OLG Celle, Beschluss vom 03.08.2017 – 13 Verg 3/17: Gründung eines Zweckverbands und Übertragung einer Aufgabe nicht öffentlicher Auftrag, wenn eine „echte“ Kompetenzverlagerung vorliegt

Die Gründung eines Zweckverbands und die Übertragung einer Aufgabe auf diesen stellt keinen öffentlichen Auftrag i.S.v. Art. 1 Abs. 2 a der RL 2004/18/EG und i.S.v. § 99 Abs. 1 GWB a. F. dar, wenn eine „echte“ Kompetenzverlagerung vorliegt, d. h. dem Zweckverband die mit der verlagerten Kompetenz verbunden Zuständigkeiten übertragen worden sind, er eine eigene Entscheidungsbefugnis innehat und über eine finanzielle Unabhängigkeit verfügt.

Gründe
I.
Die Antragstellerin ist ein Unternehmen, das Entsorgungsdienstleistungen erbringt. Sie hat ein Interesse daran, einen Teil der dem beigeladenen Zweckverband obliegenden Entsorgungsdienstleistungen, nämlich den Transport von PPK-Abfällen, selbst zu erbringen. Die Antragsgegnerin war vor der Gründung des beigeladenen Zweckverbandes nach § 8 Abs. 8 des Gesetzes über die Region H. vom 5. Juni 2001 öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger im Sinne des Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetzes im Gebiet des ehemaligen Landkreises H. Durch Gebietsänderungsvertrag zwischen der Region und der Stadt H. über die Abfallwirtschaft vom 29. November 2002 (ABl. für den Regierungsbezirk H. 2002, 770 ff.) übertrug die Stadt ihre Aufgaben als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger auf die Region. Die Antragsgegnerin und die Stadt H. einigten sich über die Gründung des beigeladenen Zweckverbandes und beschlossen zu diesem Zweck gemeinsam am 19. Dezember 2002 die Verbandsordnung des Zweckverbandes Abfallwirtschaft Region H. (Amtsblatt für den Regierungsbezirk H. 2002, 766 ff., zuletzt geändert durch Beschluss vom 29. Februar 2016, in der aktuellen Fassung abrufbar unter https://www.xxx.de/fileadmin/Download/Recht_Ordnung/Verbandsordnung_2016.pdf).
Die Verbandsordnung enthält – in ihrer aktuellen Fassung, soweit hier maßgeblich – insbesondere folgende Bestimmungen:
§ 1 (…)
(1) Die Region H. und die Landeshauptstadt H. bilden einen Zweckverband. (…)
§ 2 (…)
(3) Der Zweckverband ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (…).
§ 4 (…)
(1) Der Zweckverband tritt an die Stelle der Region H. als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger gemäß § 15 Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz und § 8 Abs. 8 Regionsgesetz und erhebt Gebühren. Ferner nimmt der Zweckverband die Auf-gabe der Vollstreckung für die Region H. im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Niedersächsischen Gesetzes über die kommunale Zusammenarbeit wahr.
(2) Der Zweckverband nimmt für die Landeshauptstadt H. in deren Gebiet die Stadtreinigung i.S. des § 52 des Niedersächsischen Straßengesetzes wahr und erhebt Gebühren. Er nimmt für die Landeshauptstadt H. auch die Aufgaben der Reinigung und des Winterdienstes vor städtischen Grundstücken wahr, soweit die Landeshauptstadt H. als Eigentümerin der Grundstücke hierzu nach § 4 Abs. 1 der Satzung über die Straßenreinigung in der Landeshauptstadt H. verpflichtet ist. Der Zweckverband übernimmt ferner für die Landeshauptstadt H. die Beschaffung, die Überwachung, die Instandsetzung, die Aussonderung und den Verkauf der städtischen Kraftfahrzeuge. (…)
(4) Der Zweckverband entsorgt auch Abfälle zur Verwertung. Er kann Verträge mit Dualen Systemen zur Sammlung von Verkaufsverpackungen eingehen und diese Aufgaben auch der Abfallentsorgungsgesellschaft Region H. mbH übertragen.
(5) Der Zweckverband kann sich zur Erfüllung seiner Aufgaben Dritter bedienen und sich an Unternehmen und Einrichtungen beteiligen, die der Erfüllung der Auf-gaben des Zweckverbandes dienen.
(6) Der Zweckverband erlässt über die Benutzung seiner öffentlichen Einrichtungen und über die Erhebung von Gebühren, Beiträgen und Kostenerstattungen Satzungen und Verordnungen.
(7) Die Aufgaben des Zweckverbandes werden wie folgt unterschieden: A-Aufgaben sind gemeinsame Aufgaben der beiden Verbandsmitglieder, die sowohl die Abfallentsorgung als auch die Straßenreinigung betreffen (…). B-Aufgaben sind Aufgaben, die nur die Abfallentsorgung betreffen und in die ausschließliche Zuständigkeit der Region H. fallen. C-Aufgaben sind Aufgaben der Straßen- und Gehwegreinigung sowie des Winterdienstes und der Kraftfahrzeugbewirtschaftung nach § 4 Abs. 2. § 5 (…) Die Region H. und die Landeshauptstadt H. bringen in den Verband ihre jeweiligen bisher zur Aufgabenerfüllung der Abfallentsorgung, der Straßenreinigung und des Winterdienstes dienenden Einrichtungen (…) sowie 94,9 % der Anteile an der Abfallentsorgungsgesellschaft Region H. mbH (…) unentgeltlich ein. § 7 (…)

(1) Die Verbandsversammlung besteht aus der Hauptverwaltungsbeamtin bzw. dem Hauptverwaltungsbeamten der Region H. und der Landeshauptstadt H. (…).
(2) Bei der Abstimmung über B-Aufgaben ist nur der Vertreter/die Vertreterin des Verbandsmitgliedes Region H. stimmberechtigt. Bei der Abstimmung über
C-Aufgaben ist nur der Vertreter/die Vertreterin des Verbandsmitgliedes Landeshauptstadt H. stimmberechtigt. Bei der Abstimmung über A-Aufgaben sind die Vertreter/Vertreterinnen beider Verbandsmitglieder stimmberechtigt.
(3) Die Vertreter/die Vertreterinnen sind an Weisungen des jeweils entsenden Verbandsmitgliedes gebunden. § 8 (…) Die Verbandversammlung beschließt über
1. Änderungen der Verbandsordnung, (…),
3. die Wahl ihrer oder ihres Vorsitzenden,
4. die Wahl der Verbandsgeschäftsführerin oder des Verbandsgeschäftsführers und die Regelung der Stellvertretung, (…).
6. Angelegenheiten, über die nach den Vorschriften des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes die Vertretung oder der Hauptausschuss beschließt und solche, die nicht gemäß § 11 der Verbandsgeschäftsführerin oder dem Verbandsgeschäftsführer obliegen. § 16 (…)
(1) Der Zweckverband arbeitet auf Dauer mindestens kostendeckend.
(2) Die Verbandsmitglieder werden zu jährlich festzusetzenden Umlagen herangezogen, soweit die sonstigen Einnahmen des Zweckverbandes zur Bestreitung der Verbandsaufgaben (…) nicht ausreichen (…). Die Antragstellerin geht davon aus, dass der beigeladene Zweckverband heute jedenfalls mehr als 10 % – wohl auch mehr als 20 % – seiner Umsätze mit Tätigkeiten erziele, die er nicht für die Region H. oder die Landeshauptstadt H. als öffentliche Auftraggeber erbringe. Durch diese Ausweitung des Geschäftsbetriebs seien unter Berücksichtigung der Grundsätze einer In-House-Vergabe die Voraussetzungen für eine ausschreibungsfreie Vergabe entfallen. Die Gründung des Zweckverbandes und der damit verbundene Aufgabenübergang auf diesen seien daher zwischenzeitlich als unzulässige de-facto-Vergabe zu werten. Aufgrund ihrer Unwirksamkeit sei die Antragsgegnerin wieder zuständiger öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger und damit, sofern sie entsprechen-de Dienstleistungen nicht selbst erbringen wolle, verpflichtet, die ihr obliegenden Entsorgungsdienstleistungen im Rahmen eines europaweiten Vergabeverfahrens auszuschreiben. Die Antragstellerin habe Interesse, sich an einem solchen Vergabeverfahren zu beteiligen, soweit die Einsammlung und der Transport von PPK-Abfällen betroffen seien. Die Antragstellerin hat deshalb – wie bereits im Jahre 2012 im Verfahren 13 Verg 4/12 – einen Nachprüfungsantrag eingereicht. Die Vergabekammer hat diesen Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Der Antrag sei unzulässig, weil nicht ersichtlich sei, dass die Drittumsätze des beigeladenen Zweckverbandes bereits die Schwelle überschritten, ab derer er nicht mehr im Wesentlichen für den öffentlichen Auftraggeber tätig wäre. Es liege daher keine anfechtbare de-facto-Vergabe gemäß § 101 b Abs. 1 Nr. 2 GWB a.F. vor. Dagegen wendet sich die Antragstellerin mit ihrer sofortigen Beschwerde. Sie macht weiter geltend, die Gründung eines Zweckverbandes und die Aufgabenübertragung auf diesen stelle einen öffentlichen Auftrag i.S. des Art. 1 Abs. 2 lit. a) der Richtlinie 2004/18/EG sowie i.S. des § 99 Abs. 1 GWB a.F. dar, soweit die Anwendbarkeit des Vergaberechts nicht nach den Grundsätzen der In-House-Vergabe ausgeschlossen sei. Die nach diesen Grundsätzen maßgebliche Schwelle für Drittumsätze werde im Geschäftsjahr 2013 überschritten. Damit entfielen nachträglich die Voraussetzungen einer vergaberechtsfreien Aufgabenübertragung, was zur Folge habe, dass der ursprüngliche Beschaffungsvorgang neu auszuschreiben sei.

Die Antragstellerin beantragt,
1. den Beschluss der Vergabekammer Niedersachsen vom 29. Januar 2013 (VgK-56/2012) aufzuheben;
2. die Unwirksamkeit der Übertragung der Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers von der Antragsgegnerin auf den Zweckverband der Abfallwirtschaft H. („xxx“), die ursprünglich durch auf Verwaltungsvereinbarung zwischen der Antragsgegnerin und der Stadt H. beruhendem Satzungsbeschluss vom 1. Januar 2003 erfolgte und nunmehr offensichtlich in wesentlichem Maße auf eine gewerbliche Tätigkeit ausgerichtet und damit als neu zu vergeben anzusehen ist, gemäß § 101 b Abs. 1 Nr. 2 GWB festzustellen und die Antragsgegnerin zu verpflichten, die auf ihrem Gebiet entsprechend ihren gesetzlichen Aufgaben anfallenden Entsorgungsdienstleistungen bei fortbestehendem Beschaffungsbedarf im Rahmen eines transparenten Vergabeverfahrens neu zu vergeben;
3. die Gebühren der Vergabekammer auf maximal 7.181,25 Euro neu festzusetzen,
4. der Antragsgegnerin die Kosten sowohl des erstinstanzlichen Nachprüfungsverfahrens als auch der sofortigen Beschwerde gemäß §§ 128 Abs. 4 GWB, 80 VwVfg einschließlich der Kosten der Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung aufzuerlegen;
5. festzustellen, dass die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten seitens der Antragstellerin zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war.

Die Antragsgegnerin und der Beigeladene beantragen,
die sofortige Beschwerde zurückzuweisen.

Sie sind der Auffassung, die Gründung des Zweckverbandes und die Aufgabenübertragung auf diesen unterfalle nicht dem Vergaberecht. Beides beruhe auf einem Satzungsbeschluss und nicht auf einem Vertrag oder einer Verwaltungsvereinbarung. Es handele sich auch nicht um einen Beschaffungsvorgang. Jedenfalls nach Art. 1 Nr. 6 der Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Februar 2014 über die öffentliche Auftragsvergabe sei die Gründung eines Zweckverbandes und der damit verbundene gesetzliche Aufgabenübergang von der Anwendung des Vergaberechts ausgenommen. Zudem unterfalle die Beauftragung eines von dem Auftraggeber kontrollierten externen Unternehmens als sog. In-House-Geschäft nach Art. 12 Nr. 1 b) der vorgenannten novellierten Vergaberichtlinie nicht dem Vergaberecht, wenn mehr als 80 % der Tätigkeit des kontrollierten Unternehmens der Ausführung der Aufgaben des öffentlichen Auftraggebers diene. Der Senat hat die Sache mit Beschluss vom 17. Dezember 2014 dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) zur Vorabentscheidung über folgende Fragen vorgelegt:Stellt eine Vereinbarung zwischen zwei Gebietskörperschaften, auf deren Grundlage die Gebietskörperschaften durch Satzungen einen gemeinsamen Zweckverband mit eigener Rechtspersönlichkeit gründen, der fortan bestimmte Aufgaben, die bislang den beteiligten Gebietskörperschaften oblegen haben, in eigener Zuständigkeit wahrnimmt, einen „öffentlichen Auftrag“ im Sinne von Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/18 dar, wenn dieser Aufgabenübergang Dienstleistungen im Sinne dieser Richtlinie betrifft und entgeltlich erfolgt, der Zweckverband über die Wahrnehmung zuvor den beteiligten Körperschaften oblegener Aufgaben hinausgehende Tätigkeiten entfaltet und der Aufgabenübergang nicht zu „den zwei Arten von Aufträgen“ gehört, die, obwohl sie von öffentlichen Einrichtungen vergeben werden, nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs (zuletzt Urteil vom 13. Juni 2013, P., C-386/11, EU:C:2013:385, Rn. 33 ff.) nicht in den Anwendungsbereich des Vergaberechts der Union fallen? Soweit Frage 1 bejaht wird: Richtet sich die Frage, ob die Bildung eines Zweckverbandes und der damit verbundene Aufgabenübergang auf diesen ausnahmsweise nicht in den Anwendungsbereich des Vergaberechts der Union fällt, nach den Grundsätzen, die der Gerichtshof betreffend Verträge zwischen einer öffentlichen Einrichtung und einer rechtlich von dieser verschiedenen Person entwickelt hat, nach denen eine Anwendung des Vergaberechts der Union ausscheidet, wenn die Einrichtung über die betreffende Person eine ähnliche Kontrolle ausübt wie über ihre eigenen Dienststellen und die genannte Person zugleich im Wesentlichen für die Einrichtung oder die Einrichtungen tätig ist, die ihre Anteile innehat bzw. innehaben (vgl. in diesem Sinne u.a. EuGH, Urteil vom 18. November 1999, C-107/98 – Teckal, Slg. 1999, I-8121, Tz. 50), oder finden demgegenüber die Grundsätze Anwendung, die der Gerichtshof betreffend Verträge entwickelt hat, mit denen eine Zusammenarbeit von öffentlichen Einrichtungen bei der Wahrnehmung einer ihnen allen obliegenden Gemeinwohlaufgabe vereinbart wird (dazu: EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012, C-159/11, ABl. EU 2013, Nr. C 46, 4)? Der EuGH hat die erste Frage des Senats im Urteil vom 21. Dezember 2016 (C-51/15) wie folgt beantwortet: Art. 1 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie 2004/18EG ist dahin auszulegen, dass es sich bei einer Vereinbarung zwischen zwei Gebietskörperschaften, wie sie im Ausgangsverfahren in Rede steht und auf deren Grundlage diese eine Satzung über die Gründung eines Zweckverbands – einer juristischen Person des öffentlichen Rechts – erlassen und dieser neuen öffentlichen Einrichtung Befugnisse zuweisen, die bisher diesen Körperschaften oblagen und fortan zu eigenen Aufgaben dieses Zweckverbands werden, nicht um einen öffentlichen Auftrag handelt. Eine solche die Erfüllung öffentlicher Aufgaben betreffende Kompetenzübertragung liegt jedoch nur vor, wenn die Übertragung sowohl die mit der übertragenen Kompetenz verbundenen Zuständigkeiten als auch die damit einhergehenden Befugnisse betrifft, so dass die neuerdings zuständige öffentliche Stelle über eine eigene Entscheidungsbefugnis und eine finanzielle Unabhängigkeit verfügt. Das vorlegende Gericht wird zu prüfen haben, ob dies der Fall ist. Zu der zweiten Frage des Senats hat der EuGH ausgeführt: Angesichts der Antwort auf die erste Frage ist die zweite Frage nicht zu beantworten. Die Antragstellerin meint, die vom EuGH aufgestellten Voraussetzungen einer Vergaberechtsfreiheit seien nicht erfüllt. Vielmehr sei der Beigeladene qua Organisationsstruktur von der Antragsgegnerin abhängig, und zwar sowohl hinsichtlich der Organisation seiner Aufgaben als auch hinsichtlich seiner Finanzierung. Insbesondere führe die weitgehende Zuständigkeit der Verbandsversammlung nach § 8 Nr. 6 der Verbandsordnung dazu, dass die Antragsgegnerin Einfluss auf strategische Zielsetzungen und bedeutende Entscheidungen des Zweckverbands nehme und diese sogar letztlich festlege. Die formale Befugnis des Beigeladenen zum Erlass von Gebührensatzungen und zum Einzug der Gebühren nach § 4 Abs. 6 der Verbandsordnung sei nicht ausreichend, um von einer finanziellen Autonomie des Beigeladenen auszugehen. Denn auch die Entscheidungen über die Finanzierung – insbesondere der Erlass einer Abfallgebührensatzung – oblägen der Verbandsversammlung, mithin der Stimme der Antragsgegnerin. Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Antragstellerin wird auf die Schriftsätze vom 10. März 2017 (Bl. 732 ff. d. A.), vom 28. Juni 2017 (Bl. 852 ff. d.A.) sowie vom 6. Juli 2017 (Bl. 883 ff. d. A.) Bezug genommen.

Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, dass der EuGH eine Entgeltlichkeit der Aufgabenübertragung im vorliegenden Fall von vornherein verneint habe. Jedenfalls seien die vom Gerichtshof vorgegebenen Kriterien für eine die Erfüllung öffentlicher Aufgaben betreffende „echte“ Kompetenzübertragung, die nicht als öffentlicher Auftrag i.S.d. Richtlinie anzusehen ist, erfüllt. Die Antragsgegnerin habe sich ihrer Aufgaben als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger vollständig entledigt und es obliege allein dem Beigeladenen, die Erledigung dieser Aufgaben zu organisieren und sich ggf. zusätzlicher Aufgaben anzunehmen. Die finanzielle Autonomie des Beigeladenen sei gegeben, weil er seine Aufgaben auf der Grundlage einer eigenen Haushaltssatzung erledige. Die Antragsgegnerin habe sich weder die finanzielle Kontrolle vorbehalten noch die Befugnis, die delegierend übertragenen Aufgaben zu kontrollieren. Gewisse Abhängigkeiten zu den Verbandsmitgliedern ergäben sich aus der inhaltlichen Beteiligung an Grundfragen kommunaler Abfallpolitik. Dabei handele es sich aber keinesfalls um eine Einmischung in konkrete Modalitäten der Aufgabenerledigung.
Der Beigeladene vertritt wie die Antragsgegnerin die Auffassung, dass eine Entgeltlichkeit zu verneinen sei und bei Anwendung der Kriterien des EuGH ein interner Organisationsakt vorliege, weshalb das Vergaberecht keine Anwendung finde. Der Beigeladene nehme eine selbständige und eigenverantwortliche Aufgabenorganisation und -finanzierung vor. Insoweit verkenne die Antragstellerin die Stellung der Verbandsversammlung als Organ des Beigeladenen, die dazu führe, dass alle in der Versammlung getroffenen Entscheidungen solche des Beigeladenen selbst seien. Einer Zustimmung der Regionsversammlung für diese Entscheidungen bedürfe es nicht. Der Umstand, dass die Regionsversammlung über die Vertreter der Region in der Verbandsversammlung Einfluss auf die Entscheidungsprozesse ausübe, ändere nichts an der Autonomie des Beigeladenen. Dieser Umstand sei Ausfluss des Demokratieprinzips und deshalb zwingend erforderlich. Die Argumentation der Antragstellerin hätte deshalb nach Auffassung des Beigeladenen zur Folge, dass Zweckverbände niemals Empfänger einer Kompetenzübertragung sein könnten, was dem Urteil des EuGH widerspräche. Insgesamt ist der Beigeladene der Auffassung, dass der EuGH vor dem konkreten Hintergrund der satzungsmäßigen Bestimmungen bereits entschieden bzw. seine Position deutlich gemacht habe, dass eine nicht unter das Vergabe-recht fallende Kompetenzübertragung vorliege. Dies ergebe sich nicht zuletzt aus dem Umstand, dass der EuGH die zweite Vorlagefrage des Senats nicht mehr beantwortet habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Schriftsätze der Verfahrensbeteiligten sowie die Akte der Vergabekammer und die beigezogene Akte 13 Verg 4/12 verwiesen.

II.
Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg, soweit die Antragstellerin mit dem Hauptantrag die Aufhebung des Beschlusses der Vergabekammer und die Feststellung der Unwirksamkeit der Übertragung der Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers auf den Beigeladenen sowie die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Neuvergabe der Entsorgungsdienstleistungen begehrt. Der Nachprüfungsantrag der Antragstellerin ist bereits unzulässig. Die Übertragung der Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers auf den beigeladenen Zweckverband stellt keinen öffentlichen Auftrag i.S.v. Art. 1 Abs. 2 lit. a der RL 2004/18/EG (Vergabe-Koordinierungsrichtlinie) und i.S.v. § 99 Abs. 1 GWB a.F. dar und unterliegt daher nicht dem Vergaberecht. Zwar scheitert das Vorliegen eines öffentlichen Auftrags nicht bereits daran, dass nach der Entscheidung des EuGH von vornherein kein entgeltlicher Vertrag vorliegt (dazu im Folgenden unter 1.). Die dem Senat vom EuGH aufgegebene Prüfung im Einzelfall führt jedoch zu dem Ergebnis, dass die streitgegenständliche Aufgabenübertragung eine „echte“ Kompetenzübertragung darstellt, die nicht alle Voraussetzungen eines öffentlichen Auftrags erfüllt (dazu im Folgenden unter 2.).
1. Die Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags scheitert entgegen der Auffassung der Antragsgegnerin und des Beigeladenen nicht bereits daran, dass der EuGH das Vorliegen eines entgeltlichen Vertrages unabhängig von den weiteren Voraussetzungen einer „echten“ Kompetenzübertragung verneint hat. Die von der Antragsgegnerin und dem Beigeladenen insoweit herangezogenen Ausführungen des Gerichtshofs in Rn. 42 bis 46 des Urteils sind nicht isoliert zu betrachten, sondern beziehen sich auf die Prüfung einer unter Art. 4 Abs. 2 EUV fallenden, vergaberechtsfreien Kompetenzverlagerung. D.h. es fehlt nur dann an der Entgeltlichkeit, wenn eine solche „echte“ Kompetenzverlagerung vorliegt. Dies ergibt sich aus der Einleitung des EuGH in Rn. 42 f.: Zweitens ist festzustellen, dass eine solche Kompetenzverlagerung oder -übertragung nicht alle Voraussetzungen erfüllt, die gemäß der Definition des Begriffs „öffentlicher Auftrag“ erforderlich sind. Nur ein entgeltlicher Vertrag kann einen öffentlichen Bauauftrag im Sinne der Richtlinie 2004/18 darstellen (…) sowie aus der nachfolgenden Argumentation in Rn. 44 ff., die sich gerade auf den Fall einer von Art. 4 Abs. 2 EUV geschützten internen – und damit vergabe-rechtsfreien – Organisationsmaßnahme bezieht. Eine Aussage, dass die streitgegenständliche Aufgabenübertragung auch dann als unentgeltlich anzusehen sei, wenn die Voraussetzungen für eine „echte“ Kompetenzübertragung nicht erfüllt wären, lässt sich dem Urteil des EuGH nicht entnehmen. Insoweit gilt vielmehr das im Vorlagebeschluss des Senats vom 17. Dezember 2014 unter B.I.2.b) auf S. 12 unten / S. 13 oben Gesagte: Eine Entgeltlichkeit ist bei Vorliegen eines öffentlichen Auftrags bereits dann gegeben, wenn die vorgesehene Vergütung auf den Ersatz der Kosten beschränkt ist, die durch die Erbringung der vereinbarten Dienstleistung entstehen (vgl. EuGH, Urteil vom 19. Dezember 2012 – C-159/11 – „Lecce). In diesem Sinne ist das hiesige Urteil des EuGH auch in der Literatur verstanden worden (vgl. Wachinger/Scholz, NVwZ 2017, 376, 377; Peshteryanu, jurisPR-VergR 1/2017 Anm. 1; Frenz, Vergaberechtsfreie Kompetenzverlagerungen nach dem EuGH-Urteil Remondis, GewArch 2017, 97). Ein anderes Verständnis im Sinne der Auffassung der Antragsgegnerin und des Beigeladenen ergäbe auch deshalb keinen Sinn, weil es dazu führen würde, dass die vom EuGH geforderte Prüfung der Voraussetzungen für eine „echte“ Kompetenzübertragung überflüssig wäre. 2. Die nach alledem vom Senat vorzunehmende Prüfung im Einzelfall führt zu dem Ergebnis, dass eine „echte“ Kompetenzverlagerung vorliegt, so dass es an einem entgeltlichen Vertrag und damit an einem öffentlichen Auftrag fehlt. Die vom EuGH insoweit angeführten drei Voraussetzungen für eine „echte“ Kompetenzübertragung sind gegeben:
• Dem Beigeladenen sind die mit der verlagerten Kompetenz verbundenen Zuständigkeiten übertragen worden (dazu nachfolgend a).
• Der Beigeladene hat eine eigene Entscheidungsbefugnis inne (dazu nachfolgend b).
• Der Beigeladene verfügt über eine finanzielle Unabhängigkeit (dazu nachfolgend c).
a) Unstreitig liegt ein Übergang der mit der übertragenen Kompetenz verbundenen Zuständigkeiten von der Antragsgegnerin auf den Beigeladenen vor. So regelt insbesondere § 4 Abs. 1 der Verbandsordnung, dass der Zweckverband an die Stelle der Region H. als öffentlich-rechtlicher Entsorgungsträger tritt und Gebühren erhebt sowie die Aufgabe der Vollstreckung für die Antragsgegnerin im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 NKomZG wahrnimmt. Damit hat die Antragsgegnerin ihre Zuständigkeiten im Bereich der Abfallentsorgung auf den Beigeladenen übertragen.
b) Die zweite Voraussetzung einer eigenen Entscheidungsbefugnis des Beigeladenen – die nach dem EuGH Bedingung für eine Übertragung auch der mit den Zuständigkeiten einhergehenden Befugnisse ist – ist im Ergebnis ebenfalls zu bejahen. Diese zweite Voraussetzung konkretisiert der EuGH in Rn. 49 des Urteils unter Bezugnahme auf Rn. 53 der Schlussanträge des Generalanwalts dahingehend, dass eine Kompetenzübertragung nicht nur die mit der übertragenen Kompetenz verbundenen Zuständigkeiten umfassen müsse, sondern auch die damit einher-gehenden Befugnisse. Hierfür sei es erforderlich, dass die öffentliche Stelle, der eine Kompetenz übertragen wird, befugt ist, die Erfüllung der sich aus dieser Kompetenz ergebenden Aufgaben zu organisieren und den diese Aufgaben betreffenden rechtlichen Rahmen zu schaffen. Also könne – so der EuGH weiter in Rn. 51 f. – keine Kompetenzübertragung vorliegen, wenn die neuerdings zuständige öffentliche Stelle von der betreffenden Befugnis nicht selbständig und ei-genverantwortlich Gebrauch mache. Zwar folgt die insoweit notwendige Autonomie des Zweckverbandes nicht bereits aus der Stellung der Verbandsversammlung als eigenes Organ des Beigeladenen (dazu nachfolgend aa). Der Senat geht jedoch trotz der insoweit bestehenden mittelbaren Einwirkungsmöglichkeiten der Antragsgegnerin davon aus, dass sich dieser Einfluss noch in dem vom EuGH als zulässig erachteten Rahmen hält (dazu nachfolgend bb).

aa) Die Antragsgegnerin und der Beigeladene weisen im Ausgangspunkt zu Recht darauf hin, dass es sich bei der Verbandsversammlung um ein Organ des Beigeladenen handelt, so dass Entscheidungen der Verbandsversammlung stets eigene Entscheidungen des Beigeladenen sind. Auch gibt es kein Erfordernis einer Zustimmung der Antragsgegnerin zu Entscheidungen des Beigeladenen, das nach Rn. 49 des EuGH-Urteils die Unabhängigkeit ausschließen würde. Schließlich hat die Antragsgegnerin auch weder die Fachaufsicht über den Bei-geladenen inne noch führt sie die Rechnungsprüfung durch (vgl. § 15 Abs. 2 und 3 der Verbandsordnung sowie die Ausführungen des Beigeladenen auf S. 3 unten des Schriftsatzes vom 30. März 2017, Bl. 771 d. A.). Die formale Argumentation, dass die Entscheidungen der Verbandsversammlung Entscheidungen des Beigeladenen sind, die nicht der Zustimmung der Antragsgegnerin bedürfen und nicht ihrer Fachaufsicht unterliegen, entbindet den Senat aber nicht von der Prüfung, ob das alleinige Stimmrecht des Vertreters der Antragsgegnerin in der Verbandsversammlung bei den Entscheidungen über die sogenannten B-Aufgaben eine – mittelbare – Abhängigkeit des Beigeladenen von der Antragsgegnerin begründet, die einer eigenen Entscheidungsbefugnis i. S. d. vom EuGH aufgestellten Kriterien entgegensteht. Dies ergibt sich auch aus den Ausführungen des EuGH unter Rn. 52 des Urteils, wonach (…) ein solcher Einfluss über ein Organ, etwa eine aus Vertretern der zuvor zuständigen Gebietskörperschaften bestehende Verbandsversammlung, ausgeübt werden (…) kann. Hieraus folgt, dass der Senat der Prüfung der eigenen Entscheidungsbefugnis nicht schon deshalb enthoben ist, weil es sich bei der Verbandsversammlung um ein eigenes Organ des Beigeladenen handelt.
bb) Die vom Senat durchzuführende Prüfung der Einwirkungsmöglichkeiten der Antragsgegnerin auf den Beigeladenen hat anhand der aktuellen Verbandssatzung des Beigeladenen zu erfolgen – dazu nachfolgend (1) -, die auch dem EuGH bei seiner Entscheidung vorlag. Auf der Grundlage der aus dieser Entscheidung folgenden Vorgaben stellen die konkrete Ausgestaltung der Verbandsordnung und insbesondere die Beteiligungsrechte der Antragsgegnerin gemäß §§ 7 und 8 einen noch zulässigen „Einfluss über ein Organ“, nämlich das Organ der Verbandsversammlung, dar – dazu nachfolgend (2) -.
(1) Der Senat stellt – wie auch der EuGH – bei der Prüfung der eigenen Entscheidungsbefugnis des Beigeladenen auf die aktuelle Fassung der Verbandsordnung ab, weil es für die von der Antragstellerin geltend gemachte Ausschreibungspflicht auf die derzeitige Rechtslage ankommt. Danach ist die Verbandsversammlung gemäß § 8 Nr. 6 der Verbandsordnung insbesondere zuständig für Angelegenheiten, über die nach den Vorschriften des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes die Vertretung oder der Hauptausschuss beschließt und solche, die nicht gemäß § 11 der Verbandsgeschäftsführerin oder dem Verbandsgeschäftsführer obliegen. Diese Regelung begründet i. V. m. § 58 NKomVG eine weitreichende Zuständigkeit der Verbandsversammlung u. a. für die grundlegenden Ziele der Entwicklung, Richtlinien, nach denen die Verwaltung geführt werden soll, Satzungen und Verordnungen, die Erhebung öffentlicher Abgaben und Umlagen, die Festlegung allgemeiner privatrechtlicher Entgelte, die Haushaltssatzung, den Wirtschaftsplan sowie den Jahresabschluss. Die Neufassung der Verbandsordnung nach Erlass des Vorlagebeschlusses vom 17. Dezember 2014 hat insoweit – außer der Angleichung der Verweisung auf das NKomVG anstelle der NGO – keine Änderungen ergeben. Inhaltliche Grundlage der vom Senat durchzuführenden Prüfung ist daher derselbe Sach-verhalt, der auch dem EuGH zum Zeitpunkt des Urteils vom 21. Dezember 2016 bekannt war. Neue Umstände oder Unterlagen, die über den Regelungsgehalt der Verbandsordnung hinaus bei der Prüfung der vom EuGH aufgestellten Kriterien Berücksichtigung finden könnten, haben die Parteien nicht vorgetragen bzw. vorgelegt.
(2) In Kenntnis der vorgelegten Verbandsordnung des Beigeladenen und insbesondere der Regelung in deren § 8 Nr. 6, hat der EuGH in Rn. 52 des Urteils vom 21. Dezember 2016 zu der eigenen Entscheidungsbefugnis weiter ausgeführt: Wie der Generalanwalt in Nr. 56 seiner Schlussanträge festgestellt hat, bedeutet eine solche Handlungsfreiheit nicht, dass die neuerdings zuständige Einrichtung jeglicher Einflussnahme durch eine andere öffentliche Einrichtung entzogen sein müsste. Eine Einrichtung, die eine Kompetenz überträgt, kann ein gewisses Überwachungsrecht für die mit dieser öffentlich-rechtlichen Dienstleistung verbundenen Aufgaben behalten. Ein solcher Einfluss schließt jedoch grundsätzlich jede Einmischung in konkrete Modalitäten der Durchführung der Aufgaben, die unter die übertragene Kompetenz fallen, aus. In einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens kann ein solcher Einfluss über ein Organ, etwa eine aus Vertretern der zuvor zuständigen Gebietskörperschaften bestehende Verbandsversammlung, ausgeübt werden. In der Nr. 56 der Schlussanträge des Generalanwalts heißt es insoweit: Jedoch verlangt dieses Erfordernis im Fall einer Kompetenzübertragung betreffend die Erfüllung einer öffentlichen Aufgabe nicht notwendigerweise, dass eine Gebietskörperschaft, die solche Befugnisse auf eine neue Einrichtung überträgt, keine Beziehung zu dieser haben darf. Aufgrund der politischen Verantwortung, die die Gebietskörperschaft gegenüber ihren Bürgern im Hinblick auf die Erfüllung der öffentlichen Aufgabe auf ihrem Gebiet hat, erscheint es mir zulässig, dass sie einen gewissen Einfluss auf die neue Einheit behält, den man als Kontrolle „politischer Art“ qualifizieren könnte. Damit es sich um eine echte Kompetenzübertragung handelt, dürfen dem übertragenden Hoheitsträger jedoch keine Befugnisse im Zusammenhang mit der konkreten Ausführung der öffentlichen Aufgabe verbleiben. Bezogen auf den konkreten Fall hat der Generalanwalt in Nr. 68 seiner Schlussanträge weiter ausgeführt: Drittens ist auf der Grundlage der sich aus den Akten ergebenden Informationen prima facie davon auszugehen, dass der Zweckverband nicht nur über Finanzautonomie verfügt, sondern auch bei der Ausführung der ihm übertragenen öffentlichen Aufgaben und insbesondere bei seiner Tätigkeit im Bereich der Abfallentsorgung vollständig autonom ist. Zwar ist insoweit in Übereinstimmung mit den Vorbringen von Remondis und der Kommission festzustellen, dass die Region H. nach § 7 der Verbandsordnung des Zweckverbands in der Versammlung vertreten wird und allein die Vertreter dieser Region bei einer Abstimmung über Aufgaben, die ausschließlich die Tätigkeit der Abfallentsorgung betreffen, stimmberechtigt sind. Jedoch folgt offenkundig aus § 8 dieser Verbandsordnung, dass die Befugnisse der Versammlung nicht die konkrete Ausführung der öffentlichen Aufgaben betreffen, sondern auf institutionelle oder die Befolgung des Gesetzes betreffende Fragen beschränkt sind. Ein derartiger Einfluss scheint aber mehr der in Nr. 56 der vorliegenden Schlussanträge erwähnten Kontrolle „politischer Art“ nahezukommen als einer Einflussnahme auf strategische Zielsetzungen oder auf bedeutende Entscheidungen des Zweckverbands im Zusammen-hang mit der Ausführung von in seinen Zuständigkeitsbereich fallenden öffentlichen Aufgaben. Es ist jedoch Sache des vorlegenden Gerichts, zu prüfen, ob dies der Fall ist und ob der Zweckverband tatsächlich über eine voll-ständige Autonomie bei der Ausführung der in Rede stehenden öffentlichen Aufgaben verfügt und dabei nicht von der Genehmigung durch die Region H. abhängt.

(a) Die vorstehenden Äußerungen des Generalanwalts und des EuGH sprechen nach Auffassung des Senats dafür, dass die konkrete Ausgestaltung der Verbandsordnung einer Erfüllung der Aufgaben des Beigeladenen mit der notwendigen eigenen Entscheidungsbefugnis nicht entgegensteht. So hat der Generalanwalt in Kenntnis der Regelung in § 8 Verbandsordnung ausgeführt, es scheine sich nur um eine Kontrolle „politischer Art“ zu handeln, die die Grenze zu einer unzulässigen Einflussnahme nicht überschreite. Auch der EuGH hat unter Bezugnahme auf die Schlussanträge des Generalanwalts von einer Zulässigkeit „gewisser Überwachungsrechte“ gesprochen, die noch keine „Einmischung in konkrete Modalitäten der Durchführung der Aufgaben, die unter die übertragene Kompetenz fallen“, darstellt. Damit unterscheidet sich der vorliegende Fall – wie auch der EuGH in Rn. 50 des Urteils betont – deutlich von der Konstellation in der Rechtssache P… (Urteil vom 13. Juni 2013, C-386/11), in der sich die übertragende Stelle vorbehalten hatte, die Erfüllung der fraglichen Aufgaben zu kontrollieren und für den Fall der Schlechterfüllung ein Sonderkündigungsrecht auszuüben. Anders als im dortigen Fall kann die Antragsgegnerin – über die vorgenannten Befugnisse ihres Vertreters in der Verbandsversammlung hinaus – dem Beigeladenen keine Weisungen hinsichtlich der konkreten Art und Weise der Durchführung der Aufgaben erteilen. Zugleich zeigen die Ausführungen des EuGH in Rn. 18 des Urteils, Nach § 7 der Verbandsordnung besteht die Verbandsversammlung des Zweckverbands RH aus den Hauptverwaltungsbeamten der Region H. und der Landeshauptstadt H., die den Weisungen des von ihnen vertretenen Verbandsmitglieds unterliegen. Diese Vertreter sind in der Versammlung in Bezug auf die Aufgaben stimmberechtigt, die von dem von ihnen vertretenen Verbandsmitglied übertragen wurden dass dem Gerichtshof der Ablauf der Abstimmungsprozesse der Verbandsversammlung und der Einfluss der Antragsgegnerin hierauf durchaus bewusst waren. Auf eben dieser – auch für den Senat maßgeblichen – Grundlage gelangt der EuGH in Rn. 38 zu dem Schluss: Schließlich zeichnet sich die neue Einrichtung durch Unabhängigkeit bei ihrer Arbeitsweise aus, muss aber die Entscheidungen einer aus Vertretern ihrer beiden Gründungskörperschaften bestehenden Verbandsversammlung beachten, die ein Organ dieser Einrichtung und u.a. für die Wahl des Verbandsgeschäftsführers zuständig ist. Diese Ausführungen im Zusammenhang mit dem vorstehend zitierten letzten Satz der Rn. 52 In einer Situation wie der des Ausgangsverfahrens kann ein solcher Einfluss über ein Organ, etwa eine aus Vertretern der zuvor zuständigen Gebietskörperschaften bestehende Verbandsversammlung, ausgeübt werden, sprechen dafür, dass der Einfluss der Antragsgegnerin über die Verbandsversammlung im konkreten Fall der eigenen Entscheidungsbefugnis des Beigeladenen nicht entgegensteht. Gleiches gilt für den Umstand, dass der EuGH die zweite Vorlagefrage des Senats nicht beantwortet hat. Dementsprechend ist das Urteil des EuGH auch in der Literatur überwiegend so verstanden worden, dass der Gerichtshof „das Vorliegen eines öffentlichen Auftrags im Ergebnis verneint“ habe (vgl. Peshteryanu, jurisPR-VergR 1/2017 Anm. 1) bzw. die Gründung des Zweckverbands „unter den Umständen des Ausgangs-falls keinen öffentlichen Auftrag darstellt“ (vgl. Gniechwitz, EuZW 2017, 144) und „auf Basis der klaren Vorgaben des EuGH an der Erfüllung dieser Voraussetzungen kein Zweifel besteht“ (vgl. Portz, Städte- und Gemeinderat 2017, S. 27, 29). (b) Bei der ihm aufgegebenen eigenen Prüfung der Entscheidungsbefugnis des Beigeladenen hat der Senat auch die der Gründung des Zweckverbandes zugrunde liegenden Vorschriften als Ausfluss aus dem Demokratieprinzip berücksichtigt. Insoweit weist der Beigeladene im Ausgangspunkt zu Recht darauf hin, dass die Möglichkeit der Einflussnahme durch die Antragsgegnerin aus Gründen des Demokratieprinzips zwingend erforderlich sei, weil die Entscheidungen inner-halb von Einrichtungen öffentlicher Verwaltung – und damit auch innerhalb eines Zweckverbandes – zumindest mittelbar auf den demokratischen (Orts-)Gesetzgeber rückführbar sein müssten. Insofern entspricht die Verbandsordnung des Beigeladenen den Vorgaben des NKomZG, das auszugsweise auch im Vorlagebeschluss des Senats zitiert worden ist. Insbesondere regelt § 9 Abs. 3 NKomZG: Werden nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Aufgaben nur für einzelne Verbandsmitglieder erfüllt oder wird die Erfüllung der Aufgaben für einzelne Verbandsmitglieder begrenzt, so soll die Verbandsordnung dies bei der Ausgestaltung der Regelungen über die Willensbildung des Verbandes angemessen berücksichtigen. Ferner findet sich in § 13 Satz 1 Nr. 6 NKomZG die Regelung wieder, dass die Verbandsversammlung über Angelegenheiten, über die nach den Vorschriften des Niedersächsischen Kommunalverfassungsgesetzes die Vertretung oder der Hauptausschuss beschließt, entscheidet. Allerdings gilt nach § 13 Satz 2 NKomZG Die Verbandsordnung kann die Beschlussfassung über einzelne der in Satz 1 Nr. 6 genannten Angelegenheiten einem anderen Organ zuweisen; dies gilt nicht für Rechtssetzungsbefugnisse. Zwar dürfte es nach den Vorschriften des NKomZG durchaus möglich sein, die Einflussmöglichkeit des – gemäß § 12 Abs. 2 NKomZG i. V. m. § 138 Abs. 1 Satz 2 NKomVG an die demokratisch zustande gekommenen Anweisungsbeschlüsse gebundenen – Vertreters der Antragsgegnerin teilweise zu begrenzen, etwa indem von der Möglichkeit der Zuweisung von Aufgaben an andere Organe nach § 13 Satz 2 NKomZG Gebrauch gemacht wird. Allerdings können die Rechtssetzungsbefugnisse der Verbandsversammlung (insbesondere auch für die Gebührensatzung) nach dieser Vorschrift nicht auf andere Organe übertragen werden. Ferner muss gemäß § 9 Abs. 3 NKomZG stets die angemessene Berücksichtigung des Willens der Antragsgegnerin hinsichtlich ihrer vormaligen Aufgabe der Abfallentsorgung erfolgen. Deshalb ist für den Regelfall sicherzustellen, dass ihre Stimme bei Entscheidungen über die Erfüllung dieser Aufgabe den Ausschlag gibt (vgl. die Gesetzesbegründung, LT-Drs. 15/340, S. 29 f.; Frankein: Blum/Baumgarten/Freese u.a., Kommunalverfassungsrecht Niedersachsen, Kommentar zum NKomZG, § 9 Rn. 34 und 36), wie es die Verbandsordnung des Beigeladenen in § 7 Abs. 2 vorsieht. Dann aber würde die Argumentation der Antragstellerin in der Tat dazu führen, dass die Gründung eines Zweckverbandes nach dem NKomZG wegen der dort vorgegebenen, aus dem Demokratieprinzip folgenden Einflussmöglichkeiten der übertragenden Stelle gerade keine hinreichende eigene Entscheidungsbefugnis des Verbandes begründen und damit auch keine vergaberechtsfreie Kompetenzübertragung darstellen könnte. Dies widerspricht dem Urteil des EuGH, der die innerstaatliche Neuordnung von Kompetenzen im Schutzbereich von Art. 4 Abs. 2 EUV gerade vom Vergaberecht ausnehmen will.
(c) Nach alledem sieht der Senat die konkrete Ausgestaltung der Verbandsordnung des Beigeladenen noch als zulässigen „Einfluss über ein Organ“ zur Regelung „gewisser Überwachungsrechte“ i. S. d. EuGH-Urteils an. Denn der Einfluss der Antragsgegnerin stellt keine unmittelbare „Einmischung in konkrete Modalitäten der Durchführung der Aufgaben“ dar und ist mit dem vom EuGH abgegrenzten Sachverhalt im Fall P. nicht vergleichbar. Vielmehr sichert der Einfluss der Antragsgegnerin letztlich nur das Erfordernis demokratischer Legitimation der Aufgabenerfüllung durch den Zweckverband und ist damit Ausfluss des kommunalen Selbstverwaltungsrechts gemäß § 28 Abs. 2 GG und der mitgliedstaatlichen Organisationsfreiheit gemäß Art. 4 Abs. 2 EUV, deren Schutz der EuGH mit der Ausnahme der „echten“ Kompetenzübertragung vom Vergabe-recht gerade sicherstellen will. Eine Gefahr der Umgehung der Vergabevorschriften ist im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
c) Die finanzielle Unabhängigkeit des Beigeladenen ergibt sich – wie auch der EuGH und der Generalanwalt ausführen – aus dem Umstand, dass er selbst gemäß § 4 Abs. 5 der Verbandsordnung die Befugnis hat, Gebühren zu erheben. Ferner werden die Verbandsmitglieder nach § 16 der Verbandsordnung zu jährlich festzusetzenden Umlagen herangezogen, soweit die sonstigen Einnahmen des Zweckverbandes zur Bestreitung der Verbandsausgaben (einschließlich der vorgeschriebenen Rücklagen) nicht ausreichen. Damit ist die notwendige Umverteilung der für die Ausübung der Kompetenz notwendigen Mittel erfolgt, die angesichts der eigenen Entscheidungsbefugnis des Beigeladenen nicht in einem synallagmatischen Verhältnis zu einer Gegenleistung des Beigeladenen steht. Soweit die Antragstellerin auch an dieser Stelle wiederum einwendet, die Einflussmöglichkeiten der Antragsgegnerin über die Verbandsversammlung stünden der – auch finanziellen – Unabhängigkeit des Beigeladenen entgegen, gilt das oben zur Voraussetzung „eigene Entscheidungsbefugnis“ Gesagte.

III.
Soweit sich die Antragstellerin mit dem „Hauptantrag zu 3.“ (vgl. S. 38 der Beschwerdeschrift, Bl. 41 d. A.) gegen die Kostenentscheidung der Vergabekammer wendet, hat der Senat bereits im Verfahren 13 Verg 4/12 mit Beschluss vom 5. Juli 2012 darauf hingewiesen, dass es sich nicht um einen Haupt-, sondern um einen Hilfsantrag für den Fall handelt, dass die sofortige Beschwerde mit ihrem (tatsächlichen) Hauptantrag keinen Erfolg hat. Hätte die sofortige Beschwer-de mit dem Hauptantrag Erfolg, wäre nämlich ohnehin auch die Kostenentscheidung der Vergabekammer obsolet. Der – auch im hiesigen Verfahren nur so zu verstehende – Hilfsantrag der Antragstellerin hat teilweise Erfolg. Der Senat hat die Kosten für das Verfahren vor der Vergabekammer auf 16.114,00 Euro festgesetzt. Dies entspricht der Festsetzung im Verfahren 13 Verg 4/12 durch die Vergabekammer, die der Senat im o.g. Beschluss sowie im Beschluss vom 22. November 2012 gebilligt und deshalb auch insoweit die sofortige Beschwerde der Antragstellerin zurückgewiesen hat. Zwar wird die Gebührenentscheidung der Vergabekammer im Beschwerdeverfahren nur auf Ermessensfehler überprüft (vgl. BGH, Beschluss vom 25. Oktober 2011 – X ZB 5/10; OLG Koblenz, Beschluss vom 16. Februar 2016 – 1 Verg 2/02). Die abweichende Festsetzung der Vergabekammer im vorliegenden Verfahren auf 50.000,- Euro stellt sich jedoch als ermessenfehlerhaft dar, weil es sich um exakt die gleiche Fallkonstellation handelt wie im Verfahren 13 Verg 4/12 und nachvollziehbare Gründe für eine höhere Wertbemessung nicht ersichtlich sind. Danach ist der Auftragswert im hiesigen Verfahren nicht mit 172 Mio. Euro, sondern wie im Vorverfahren lediglich mit 28 Mio. Euro zu bemessen, auch wenn die Antragstellerin – wie bereits im Verfahren 13 Verg 4/12 – beantragt hat, die Unwirksamkeit der Übertragung der Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgers (insgesamt) festzustellen. Maßgeblich für die Wertbemessung ist das wirtschaftliche Interesse der Antragstellerin an der hypothetischen Ausschreibung. Zur Ermittlung dieses Interesses ist nicht nur der Antrag, sondern auch seine Begründung heranzuziehen. Da die Antragstellerin – wie sich aus der Antragsschrift ergibt – nur ein Interesse daran hat, einen Teil der Entsorgungsdienstleistungen, nämlich den Transport von PPK-Abfällen, selbst zu erbringen, ist auch nur diese hypothetische Bruttoauftragssumme der Berechnung zugrunde zu legen. Da die Antragstellerin insoweit im Nachprüfungsverfahren wiederum keinen konkreten Auftragswert genannt hatte, hätte die Vergabekammer von dem ihr zustehenden Ermessen wie im Vorverfahren durch eine Schätzung des Auftragswertes auf 28 Mio. Euro Gebrauch machen können. Daraus ergibt sich eine Gebühr i. H. v. 21.485,60 Euro (vgl. Beschluss der Vergabekammer vom 4. Mai 2012 – VgK-14/2012 = 13 Verg 4/12). Im Übrigen weist die Beschwerde auch zu Recht darauf hin, dass die Vergabekammer die Gebühr nicht nach § 128 Abs. 3 S. 6 GWB a. F. ermäßigt hat im Hin-blick darauf, dass keine mündliche Verhandlung stattgefunden hat. Dieser Um-stand war im Vorverfahren 13 Verg 4/12 von der Vergabekammer bei der Gebührenfestsetzung mit einer Ermäßigung auf (3/4 x 21.485,60 Euro =) 16.114,20 Euro, gerundet 16.114,00 Euro, berücksichtigt worden. Zwar wäre es möglicherweise vertretbar gewesen, im hiesigen Verfahren einen weiteren Abschlag im Hinblick darauf vorzunehmen, dass das Nachprüfungsverfahren vor der Vergabekammer gegenüber dem Verfahren 13 Verg 4/12 keine wesentlichen neuen rechtlichen Probleme aufwarf. Dass die Vergabekammer insoweit aber keinen Abschlag vorgenommen hat, ist im Hinblick auf den ihr zustehenden weiten Ermessensspielraum von Rechts wegen nicht zu beanstanden.

IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus folgt aus § 120 Abs. 2 i. V. m. § 78 GWB a. F. Die Antragstellerin hat die Kosten ihrer erfolglos gebliebenen sofortigen Beschwerde zu tragen. Billigkeitsgesichtspunkte, die eine abweichende Kostenverteilung rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich. Die Notwendigkeit der Hinzuziehung eines Rechtsanwalts ist im Beschwerdeverfahren – ohnehin ein Anwaltsprozess – nicht gesondert auszusprechen (vgl. Summa, in: jurisPK, 4. Aufl., § 120 GWB a. F. Rn. 53).

V.
Den Beschwerdewert hat der Senat aus den vorgenannten Gründen – wie im Verfahren 13 Verg 4/12 – gemäß § 50 Abs. 2 GKG auf 1.400.000,00 Euro (= 5 % von 28 Mio. Euro) festgesetzt.