) angelieferten Restabfälle entsprechend den nationalen gesetzlichen Vorgaben vorzubehandeln, um damit die Voraussetzungen für die vom Zweckverband angestrebte Deponierung zu schaffen. Dabei verfolgen die Beteiligten, wenn auch unter dem Dach des allgemeinen Interesses an einer ordnungsgemäßen Abfallentsorgung, unterschiedliche Interessen. Der Zweckverband hat eine ihm gesetzlich zugewiesene Aufgabe zu erfüllen; dafür benötigt er fremde Hilfe, weil er selbst nicht über eine MBA verfügt. Der Landkreis gewährt diese Hilfe, weil er sich von der Übernahme der Vorbehandlung gegen Kostenerstattung eine insgesamt wirtschaftlichere Auslastung seiner Anlage verspricht.

cc) Diese Feststellung muss aber nicht zwangsläufig zur Verneinung der Voraussetzungen des Art. 12 Abs. 4 lit. a) der Richtlinie 2014/24/EU führen. Nach dem Erwägungsgrund 33 sollen öffentliche Auftraggeber berechtigt sein, „ihre öffentlichen Dienstleistungen gemeinsam im Wege der Zusammenarbeit zu erbringen, ohne zur Einhaltung einer bestimmten Rechtsform verpflichtet zu sein“. Notwendig sei, dass „die Zusam¬menarbeit auf einem kooperativen Konzept“ beruhe. Dies setze „nicht voraus, dass alle teilnehmen¬den Stellen die Ausführung wesentlicher vertraglicher Pflichten übernehmen, solange sie sich verpflichtet haben, einen Beitrag zur gemeinsamen Ausführung der betref¬fenden öffentlichen Dienstleistung zu leisten“.

Zusammen mit dem interpretationsfähigen Wortlaut der Norm lassen diese eher kryptischen Erwägungen Spielräume für Auslegungen und letztlich offen, ob zwei öffentliche Auftraggeber, die beide Entsorgungsträger sind, schon allein deshalb im Sinne des Ausnahmetatbestands zusammenarbeiten, weil sie sich die Erledigung einer nur einem von ihnen obliegenden konkreten Entsorgungsaufgabe teilen;

¬der Zweckverband einen „Beitrag zur gemeinsamen Ausführung“ der öffentlichen Aufgabe Abfallentsorgung leistet, wenn er den Landkreis dafür bezahlt, dass dieser einen Teil der dem Zweckverband obliegenden Aufgabe erledigt.

In der deutschen Fachliteratur wird die Auffassung vertreten, dass allein die Leistung eines finanziellen, auf die Kostenerstattung beschränkten Beitrags ausreicht (Ziekow in: Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 3. Auflage 2018, § 108 GWB Rn. 78; Portz in: Kulartz/Kus/Portz/Prieß, GWB, 4. Auflage 2016, Rn. 243 f.). Andere Autoren widersprechen dieser Sichtweise (z.B. Brockhoff, VergabeR 2014, 625 [633]; von Engelhardt/Kaeble in: Müller-Wrede, GWB, 1. Auflage 2016, § 108, 84).

II.

Der Senat würde der sofortigen Beschwerde der Antragstellerin stattgeben, weil er der Auffassung ist, dass eine Vereinbarung, die sich auf das entgeltliche Outsourcing eines Teils einer einem der Beteiligten obliegenden Aufgabe beschränkt, ein „normaler“, nicht unter die Bereichsausnahme des § 108 Abs. 6 GWB fallender öffentlicher Auftrag ist, und zwar unabhängig davon, ob – wie hier – die Beteiligten, jeweils auf ihrem Gebiet, identische Aufgaben haben. Er würde folglich den dortigen Begriff „Zusammenarbeit“ in dem Sinne auslegen, dass für ein kooperatives Konzept mehr erforderlich ist, insbesondere ein Beitrag eines jeden Beteiligten, der mehr beinhaltet als die Erfüllung einer ihm ohnehin obliegenden Pflicht und auch über einen rein finanziellen „Beitrag“ hinausgeht. Anders ausgedrückt: Eine Zusammenarbeit setzt voraus, dass jeder Beteiligte einen Beitrag leistet, der ohne die Kooperationsabrede nicht von ihm, sondern von einem anderen Beteiligten geleistet werden müsste. Zu einer Auslegung ist der Senat aber nicht befugt, weil § 108 Abs. 6 GWB auf Art. 12 Abs. 4 der Richtlinie 2014/24/EU zurückgeht. Der Begriff „Zusammenarbeit“ müsste europarechtskonform ausgelegt werden, also in Übereinstimmung mit der Auslegung des zugrundeliegenden Art. 12 Abs. 4 lit. a) der Richtlinie 2014/24/EU. Zur Auslegung des Rechts der Union ist aber allein der Gerichtshof berufen, weshalb dessen

Vergaberecht AKTUELL kurzbelichtet

Zweckverband beauftragt Kreis mit Abfallbehandlung: Ausschreibungsfreies Instate-Geschäft?
OLG Koblenz, Beschluss vom 14.05.2019 – Verg 1/19
Ist Art. 12 Abs. 4 a der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/18/EG dahingehend auszulegen, dass eine Zusammenarbeit schon dann vorliegt, wenn ein auf seinem Gebiet für die Abfallentsorgung zuständiger öffentlicher Auftraggeber eine ihm nach nationalem Recht allein obliegende Entsorgungsaufgabe, für deren Erledigung mehrere Arbeitsgänge notwendig sind, nicht vollständig selbst erledigt, sondern einen anderen, von ihm unabhängigen öffentlichen Auftraggeber, der auf seinem Gebiet ebenfalls für die Abfallentsorgung zuständig ist, damit beauftragt, einen der notwendigen Arbeitsgänge gegen Entgelt auszuführen?

Herausforderung: Von dem vermeidbaren Verlust der Unschuld – damit vergabefrei vergabefrei bleibt

Ax Rechtsanwälte gestalten erfolgreich funktionierende vergaberechtsfreie Vertragsänderungen.

I.

1.
Hier ist eine erste Parallelwertung zur vergaberechtsfreien Beauftragung einer weil: inhousefähigen Gesellschaft eines Verwaltungsträgers und die anschließende vergaberechtlich relevante Anteilsveräußerung durch den Verwaltungsträger angezeigt. Obwohl die Anteilsveräußerung durch einen Verwaltungsträger an sich kein vergabepflichtiger Vorgang, kein öffentlicher Auftrag ist, sind die Fälle dadurch gekennzeichnet, dass sie einen Beschaffungsbezug aufweisen. Hier wird ein Gesellschaftsanteil an einer Gesellschaft, die bereits mit einer vergabepflichtigen Leistung beauftragt ist, an den privaten Unternehmer veräußert, der als operativer Mitgesellschafter ein eigenes Erfüllungsinteresse an der bestehenden Leistungsbeziehung zwischen Gebietskörperschaft und Gesellschaft besitzt. In diesem Fall kann von einer Anteilsveräußerung mit „eingekapseltem Beschaffungsverhältnis“ gesprochen werden. Von dieser Einschätzung geht auch die vergaberechtliche Beurteilung der PPP-Modelle im „Grünbuch der Kommission zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen“ vom 30. 4. 2004 (KOM [2004] 327 endg.) aus.

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Herausforderung: Öffentlich-öffentliche Kooperationen sind vergabefrei, wenn die Grundsätze der interkommunalen Zusammenarbeit greifen

 

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1.

Die Voraussetzungen für eine Nichtanwendung des Vergaberechts bei öffentlich-rechtlicher Zusammenarbeit können den maßgeblich von der Rechtsprechung des EuGH zu den unionsrechtlichen Vergabevorschriften entwickelten Grundsätzen sowie Art. 12 der Richtlinie 2014/24/EU entnommen werden. Nach der Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH, Urteil vom 09. Juni 2009, C 480/06, „Stadtreinigung Hamburg“, NZBau 2009, 527; EuGH, Urteil vom 13. Juni 2013, C-386/11, „Piepenbrock“; EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012, C-159/11, „Lecce“) resultiert die Ausschreibungsfreiheit im Falle einer horizontalen Zusammenarbeit von Gebietskörperschaften aus folgenden kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen:

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OLG Celle, Beschluss vom 03.08.2017 – 13 Verg 3/17: Gründung eines Zweckverbands und Übertragung einer Aufgabe nicht öffentlicher Auftrag, wenn eine „echte“ Kompetenzverlagerung vorliegt

Die Gründung eines Zweckverbands und die Übertragung einer Aufgabe auf diesen stellt keinen öffentlichen Auftrag i.S.v. Art. 1 Abs. 2 a der RL 2004/18/EG und i.S.v. § 99 Abs. 1 GWB a. F. dar, wenn eine „echte“ Kompetenzverlagerung vorliegt, d. h. dem Zweckverband die mit der verlagerten Kompetenz verbunden Zuständigkeiten übertragen worden sind, er eine eigene Entscheidungsbefugnis innehat und über eine finanzielle Unabhängigkeit verfügt.

Gründe
I.
Die Antragstellerin ist ein Unternehmen, das Entsorgungsdienstleistungen erbringt. Sie hat ein Interesse daran, einen Teil der dem beigeladenen Zweckverband obliegenden Entsorgungsdienstleistungen, nämlich den Transport von PPK-Abfällen, selbst zu erbringen. Die Antragsgegnerin war vor der Gründung des beigeladenen Zweckverbandes nach § 8 Abs. 8 des Gesetzes über die Region H. vom 5. Juni 2001 öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger im Sinne des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes im Gebiet des ehemaligen Landkreises H. Durch Gebietsänderungsvertrag zwischen der Region und der Stadt H. über die Abfallwirtschaft vom 29. November 2002 (ABl. für den Regierungsbezirk H. 2002, 770 ff.) übertrug die Stadt ihre Aufgaben als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger auf die Region. Die Antragsgegnerin und die Stadt H. einigten sich über die Gründung des beigeladenen Zweckverbandes und beschlossen zu diesem Zweck gemeinsam am 19. Dezember 2002 die Verbandsordnung des Zweckverbandes Abfallwirtschaft Region H. (Amtsblatt für den Regierungsbezirk H. 2002, 766 ff., zuletzt geändert durch Beschluss vom 29. Februar 2016, in der aktuellen Fassung abrufbar unter https://www.xxx.de/fileadmin/Download/Recht_Ordnung/Verbandsordnung_2016.pdf).
Die Verbandsordnung enthält – in ihrer aktuellen Fassung, soweit hier maßgeblich – insbesondere folgende Bestimmungen:
§ 1 (…)
(1) Die Region H. und die Landeshauptstadt H. bilden einen Zweckverband. (…)
§ 2 (…)
(3) Der Zweckverband ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (…).
§ 4 (…)
(1) Der Zweckverband tritt an die Stelle der Region H. als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger gemäß § 15 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz und § 8 Abs. 8 Regionsgesetz und erhebt Gebühren. Ferner nimmt der Zweckverband die Auf-gabe der Vollstreckung für die Region H. im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Niedersächsischen Gesetzes über die kommunale Zusammenarbeit wahr.
(2) Der Zweckverband nimmt für die Landeshauptstadt H. in deren Gebiet die Stadtreinigung i.S. des § 52 des Niedersächsischen Straßengesetzes wahr und erhebt Gebühren. Er nimmt für die Landeshauptstadt H. auch die Aufgaben der Reinigung und des Winterdienstes vor städtischen Grundstücken wahr, soweit die Landeshauptstadt H. als Eigentümerin der Grundstücke hierzu nach § 4 Abs. 1 der Satzung über die Straßenreinigung in der Landeshauptstadt H. verpflichtet ist. Der Zweckverband übernimmt ferner für die Landeshauptstadt H. die Beschaffung, die Überwachung, die Instandsetzung, die Aussonderung und den Verkauf der städtischen Kraftfahrzeuge. (…)
(4) Der Zweckverband entsorgt auch Abfälle zur Verwertung. Er kann Verträge mit Dualen Systemen zur Sammlung von Verkaufsverpackungen eingehen und diese Aufgaben auch der Abfallentsorgungsgesellschaft Region H. mbH übertragen.
(5) Der Zweckverband kann sich zur Erfüllung seiner Aufgaben Dritter bedienen und sich an Unternehmen und Einrichtungen beteiligen, die der Erfüllung der Auf-gaben des Zweckverbandes dienen.
(6) Der Zweckverband erlässt über die Benutzung seiner öffentlichen Einrichtungen und über die Erhebung von Gebühren, Beiträgen und Kostenerstattungen Satzungen und Verordnungen.
(7) Die Aufgaben des Zweckverbandes werden wie folgt unterschieden: A-Aufgaben sind gemeinsame Aufgaben der beiden Verbandsmitglieder, die sowohl die Abfallentsorgung als auch die Straßenreinigung betreffen (…). B-Aufgaben sind Aufgaben, die nur die Abfallentsorgung betreffen und in die ausschließliche Zuständigkeit der Region H. fallen. C-Aufgaben sind Aufgaben der Straßen- und Gehwegreinigung sowie des Winterdienstes und der Kraftfahrzeugbewirtschaftung nach § 4 Abs. 2. § 5 (…) Die Region H. und die Landeshauptstadt H. bringen in den Verband ihre jeweiligen bisher zur Aufgabenerfüllung der Abfallentsorgung, der Straßenreinigung und des Winterdienstes dienenden Einrichtungen (…) sowie 94,9 % der Anteile an der Abfallentsorgungsgesellschaft Region H. mbH (…) unentgeltlich ein. § 7 (…)

(1) Die Verbandsversammlung besteht aus der Hauptverwaltungsbeamtin bzw. dem Hauptverwaltungsbeamten der Region H. und der Landeshauptstadt H. (…).
(2) Bei der Abstimmung über B-Aufgaben ist nur der Vertreter/die Vertreterin des Verbandsmitgliedes Region H. stimmberechtigt. Bei der Abstimmung über
C-Aufgaben ist nur der Vertreter/die Vertreterin des Verbandsmitgliedes Landeshauptstadt H. stimmberechtigt. Bei der Abstimmung über A-Aufgaben sind die Vertreter/Vertreterinnen beider Verbandsmitglieder stimmberechtigt.
(3) Die Vertreter/die Vertreterinnen sind an Weisungen des jeweils entsenden Verbandsmitgliedes gebunden. § 8 (…) Die Verbandversammlung beschließt über
1. Änderungen der Verbandsordnung, (…),
3. die Wahl ihrer oder ihres Vorsitzenden,
4. die Wahl der Verbandsgeschäftsführerin oder des Verbandsgeschäftsführers und die Regelung der Stellvertretung, (…).
6. Angelegenheiten, über die nach den Vorschriften des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes die Vertretung oder der Hauptausschuss beschließt und solche, die nicht gemäß § 11 der Verbandsgeschäftsführerin oder dem Verbandsgeschäftsführer obliegen. § 16 (…)
(1) Der Zweckverband arbeitet auf Dauer mindestens kostendeckend.
(2) Die Verbandsmitglieder werden zu jährlich festzusetzenden Umlagen herangezogen, soweit die sonstigen Einnahmen des Zweckverbandes zur Bestreitung der Verbandsaufgaben (…) nicht ausreichen (…). Die Antragstellerin geht davon aus, dass der beigeladene Zweckverband heute jedenfalls mehr als 10 % – wohl auch mehr als 20 % – seiner Umsätze mit Tätigkeiten erziele, die er nicht für die Region H. oder die Landeshauptstadt H. als öffentliche Auftraggeber erbringe. Durch diese Ausweitung des Geschäftsbetriebs seien unter Berücksichtigung der Grundsätze einer In-House-Vergabe die Voraussetzungen für eine ausschreibungsfreie Vergabe entfallen. Die Gründung des Zweckverbandes und der damit verbundene Aufgabenübergang auf diesen seien daher zwischenzeitlich als unzulässige de-facto-Vergabe zu werten. Aufgrund ihrer Unwirksamkeit sei die Antragsgegnerin wieder zuständiger öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger und damit, sofern sie entsprechen-de Dienstleistungen nicht selbst erbringen wolle, verpflichtet, die ihr obliegenden Entsorgungsdienstleistungen im Rahmen eines europaweiten Vergabeverfahrens auszuschreiben. Die Antragstellerin habe Interesse, sich an einem solchen Vergabeverfahren zu beteiligen, soweit die Einsammlung und der Transport von PPK-Abfällen betroffen seien. Die Antragstellerin hat deshalb – wie bereits im Jahre 2012 im Verfahren 13 Verg 4/12 – einen Nachprüfungsantrag eingereicht. Die Vergabekammer hat diesen Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Der Antrag sei unzulässig, weil nicht ersichtlich sei, dass die Drittumsätze des beigeladenen Zweckverbandes bereits die Schwelle überschritten, ab derer er nicht mehr im Wesentlichen für den öffentlichen Auftraggeber tätig wäre. Es liege daher keine anfechtbare de-facto-Vergabe gemäß § 101 b Abs. 1 Nr. 2 GWB a.F. vor. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie macht weiter geltend, die Gründung eines Zweckverbandes und die Aufgabenübertragung auf diesen stelle einen öffentlichen Auftrag i.S. des Art. 1 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie 2004/18/EG sowie i.S. des § 99 Abs. 1 GWB a.F. dar, soweit die Anwendbarkeit des Vergaberechts nicht nach den Grundsätzen der In-House-Vergabe ausgeschlossen sei. Die nach diesen Grundsätzen maßgebliche Schwelle für Drittumsätze werde im Geschäftsjahr 2013 überschritten. Damit entfielen nachträglich die Voraussetzungen einer vergaberechtsfreien Aufgabenübertragung, was zur Folge habe, dass der ursprüngliche Beschaffungsvorgang neu auszuschreiben sei.

Die Antragstellerin beantragt,
1. den Beschluss der Vergabekammer Niedersachsen vom 29. Januar 2013 (VgK-56/2012) aufzuheben;
2. die Unwirksamkeit der Übertragung der Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers von der Antragsgegnerin auf den Zweckverband der Abfallwirtschaft H. („xxx“), die ursprünglich durch auf Verwaltungsvereinbarung zwischen der Antragsgegnerin und der Stadt H. beruhendem Satzungsbeschluss vom 1. Januar 2003 erfolgte und nunmehr offensichtlich in wesentlichem Maße auf eine gewerbliche Tätigkeit ausgerichtet und damit als neu zu vergeben anzusehen ist, gemäß § 101 b Abs. 1 Nr. 2 GWB festzustellen und die Antragsgegnerin zu verpflichten, die auf ihrem Gebiet entsprechend ihren gesetzlichen Aufgaben anfallenden Entsorgungsdienstleistungen bei fortbestehendem Beschaffungsbedarf im Rahmen eines transparenten Vergabeverfahrens neu zu vergeben;
3. die Gebühren der Vergabekammer auf maximal 7.181,25 Euro neu festzusetzen,
4. der Antragsgegnerin die Kosten sowohl des erstinstanzlichen Nachprüfungsverfahrens als auch der sofortigen Beschwerde gemäß §§ 128 Abs. 4 GWB, 80 VwVfg einschließlich der Kosten der Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufzuerlegen;
5. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten seitens der Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war.

Die Antragsgegnerin und der Beigeladene beantragen,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Sie sind der Auffassung, die Gründung des Zweckverbandes und die Aufgabenübertragung auf diesen unterfalle nicht dem Vergaberecht. Beides beruhe auf einem Satzungsbeschluss und nicht auf einem Vertrag oder einer Verwaltungsvereinbarung. Es handele sich auch nicht um einen Beschaffungsvorgang. Jedenfalls nach Art. 1 Nr. 6 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe sei die Gründung eines Zweckverbandes und der damit verbundene gesetzliche Aufgabenübergang von der Anwendung des Vergaberechts ausgenommen. Zudem unterfalle die Beauftragung eines von dem Auftraggeber kontrollierten externen Unternehmens als sog. In-House-Geschäft nach Art. 12 Nr. 1 b) der vorgenannten novellierten Vergaberichtlinie nicht dem Vergaberecht, wenn mehr als 80 % der Tätigkeit des kontrollierten Unternehmens der Ausführung der Aufgaben des öffentlichen Auftraggebers diene. Der Senat hat die Sache mit Beschluss vom 17. Dezember 2014 dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung über folgende Fragen vorgelegt:Stellt eine Vereinbarung zwischen zwei Gebietskörperschaften, auf deren Grundlage die Gebietskörperschaften durch Satzungen einen gemeinsamen Zweckverband mit eigener Rechtspersönlichkeit gründen, der fortan bestimmte Aufgaben, die bislang den beteiligten Gebietskörperschaften oblegen haben, in eigener Zuständigkeit wahrnimmt, einen „öffentlichen Auftrag“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/18 dar, wenn dieser Aufgabenübergang Dienstleistungen im Sinne dieser Richtlinie betrifft und entgeltlich erfolgt, der Zweckverband über die Wahrnehmung zuvor den beteiligten Körperschaften oblegener Aufgaben hinausgehende Tätigkeiten entfaltet und der Aufgabenübergang nicht zu „den zwei Arten von Aufträgen“ gehört, die, obwohl sie von öffentlichen Einrichtungen vergeben werden, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (zuletzt Urteil vom 13. Juni 2013, P., C-386/11, EU:C:2013:385, Rn. 33 ff.) nicht in den Anwendungsbereich des Vergaberechts der Union fallen? Soweit Frage 1 bejaht wird: Richtet sich die Frage, ob die Bildung eines Zweckverbandes und der damit verbundene Aufgabenübergang auf diesen ausnahmsweise nicht in den Anwendungsbereich des Vergaberechts der Union fällt, nach den Grundsätzen, die der Gerichtshof betreffend Verträge zwischen einer öffentlichen Einrichtung und einer rechtlich von dieser verschiedenen Person entwickelt hat, nach denen eine Anwendung des Vergaberechts der Union ausscheidet, wenn die Einrichtung über die betreffende Person eine ähnliche Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen und die genannte Person zugleich im Wesentlichen für die Einrichtung oder die Einrichtungen tätig ist, die ihre Anteile innehat bzw. innehaben (vgl. in diesem Sinne u.a. EuGH, Urteil vom 18. November 1999, C-107/98 – Teckal, Slg. 1999, I-8121, Tz. 50), oder finden demgegenüber die Grundsätze Anwendung, die der Gerichtshof betreffend Verträge entwickelt hat, mit denen eine Zusammenarbeit von öffentlichen Einrichtungen bei der Wahrnehmung einer ihnen allen obliegenden Gemeinwohlaufgabe vereinbart wird (dazu: EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012, C-159/11, ABl. EU 2013, Nr. C 46, 4)? Der EuGH hat die erste Frage des Senats im Urteil vom 21. Dezember 2016 (C-51/15) wie folgt beantwortet: Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/18EG ist dahin auszulegen, dass es sich bei einer Vereinbarung zwischen zwei Gebietskörperschaften, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht und auf deren Grundlage diese eine Satzung über die Gründung eines Zweckverbands – einer juristischen Person des öffentlichen Rechts – erlassen und dieser neuen öffentlichen Einrichtung Befugnisse zuweisen, die bisher diesen Körperschaften oblagen und fortan zu eigenen Aufgaben dieses Zweckverbands werden, nicht um einen öffentlichen Auftrag handelt. Eine solche die Erfüllung öffentlicher Aufgaben betreffende Kompetenzübertragung liegt jedoch nur vor, wenn die Übertragung sowohl die mit der übertragenen Kompetenz verbundenen Zuständigkeiten als auch die damit einhergehenden Befugnisse betrifft, so dass die neuerdings zuständige öffentliche Stelle über eine eigene Entscheidungsbefugnis und eine finanzielle Unabhängigkeit verfügt. Das vorlegende Gericht wird zu prüfen haben, ob dies der Fall ist. Zu der zweiten Frage des Senats hat der EuGH ausgeführt: Angesichts der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Frage nicht zu beantworten. Die Antragstellerin meint, die vom EuGH aufgestellten Voraussetzungen einer Vergaberechtsfreiheit seien nicht erfüllt. Vielmehr sei der Beigeladene qua Organisationsstruktur von der Antragsgegnerin abhängig, und zwar sowohl hinsichtlich der Organisation seiner Aufgaben als auch hinsichtlich seiner Finanzierung. Insbesondere führe die weitgehende Zuständigkeit der Verbandsversammlung nach § 8 Nr. 6 der Verbandsordnung dazu, dass die Antragsgegnerin Einfluss auf strategische Zielsetzungen und bedeutende Entscheidungen des Zweckverbands nehme und diese sogar letztlich festlege. Die formale Befugnis des Beigeladenen zum Erlass von Gebührensatzungen und zum Einzug der Gebühren nach § 4 Abs. 6 der Verbandsordnung sei nicht ausreichend, um von einer finanziellen Autonomie des Beigeladenen auszugehen. Denn auch die Entscheidungen über die Finanzierung – insbesondere der Erlass einer Abfallgebührensatzung – oblägen der Verbandsversammlung, mithin der Stimme der Antragsgegnerin. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Antragstellerin wird auf die Schriftsätze vom 10. März 2017 (Bl. 732 ff. d. A.), vom 28. Juni 2017 (Bl. 852 ff. d.A.) sowie vom 6. Juli 2017 (Bl. 883 ff. d. A.) Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, dass der EuGH eine Entgeltlichkeit der Aufgabenübertragung im vorliegenden Fall von vornherein verneint habe. Jedenfalls seien die vom Gerichtshof vorgegebenen Kriterien für eine die Erfüllung öffentlicher Aufgaben betreffende „echte“ Kompetenzübertragung, die nicht als öffentlicher Auftrag i.S.d. Richtlinie anzusehen ist, erfüllt. Die Antragsgegnerin habe sich ihrer Aufgaben als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger vollständig entledigt und es obliege allein dem Beigeladenen, die Erledigung dieser Aufgaben zu organisieren und sich ggf. zusätzlicher Aufgaben anzunehmen. Die finanzielle Autonomie des Beigeladenen sei gegeben, weil er seine Aufgaben auf der Grundlage einer eigenen Haushaltssatzung erledige. Die Antragsgegnerin habe sich weder die finanzielle Kontrolle vorbehalten noch die Befugnis, die delegierend übertragenen Aufgaben zu kontrollieren. Gewisse Abhängigkeiten zu den Verbandsmitgliedern ergäben sich aus der inhaltlichen Beteiligung an Grundfragen kommunaler Abfallpolitik. Dabei handele es sich aber keinesfalls um eine Einmischung in konkrete Modalitäten der Aufgabenerledigung.
Der Beigeladene vertritt wie die Antragsgegnerin die Auffassung, dass eine Entgeltlichkeit zu verneinen sei und bei Anwendung der Kriterien des EuGH ein interner Organisationsakt vorliege, weshalb das Vergaberecht keine Anwendung finde. Der Beigeladene nehme eine selbständige und eigenverantwortliche Aufgabenorganisation und -finanzierung vor. Insoweit verkenne die Antragstellerin die Stellung der Verbandsversammlung als Organ des Beigeladenen, die dazu führe, dass alle in der Versammlung getroffenen Entscheidungen solche des Beigeladenen selbst seien. Einer Zustimmung der Regionsversammlung für diese Entscheidungen bedürfe es nicht. Der Umstand, dass die Regionsversammlung über die Vertreter der Region in der Verbandsversammlung Einfluss auf die Entscheidungsprozesse ausübe, ändere nichts an der Autonomie des Beigeladenen. Dieser Umstand sei Ausfluss des Demokratieprinzips und deshalb zwingend erforderlich. Die Argumentation der Antragstellerin hätte deshalb nach Auffassung des Beigeladenen zur Folge, dass Zweckverbände niemals Empfänger einer Kompetenzübertragung sein könnten, was dem Urteil des EuGH widerspräche. Insgesamt ist der Beigeladene der Auffassung, dass der EuGH vor dem konkreten Hintergrund der satzungsmäßigen Bestimmungen bereits entschieden bzw. seine Position deutlich gemacht habe, dass eine nicht unter das Vergabe-recht fallende Kompetenzübertragung vorliege. Dies ergebe sich nicht zuletzt aus dem Umstand, dass der EuGH die zweite Vorlagefrage des Senats nicht mehr beantwortet habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten sowie die Akte der Vergabekammer und die beigezogene Akte 13 Verg 4/12 verwiesen.

II.
Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, soweit die Antragstellerin mit dem Hauptantrag die Aufhebung des Beschlusses der Vergabekammer und die Feststellung der Unwirksamkeit der Übertragung der Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers auf den Beigeladenen sowie die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Neuvergabe der Entsorgungsdienstleistungen begehrt. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist bereits unzulässig. Die Übertragung der Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers auf den beigeladenen Zweckverband stellt keinen öffentlichen Auftrag i.S.v. Art. 1 Abs. 2 lit. a der RL 2004/18/EG (Vergabe-Koordinierungsrichtlinie) und i.S.v. § 99 Abs. 1 GWB a.F. dar und unterliegt daher nicht dem Vergaberecht. Zwar scheitert das Vorliegen eines öffentlichen Auftrags nicht bereits daran, dass nach der Entscheidung des EuGH von vornherein kein entgeltlicher Vertrag vorliegt (dazu im Folgenden unter 1.). Die dem Senat vom EuGH aufgegebene Prüfung im Einzelfall führt jedoch zu dem Ergebnis, dass die streitgegenständliche Aufgabenübertragung eine „echte“ Kompetenzübertragung darstellt, die nicht alle Voraussetzungen eines öffentlichen Auftrags erfüllt (dazu im Folgenden unter 2.).
1. Die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags scheitert entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin und des Beigeladenen nicht bereits daran, dass der EuGH das Vorliegen eines entgeltlichen Vertrages unabhängig von den weiteren Voraussetzungen einer „echten“ Kompetenzübertragung verneint hat. Die von der Antragsgegnerin und dem Beigeladenen insoweit herangezogenen Ausführungen des Gerichtshofs in Rn. 42 bis 46 des Urteils sind nicht isoliert zu betrachten, sondern beziehen sich auf die Prüfung einer unter Art. 4 Abs. 2 EUV fallenden, vergaberechtsfreien Kompetenzverlagerung. D.h. es fehlt nur dann an der Entgeltlichkeit, wenn eine solche „echte“ Kompetenzverlagerung vorliegt. Dies ergibt sich aus der Einleitung des EuGH in Rn. 42 f.: Zweitens ist festzustellen, dass eine solche Kompetenzverlagerung oder -übertragung nicht alle Voraussetzungen erfüllt, die gemäß der Definition des Begriffs „öffentlicher Auftrag“ erforderlich sind. Nur ein entgeltlicher Vertrag kann einen öffentlichen Bauauftrag im Sinne der Richtlinie 2004/18 darstellen (…) sowie aus der nachfolgenden Argumentation in Rn. 44 ff., die sich gerade auf den Fall einer von Art. 4 Abs. 2 EUV geschützten internen – und damit vergabe-rechtsfreien – Organisationsmaßnahme bezieht. Eine Aussage, dass die streitgegenständliche Aufgabenübertragung auch dann als unentgeltlich anzusehen sei, wenn die Voraussetzungen für eine „echte“ Kompetenzübertragung nicht erfüllt wären, lässt sich dem Urteil des EuGH nicht entnehmen. Insoweit gilt vielmehr das im Vorlagebeschluss des Senats vom 17. Dezember 2014 unter B.I.2.b) auf S. 12 unten / S. 13 oben Gesagte: Eine Entgeltlichkeit ist bei Vorliegen eines öffentlichen Auftrags bereits dann gegeben, wenn die vorgesehene Vergütung auf den Ersatz der Kosten beschränkt ist, die durch die Erbringung der vereinbarten Dienstleistung entstehen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 – C-159/11 – „Lecce). In diesem Sinne ist das hiesige Urteil des EuGH auch in der Literatur verstanden worden (vgl. Wachinger/Scholz, NVwZ 2017, 376, 377; Peshteryanu, jurisPR-VergR 1/2017 Anm. 1; Frenz, Vergaberechtsfreie Kompetenzverlagerungen nach dem EuGH-Urteil Remondis, GewArch 2017, 97). Ein anderes Verständnis im Sinne der Auffassung der Antragsgegnerin und des Beigeladenen ergäbe auch deshalb keinen Sinn, weil es dazu führen würde, dass die vom EuGH geforderte Prüfung der Voraussetzungen für eine „echte“ Kompetenzübertragung überflüssig wäre. 2. Die nach alledem vom Senat vorzunehmende Prüfung im Einzelfall führt zu dem Ergebnis, dass eine „echte“ Kompetenzverlagerung vorliegt, so dass es an einem entgeltlichen Vertrag und damit an einem öffentlichen Auftrag fehlt. Die vom EuGH insoweit angeführten drei Voraussetzungen für eine „echte“ Kompetenzübertragung sind gegeben:
• Dem Beigeladenen sind die mit der verlagerten Kompetenz verbundenen Zuständigkeiten übertragen worden (dazu nachfolgend a).
• Der Beigeladene hat eine eigene Entscheidungsbefugnis inne (dazu nachfolgend b).
• Der Beigeladene verfügt über eine finanzielle Unabhängigkeit (dazu nachfolgend c).
a) Unstreitig liegt ein Übergang der mit der übertragenen Kompetenz verbundenen Zuständigkeiten von der Antragsgegnerin auf den Beigeladenen vor. So regelt insbesondere § 4 Abs. 1 der Verbandsordnung, dass der Zweckverband an die Stelle der Region H. als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger tritt und Gebühren erhebt sowie die Aufgabe der Vollstreckung für die Antragsgegnerin im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NKomZG wahrnimmt. Damit hat die Antragsgegnerin ihre Zuständigkeiten im Bereich der Abfallentsorgung auf den Beigeladenen übertragen.
b) Die zweite Voraussetzung einer eigenen Entscheidungsbefugnis des Beigeladenen – die nach dem EuGH Bedingung für eine Übertragung auch der mit den Zuständigkeiten einhergehenden Befugnisse ist – ist im Ergebnis ebenfalls zu bejahen. Diese zweite Voraussetzung konkretisiert der EuGH in Rn. 49 des Urteils unter Bezugnahme auf Rn. 53 der Schlussanträge des Generalanwalts dahingehend, dass eine Kompetenzübertragung nicht nur die mit der übertragenen Kompetenz verbundenen Zuständigkeiten umfassen müsse, sondern auch die damit einher-gehenden Befugnisse. Hierfür sei es erforderlich, dass die öffentliche Stelle, der eine Kompetenz übertragen wird, befugt ist, die Erfüllung der sich aus dieser Kompetenz ergebenden Aufgaben zu organisieren und den diese Aufgaben betreffenden rechtlichen Rahmen zu schaffen. Also könne – so der EuGH weiter in Rn. 51 f. – keine Kompetenzübertragung vorliegen, wenn die neuerdings zuständige öffentliche Stelle von der betreffenden Befugnis nicht selbständig und ei-genverantwortlich Gebrauch mache. Zwar folgt die insoweit notwendige Autonomie des Zweckverbandes nicht bereits aus der Stellung der Verbandsversammlung als eigenes Organ des Beigeladenen (dazu nachfolgend aa). Der Senat geht jedoch trotz der insoweit bestehenden mittelbaren Einwirkungsmöglichkeiten der Antragsgegnerin davon aus, dass sich dieser Einfluss noch in dem vom EuGH als zulässig erachteten Rahmen hält (dazu nachfolgend bb).

aa) Die Antragsgegnerin und der Beigeladene weisen im Ausgangspunkt zu Recht darauf hin, dass es sich bei der Verbandsversammlung um ein Organ des Beigeladenen handelt, so dass Entscheidungen der Verbandsversammlung stets eigene Entscheidungen des Beigeladenen sind. Auch gibt es kein Erfordernis einer Zustimmung der Antragsgegnerin zu Entscheidungen des Beigeladenen, das nach Rn. 49 des EuGH-Urteils die Unabhängigkeit ausschließen würde. Schließlich hat die Antragsgegnerin auch weder die Fachaufsicht über den Bei-geladenen inne noch führt sie die Rechnungsprüfung durch (vgl. § 15 Abs. 2 und 3 der Verbandsordnung sowie die Ausführungen des Beigeladenen auf S. 3 unten des Schriftsatzes vom 30. März 2017, Bl. 771 d. A.). Die formale Argumentation, dass die Entscheidungen der Verbandsversammlung Entscheidungen des Beigeladenen sind, die nicht der Zustimmung der Antragsgegnerin bedürfen und nicht ihrer Fachaufsicht unterliegen, entbindet den Senat aber nicht von der Prüfung, ob das alleinige Stimmrecht des Vertreters der Antragsgegnerin in der Verbandsversammlung bei den Entscheidungen über die sogenannten B-Aufgaben eine – mittelbare – Abhängigkeit des Beigeladenen von der Antragsgegnerin begründet, die einer eigenen Entscheidungsbefugnis i. S. d. vom EuGH aufgestellten Kriterien entgegensteht. Dies ergibt sich auch aus den Ausführungen des EuGH unter Rn. 52 des Urteils, wonach (…) ein solcher Einfluss über ein Organ, etwa eine aus Vertretern der zuvor zuständigen Gebietskörperschaften bestehende Verbandsversammlung, ausgeübt werden (…) kann. Hieraus folgt, dass der Senat der Prüfung der eigenen Entscheidungsbefugnis nicht schon deshalb enthoben ist, weil es sich bei der Verbandsversammlung um ein eigenes Organ des Beigeladenen handelt.
bb) Die vom Senat durchzuführende Prüfung der Einwirkungsmöglichkeiten der Antragsgegnerin auf den Beigeladenen hat anhand der aktuellen Verbandssatzung des Beigeladenen zu erfolgen – dazu nachfolgend (1) -, die auch dem EuGH bei seiner Entscheidung vorlag. Auf der Grundlage der aus dieser Entscheidung folgenden Vorgaben stellen die konkrete Ausgestaltung der Verbandsordnung und insbesondere die Beteiligungsrechte der Antragsgegnerin gemäß §§ 7 und 8 einen noch zulässigen „Einfluss über ein Organ“, nämlich das Organ der Verbandsversammlung, dar – dazu nachfolgend (2) -.
(1) Der Senat stellt – wie auch der EuGH – bei der Prüfung der eigenen Entscheidungsbefugnis des Beigeladenen auf die aktuelle Fassung der Verbandsordnung ab, weil es für die von der Antragstellerin geltend gemachte Ausschreibungspflicht auf die derzeitige Rechtslage ankommt. Danach ist die Verbandsversammlung gemäß § 8 Nr. 6 der Verbandsordnung insbesondere zuständig für Angelegenheiten, über die nach den Vorschriften des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes die Vertretung oder der Hauptausschuss beschließt und solche, die nicht gemäß § 11 der Verbandsgeschäftsführerin oder dem Verbandsgeschäftsführer obliegen. Diese Regelung begründet i. V. m. § 58 NKomVG eine weitreichende Zuständigkeit der Verbandsversammlung u. a. für die grundlegenden Ziele der Entwicklung, Richtlinien, nach denen die Verwaltung geführt werden soll, Satzungen und Verordnungen, die Erhebung öffentlicher Abgaben und Umlagen, die Festlegung allgemeiner privatrechtlicher Entgelte, die Haushaltssatzung, den Wirtschaftsplan sowie den Jahresabschluss. Die Neufassung der Verbandsordnung nach Erlass des Vorlagebeschlusses vom 17. Dezember 2014 hat insoweit – außer der Angleichung der Verweisung auf das NKomVG anstelle der NGO – keine Änderungen ergeben. Inhaltliche Grundlage der vom Senat durchzuführenden Prüfung ist daher derselbe Sach-verhalt, der auch dem EuGH zum Zeitpunkt des Urteils vom 21. Dezember 2016 bekannt war. Neue Umstände oder Unterlagen, die über den Regelungsgehalt der Verbandsordnung hinaus bei der Prüfung der vom EuGH aufgestellten Kriterien Berücksichtigung finden könnten, haben die Parteien nicht vorgetragen bzw. vorgelegt.
(2) In Kenntnis der vorgelegten Verbandsordnung des Beigeladenen und insbesondere der Regelung in deren § 8 Nr. 6, hat der EuGH in Rn. 52 des Urteils vom 21. Dezember 2016 zu der eigenen Entscheidungsbefugnis weiter ausgeführt: Wie der Generalanwalt in Nr. 56 seiner Schlussanträge festgestellt hat, bedeutet eine solche Handlungsfreiheit nicht, dass die neuerdings zuständige Einrichtung jeglicher Einflussnahme durch eine andere öffentliche Einrichtung entzogen sein müsste. Eine Einrichtung, die eine Kompetenz überträgt, kann ein gewisses Überwachungsrecht für die mit dieser öffentlich-rechtlichen Dienstleistung verbundenen Aufgaben behalten. Ein solcher Einfluss schließt jedoch grundsätzlich jede Einmischung in konkrete Modalitäten der Durchführung der Aufgaben, die unter die übertragene Kompetenz fallen, aus. In einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens kann ein solcher Einfluss über ein Organ, etwa eine aus Vertretern der zuvor zuständigen Gebietskörperschaften bestehende Verbandsversammlung, ausgeübt werden. In der Nr. 56 der Schlussanträge des Generalanwalts heißt es insoweit: Jedoch verlangt dieses Erfordernis im Fall einer Kompetenzübertragung betreffend die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe nicht notwendigerweise, dass eine Gebietskörperschaft, die solche Befugnisse auf eine neue Einrichtung überträgt, keine Beziehung zu dieser haben darf. Aufgrund der politischen Verantwortung, die die Gebietskörperschaft gegenüber ihren Bürgern im Hinblick auf die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe auf ihrem Gebiet hat, erscheint es mir zulässig, dass sie einen gewissen Einfluss auf die neue Einheit behält, den man als Kontrolle „politischer Art“ qualifizieren könnte. Damit es sich um eine echte Kompetenzübertragung handelt, dürfen dem übertragenden Hoheitsträger jedoch keine Befugnisse im Zusammenhang mit der konkreten Ausführung der öffentlichen Aufgabe verbleiben. Bezogen auf den konkreten Fall hat der Generalanwalt in Nr. 68 seiner Schlussanträge weiter ausgeführt: Drittens ist auf der Grundlage der sich aus den Akten ergebenden Informationen prima facie davon auszugehen, dass der Zweckverband nicht nur über Finanzautonomie verfügt, sondern auch bei der Ausführung der ihm übertragenen öffentlichen Aufgaben und insbesondere bei seiner Tätigkeit im Bereich der Abfallentsorgung vollständig autonom ist. Zwar ist insoweit in Übereinstimmung mit den Vorbringen von Remondis und der Kommission festzustellen, dass die Region H. nach § 7 der Verbandsordnung des Zweckverbands in der Versammlung vertreten wird und allein die Vertreter dieser Region bei einer Abstimmung über Aufgaben, die ausschließlich die Tätigkeit der Abfallentsorgung betreffen, stimmberechtigt sind. Jedoch folgt offenkundig aus § 8 dieser Verbandsordnung, dass die Befugnisse der Versammlung nicht die konkrete Ausführung der öffentlichen Aufgaben betreffen, sondern auf institutionelle oder die Befolgung des Gesetzes betreffende Fragen beschränkt sind. Ein derartiger Einfluss scheint aber mehr der in Nr. 56 der vorliegenden Schlussanträge erwähnten Kontrolle „politischer Art“ nahezukommen als einer Einflussnahme auf strategische Zielsetzungen oder auf bedeutende Entscheidungen des Zweckverbands im Zusammen-hang mit der Ausführung von in seinen Zuständigkeitsbereich fallenden öffentlichen Aufgaben. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob dies der Fall ist und ob der Zweckverband tatsächlich über eine voll-ständige Autonomie bei der Ausführung der in Rede stehenden öffentlichen Aufgaben verfügt und dabei nicht von der Genehmigung durch die Region H. abhängt.

(a) Die vorstehenden Äußerungen des Generalanwalts und des EuGH sprechen nach Auffassung des Senats dafür, dass die konkrete Ausgestaltung der Verbandsordnung einer Erfüllung der Aufgaben des Beigeladenen mit der notwendigen eigenen Entscheidungsbefugnis nicht entgegensteht. So hat der Generalanwalt in Kenntnis der Regelung in § 8 Verbandsordnung ausgeführt, es scheine sich nur um eine Kontrolle „politischer Art“ zu handeln, die die Grenze zu einer unzulässigen Einflussnahme nicht überschreite. Auch der EuGH hat unter Bezugnahme auf die Schlussanträge des Generalanwalts von einer Zulässigkeit „gewisser Überwachungsrechte“ gesprochen, die noch keine „Einmischung in konkrete Modalitäten der Durchführung der Aufgaben, die unter die übertragene Kompetenz fallen“, darstellt. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall – wie auch der EuGH in Rn. 50 des Urteils betont – deutlich von der Konstellation in der Rechtssache P… (Urteil vom 13. Juni 2013, C-386/11), in der sich die übertragende Stelle vorbehalten hatte, die Erfüllung der fraglichen Aufgaben zu kontrollieren und für den Fall der Schlechterfüllung ein Sonderkündigungsrecht auszuüben. Anders als im dortigen Fall kann die Antragsgegnerin – über die vorgenannten Befugnisse ihres Vertreters in der Verbandsversammlung hinaus – dem Beigeladenen keine Weisungen hinsichtlich der konkreten Art und Weise der Durchführung der Aufgaben erteilen. Zugleich zeigen die Ausführungen des EuGH in Rn. 18 des Urteils, Nach § 7 der Verbandsordnung besteht die Verbandsversammlung des Zweckverbands RH aus den Hauptverwaltungsbeamten der Region H. und der Landeshauptstadt H., die den Weisungen des von ihnen vertretenen Verbandsmitglieds unterliegen. Diese Vertreter sind in der Versammlung in Bezug auf die Aufgaben stimmberechtigt, die von dem von ihnen vertretenen Verbandsmitglied übertragen wurden dass dem Gerichtshof der Ablauf der Abstimmungsprozesse der Verbandsversammlung und der Einfluss der Antragsgegnerin hierauf durchaus bewusst waren. Auf eben dieser – auch für den Senat maßgeblichen – Grundlage gelangt der EuGH in Rn. 38 zu dem Schluss: Schließlich zeichnet sich die neue Einrichtung durch Unabhängigkeit bei ihrer Arbeitsweise aus, muss aber die Entscheidungen einer aus Vertretern ihrer beiden Gründungskörperschaften bestehenden Verbandsversammlung beachten, die ein Organ dieser Einrichtung und u.a. für die Wahl des Verbandsgeschäftsführers zuständig ist. Diese Ausführungen im Zusammenhang mit dem vorstehend zitierten letzten Satz der Rn. 52 In einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens kann ein solcher Einfluss über ein Organ, etwa eine aus Vertretern der zuvor zuständigen Gebietskörperschaften bestehende Verbandsversammlung, ausgeübt werden, sprechen dafür, dass der Einfluss der Antragsgegnerin über die Verbandsversammlung im konkreten Fall der eigenen Entscheidungsbefugnis des Beigeladenen nicht entgegensteht. Gleiches gilt für den Umstand, dass der EuGH die zweite Vorlagefrage des Senats nicht beantwortet hat. Dementsprechend ist das Urteil des EuGH auch in der Literatur überwiegend so verstanden worden, dass der Gerichtshof „das Vorliegen eines öffentlichen Auftrags im Ergebnis verneint“ habe (vgl. Peshteryanu, jurisPR-VergR 1/2017 Anm. 1) bzw. die Gründung des Zweckverbands „unter den Umständen des Ausgangs-falls keinen öffentlichen Auftrag darstellt“ (vgl. Gniechwitz, EuZW 2017, 144) und „auf Basis der klaren Vorgaben des EuGH an der Erfüllung dieser Voraussetzungen kein Zweifel besteht“ (vgl. Portz, Städte- und Gemeinderat 2017, S. 27, 29). (b) Bei der ihm aufgegebenen eigenen Prüfung der Entscheidungsbefugnis des Beigeladenen hat der Senat auch die der Gründung des Zweckverbandes zugrunde liegenden Vorschriften als Ausfluss aus dem Demokratieprinzip berücksichtigt. Insoweit weist der Beigeladene im Ausgangspunkt zu Recht darauf hin, dass die Möglichkeit der Einflussnahme durch die Antragsgegnerin aus Gründen des Demokratieprinzips zwingend erforderlich sei, weil die Entscheidungen inner-halb von Einrichtungen öffentlicher Verwaltung – und damit auch innerhalb eines Zweckverbandes – zumindest mittelbar auf den demokratischen (Orts-)Gesetzgeber rückführbar sein müssten. Insofern entspricht die Verbandsordnung des Beigeladenen den Vorgaben des NKomZG, das auszugsweise auch im Vorlagebeschluss des Senats zitiert worden ist. Insbesondere regelt § 9 Abs. 3 NKomZG: Werden nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Aufgaben nur für einzelne Verbandsmitglieder erfüllt oder wird die Erfüllung der Aufgaben für einzelne Verbandsmitglieder begrenzt, so soll die Verbandsordnung dies bei der Ausgestaltung der Regelungen über die Willensbildung des Verbandes angemessen berücksichtigen. Ferner findet sich in § 13 Satz 1 Nr. 6 NKomZG die Regelung wieder, dass die Verbandsversammlung über Angelegenheiten, über die nach den Vorschriften des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes die Vertretung oder der Hauptausschuss beschließt, entscheidet. Allerdings gilt nach § 13 Satz 2 NKomZG Die Verbandsordnung kann die Beschlussfassung über einzelne der in Satz 1 Nr. 6 genannten Angelegenheiten einem anderen Organ zuweisen; dies gilt nicht für Rechtssetzungsbefugnisse. Zwar dürfte es nach den Vorschriften des NKomZG durchaus möglich sein, die Einflussmöglichkeit des – gemäß § 12 Abs. 2 NKomZG i. V. m. § 138 Abs. 1 Satz 2 NKomVG an die demokratisch zustande gekommenen Anweisungsbeschlüsse gebundenen – Vertreters der Antragsgegnerin teilweise zu begrenzen, etwa indem von der Möglichkeit der Zuweisung von Aufgaben an andere Organe nach § 13 Satz 2 NKomZG Gebrauch gemacht wird. Allerdings können die Rechtssetzungsbefugnisse der Verbandsversammlung (insbesondere auch für die Gebührensatzung) nach dieser Vorschrift nicht auf andere Organe übertragen werden. Ferner muss gemäß § 9 Abs. 3 NKomZG stets die angemessene Berücksichtigung des Willens der Antragsgegnerin hinsichtlich ihrer vormaligen Aufgabe der Abfallentsorgung erfolgen. Deshalb ist für den Regelfall sicherzustellen, dass ihre Stimme bei Entscheidungen über die Erfüllung dieser Aufgabe den Ausschlag gibt (vgl. die Gesetzesbegründung, LT-Drs. 15/340, S. 29 f.; Frankein: Blum/Baumgarten/Freese u.a., Kommunalverfassungsrecht Niedersachsen, Kommentar zum NKomZG, § 9 Rn. 34 und 36), wie es die Verbandsordnung des Beigeladenen in § 7 Abs. 2 vorsieht. Dann aber würde die Argumentation der Antragstellerin in der Tat dazu führen, dass die Gründung eines Zweckverbandes nach dem NKomZG wegen der dort vorgegebenen, aus dem Demokratieprinzip folgenden Einflussmöglichkeiten der übertragenden Stelle gerade keine hinreichende eigene Entscheidungsbefugnis des Verbandes begründen und damit auch keine vergaberechtsfreie Kompetenzübertragung darstellen könnte. Dies widerspricht dem Urteil des EuGH, der die innerstaatliche Neuordnung von Kompetenzen im Schutzbereich von Art. 4 Abs. 2 EUV gerade vom Vergaberecht ausnehmen will.
(c) Nach alledem sieht der Senat die konkrete Ausgestaltung der Verbandsordnung des Beigeladenen noch als zulässigen „Einfluss über ein Organ“ zur Regelung „gewisser Überwachungsrechte“ i. S. d. EuGH-Urteils an. Denn der Einfluss der Antragsgegnerin stellt keine unmittelbare „Einmischung in konkrete Modalitäten der Durchführung der Aufgaben“ dar und ist mit dem vom EuGH abgegrenzten Sachverhalt im Fall P. nicht vergleichbar. Vielmehr sichert der Einfluss der Antragsgegnerin letztlich nur das Erfordernis demokratischer Legitimation der Aufgabenerfüllung durch den Zweckverband und ist damit Ausfluss des kommunalen Selbstverwaltungsrechts gemäß § 28 Abs. 2 GG und der mitgliedstaatlichen Organisationsfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 2 EUV, deren Schutz der EuGH mit der Ausnahme der „echten“ Kompetenzübertragung vom Vergabe-recht gerade sicherstellen will. Eine Gefahr der Umgehung der Vergabevorschriften ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
c) Die finanzielle Unabhängigkeit des Beigeladenen ergibt sich – wie auch der EuGH und der Generalanwalt ausführen – aus dem Umstand, dass er selbst gemäß § 4 Abs. 5 der Verbandsordnung die Befugnis hat, Gebühren zu erheben. Ferner werden die Verbandsmitglieder nach § 16 der Verbandsordnung zu jährlich festzusetzenden Umlagen herangezogen, soweit die sonstigen Einnahmen des Zweckverbandes zur Bestreitung der Verbandsausgaben (einschließlich der vorgeschriebenen Rücklagen) nicht ausreichen. Damit ist die notwendige Umverteilung der für die Ausübung der Kompetenz notwendigen Mittel erfolgt, die angesichts der eigenen Entscheidungsbefugnis des Beigeladenen nicht in einem synallagmatischen Verhältnis zu einer Gegenleistung des Beigeladenen steht. Soweit die Antragstellerin auch an dieser Stelle wiederum einwendet, die Einflussmöglichkeiten der Antragsgegnerin über die Verbandsversammlung stünden der – auch finanziellen – Unabhängigkeit des Beigeladenen entgegen, gilt das oben zur Voraussetzung „eigene Entscheidungsbefugnis“ Gesagte.

III.
Soweit sich die Antragstellerin mit dem „Hauptantrag zu 3.“ (vgl. S. 38 der Beschwerdeschrift, Bl. 41 d. A.) gegen die Kostenentscheidung der Vergabekammer wendet, hat der Senat bereits im Verfahren 13 Verg 4/12 mit Beschluss vom 5. Juli 2012 darauf hingewiesen, dass es sich nicht um einen Haupt-, sondern um einen Hilfsantrag für den Fall handelt, dass die sofortige Beschwerde mit ihrem (tatsächlichen) Hauptantrag keinen Erfolg hat. Hätte die sofortige Beschwer-de mit dem Hauptantrag Erfolg, wäre nämlich ohnehin auch die Kostenentscheidung der Vergabekammer obsolet. Der – auch im hiesigen Verfahren nur so zu verstehende – Hilfsantrag der Antragstellerin hat teilweise Erfolg. Der Senat hat die Kosten für das Verfahren vor der Vergabekammer auf 16.114,00 Euro festgesetzt. Dies entspricht der Festsetzung im Verfahren 13 Verg 4/12 durch die Vergabekammer, die der Senat im o.g. Beschluss sowie im Beschluss vom 22. November 2012 gebilligt und deshalb auch insoweit die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen hat. Zwar wird die Gebührenentscheidung der Vergabekammer im Beschwerdeverfahren nur auf Ermessensfehler überprüft (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2011 – X ZB 5/10; OLG Koblenz, Beschluss vom 16. Februar 2016 – 1 Verg 2/02). Die abweichende Festsetzung der Vergabekammer im vorliegenden Verfahren auf 50.000,- Euro stellt sich jedoch als ermessenfehlerhaft dar, weil es sich um exakt die gleiche Fallkonstellation handelt wie im Verfahren 13 Verg 4/12 und nachvollziehbare Gründe für eine höhere Wertbemessung nicht ersichtlich sind. Danach ist der Auftragswert im hiesigen Verfahren nicht mit 172 Mio. Euro, sondern wie im Vorverfahren lediglich mit 28 Mio. Euro zu bemessen, auch wenn die Antragstellerin – wie bereits im Verfahren 13 Verg 4/12 – beantragt hat, die Unwirksamkeit der Übertragung der Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers (insgesamt) festzustellen. Maßgeblich für die Wertbemessung ist das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin an der hypothetischen Ausschreibung. Zur Ermittlung dieses Interesses ist nicht nur der Antrag, sondern auch seine Begründung heranzuziehen. Da die Antragstellerin – wie sich aus der Antragsschrift ergibt – nur ein Interesse daran hat, einen Teil der Entsorgungsdienstleistungen, nämlich den Transport von PPK-Abfällen, selbst zu erbringen, ist auch nur diese hypothetische Bruttoauftragssumme der Berechnung zugrunde zu legen. Da die Antragstellerin insoweit im Nachprüfungsverfahren wiederum keinen konkreten Auftragswert genannt hatte, hätte die Vergabekammer von dem ihr zustehenden Ermessen wie im Vorverfahren durch eine Schätzung des Auftragswertes auf 28 Mio. Euro Gebrauch machen können. Daraus ergibt sich eine Gebühr i. H. v. 21.485,60 Euro (vgl. Beschluss der Vergabekammer vom 4. Mai 2012 – VgK-14/2012 = 13 Verg 4/12). Im Übrigen weist die Beschwerde auch zu Recht darauf hin, dass die Vergabekammer die Gebühr nicht nach § 128 Abs. 3 S. 6 GWB a. F. ermäßigt hat im Hin-blick darauf, dass keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat. Dieser Um-stand war im Vorverfahren 13 Verg 4/12 von der Vergabekammer bei der Gebührenfestsetzung mit einer Ermäßigung auf (3/4 x 21.485,60 Euro =) 16.114,20 Euro, gerundet 16.114,00 Euro, berücksichtigt worden. Zwar wäre es möglicherweise vertretbar gewesen, im hiesigen Verfahren einen weiteren Abschlag im Hinblick darauf vorzunehmen, dass das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer gegenüber dem Verfahren 13 Verg 4/12 keine wesentlichen neuen rechtlichen Probleme aufwarf. Dass die Vergabekammer insoweit aber keinen Abschlag vorgenommen hat, ist im Hinblick auf den ihr zustehenden weiten Ermessensspielraum von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus folgt aus § 120 Abs. 2 i. V. m. § 78 GWB a. F. Die Antragstellerin hat die Kosten ihrer erfolglos gebliebenen sofortigen Beschwerde zu tragen. Billigkeitsgesichtspunkte, die eine abweichende Kostenverteilung rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts ist im Beschwerdeverfahren – ohnehin ein Anwaltsprozess – nicht gesondert auszusprechen (vgl. Summa, in: jurisPK, 4. Aufl., § 120 GWB a. F. Rn. 53).

V.
Den Beschwerdewert hat der Senat aus den vorgenannten Gründen – wie im Verfahren 13 Verg 4/12 – gemäß § 50 Abs. 2 GKG auf 1.400.000,00 Euro (= 5 % von 28 Mio. Euro) festgesetzt.

Drittschützende Wirkung der Subsidiaritätsklausel in § 121 Abs. 1 S. 3 HGO in Bezug auf wirtschaftliche Betätigungen der Kommune (?)

Nach der Einfügung des § 121 Abs. 1 b Hessische Gemeindeverordnung (HGO) durch das Änderungsgesetz vom 16. Dezember 2011 kann § 121 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 HGO zugunsten privater Friedhofsgärtner unter bestimmten Voraussetzungen drittschützende Wirkung entfalten und ihnen eine Antragsbefugnis für Normenkontrollanträge gegen Änderungen kommunaler Friedhofssatzungen vermitteln (§ 47 Abs. 2 S. 1 VwGO; Anpassung der bisherigen Rechtsprechung an die neue Rechtslage, vgl. Hess. VGH, Urteil vom 18. Juni 2009 8 C 2265/08.N ). Diese drittschützende Wirkung der Subsidiaritätsklausel in § 121 Abs. 1 S. 3 HGO besteht nicht, soweit die Satzungsänderungen lediglich wirtschaftliche Betätigungen betreffen, die die Kommune schon vor dem 1. April 2004 als solche ausgeübt hat, sofern diese Betätigung nicht wesentlich erweitert wird; insofern genießt die Kommune Bestandsschutz (§ 121 Abs. 1 b S. 2 HGO).

Hessischer VGH · Urteil vom 2. Oktober 2014 · Az. 8 C 305/14.N

Tatbestand
Der Antragsteller zu 1., ein Zusammenschluss von 19 friedhofsgärtnerisch tätigen Wiesbadener Unternehmen, und der als selbständiger Friedhofsgärtner tätige Antragsteller zu 2. halten einige Bestimmungen der Satzung über das Friedhofs- und Bestattungswesen (Friedhofssatzung) der Antragsgegnerin für ungültig, weil dort für im Jahre 2013 neu in die Satzung aufgenommene Urnengräber auf gärtnerisch gestalteten Flächen und für den tot geborenen Kindern und Föten vorbehaltenen Sternengarten Gestaltung und Pflege der Friedhofsverwaltung vorbehalten werden. Dabei ist lediglich bezüglich der Urnengräber geregelt, dass diese Arbeiten durch die Friedhofsverwaltung selbst oder in deren Auftrag durch Dritte durchgeführt werden.

Durch die von der Stadtverordnetenversammlung der Beklagten am 7. Februar 2013 verabschiedete und am Tag nach ihrer Bekanntgabe in beiden Wiesbadener Tageszeitungen am 1. März 2013 in Kraft getretene Satzung zur Änderung der Ortssatzung über das Friedhofs- und Bestattungswesen in der Landeshauptstadt Wiesbaden (Friedhofssatzung) und zur Änderung der Gebührenordnung zur Ortssatzung über das Friedhofs- und Bestattungswesen in der Landeshauptstadt Wiesbaden (Friedhofsgebührenordnung) sind folgende von den Antragstellern beanstandete Bestimmungen der Friedhofssatzung neu aufgenommen oder neu gefasst worden:

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Voraussetzungen für eine vergabefreie interkommunale Zusammenarbeit, vorgestellt von Thomas Ax

§ 108 GWB regelt erstmals den Bereich der von der Anwendung des Vergaberechts ausgenommenen öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit. Damit soll nunmehr Klarheit geschaffen werden, unter welchen Voraussetzungen zwischen öffentlichen Auftraggebern geschlossene Verträge von der Anwendung des 4. Teils des GWB ausgenommen sind (Gesetzesbegründung zu § 108 GWB, S. 79, BTDrs. 18/6281). Es handelt sich daher wie bei § 107 und § 109 GWB um eine Bereichsausnahme, so dass die Voraussetzungen des § 108 GWB im Rahmen der Zulässigkeit zu prüfen sind.

Nach § 108 Abs. 6 GWB ist der 4. Teil des GWB nicht anzuwenden und es besteht demzufolge keine Verpflichtung zu einer vorherigen Bekanntmachung bei Verträgen, die zwischen zwei oder mehreren öffentlichen Auftraggebern im Sinne des § 99 Nummer 1 bis 3 geschlossen werden, wenn

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§ 108 GWB: Vergaberecht gilt nicht bei bestimmten Varianten öffentlich-öffentlicher Zusammenarbeit

(1) Dieser Teil ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen, die von einem öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 99 Nummer 1 bis 3 an eine juristische Person des öffentlichen oder privaten Rechts vergeben werden, wenn

1. der öffentliche Auftraggeber über die juristische Person eine ähnliche Kontrolle wie über seine eigenen Dienststellen ausübt,
2. mehr als 80 Prozent der Tätigkeiten der juristischen Person der Ausführung von Aufgaben dienen, mit denen sie von dem öffentlichen Auftraggeber oder von einer anderen juristischen Person, die von diesem kontrolliert wird, betraut wurde, und
3. an der juristischen Person keine direkte private Kapitalbeteiligung besteht, mit Ausnahme nicht beherrschender Formen der privaten Kapitalbeteiligung und Formen der privaten Kapitalbeteiligung ohne Sperrminorität, die durch gesetzliche Bestimmungen vorgeschrieben sind und die keinen maßgeblichen Einfluss auf die kontrollierte juristische Person vermitteln.

(2) Die Ausübung einer Kontrolle im Sinne von Absatz 1 Nummer 1 wird vermutet, wenn der öffentliche Auftraggeber einen ausschlaggebenden Einfluss auf die strategischen Ziele und die wesentlichen Entscheidungen der juristischen Person ausübt. Die Kontrolle kann auch durch eine andere juristische Person ausgeübt werden, die von dem öffentlichen Auftraggeber auf gleiche Weise kontrolliert wird.

(3) Absatz 1 gilt auch für die Vergabe öffentlicher Aufträge, die von einer kontrollierten juristischen Person, die zugleich öffentlicher Auftraggeber im Sinne des § 99 Nummer 1 bis 3 ist, an den kontrollierenden öffentlichen Auftraggeber oder an eine von diesem öffentlichen Auftraggeber kontrollierte andere juristische Person vergeben werden. Voraussetzung ist, dass keine direkte private Kapitalbeteiligung an der juristischen Person besteht, die den öffentlichen Auftrag erhalten soll. Absatz 1 Nummer 3 zweiter Halbsatz gilt entsprechend.

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