Herausforderung: Von dem vermeidbaren Verlust der Unschuld – damit vergabefrei vergabefrei bleibt

Ax Rechtsanwälte gestalten erfolgreich funktionierende vergaberechtsfreie Vertragsänderungen.

I.

1.
Hier ist eine erste Parallelwertung zur vergaberechtsfreien Beauftragung einer weil: inhousefähigen Gesellschaft eines Verwaltungsträgers und die anschließende vergaberechtlich relevante Anteilsveräußerung durch den Verwaltungsträger angezeigt. Obwohl die Anteilsveräußerung durch einen Verwaltungsträger an sich kein vergabepflichtiger Vorgang, kein öffentlicher Auftrag ist, sind die Fälle dadurch gekennzeichnet, dass sie einen Beschaffungsbezug aufweisen. Hier wird ein Gesellschaftsanteil an einer Gesellschaft, die bereits mit einer vergabepflichtigen Leistung beauftragt ist, an den privaten Unternehmer veräußert, der als operativer Mitgesellschafter ein eigenes Erfüllungsinteresse an der bestehenden Leistungsbeziehung zwischen Gebietskörperschaft und Gesellschaft besitzt. In diesem Fall kann von einer Anteilsveräußerung mit „eingekapseltem Beschaffungsverhältnis“ gesprochen werden. Von dieser Einschätzung geht auch die vergaberechtliche Beurteilung der PPP-Modelle im „Grünbuch der Kommission zu öffentlich-privaten Partnerschaften und den gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften für öffentliche Aufträge und Konzessionen“ vom 30. 4. 2004 (KOM [2004] 327 endg.) aus.

2.
Hier ist eine zweite Parallelwertung zur vergaberechtsrelevanten Ergänzung eines Bestandsvertrages angezeigt (OLG Celle, Beschluss vom 29.10.2009 – 13 Verg 8/09). Der Antragsgegner hatte die Leistungen der Müll und Wertstoffabfuhr von 2008 bis 2016 mit Bekanntmachung vom 29. Juni 2006 europaweit ausgeschrieben. Bestandteil der ausgeschriebenen Leistungen waren dabei die Abfuhr von Altpapier im Rahmen einer vierwöchigen Straßensammlung (Bündelsammlung) sowie die Gestellung von 120 Depotcontainern. Für den Bereich Gewerbe, Handel, Heime, Mehrfamilienhausbebauung und Freizeiteinrichtungen wurde die Sammlung durch ein Holsystem mittels 240l bis 1.100 l. Behälter ergänzt. Das leistungsbezogene Entgelt für die PPK Abfuhr bemaß sich nach der abgefahrenen Menge der PKK-Abfälle. Vor dem Hintergrund der Entscheidung des OVG Niedersachsen vom 24. Januar 2008, wonach neben der öffentlich-rechtlichen Entsorgung grundsätzlich auch eine gewerbliche Altpapiersammlung für zulässig erachtet wurde, und der von der Antragstellerin am 22. Februar 2008 angezeigten eigenen gewerblichen Sammlung wies der Kreisausschuss des Antragsgegners am 3. März 2008 seine Vertreter in der Gesellschaftsversammlung der Beigeladenen an, in der für denselben Tag anberaumten Sitzung der flächendeckenden Einführung angemieteter blauer Tonnen zuzustimmen, was diese einstimmig umsetzte. Am 3. März 2009 verabschiedete der Kreistag die auf der Nachtragskalkulation der Beigeladenen vom 13. Oktober 2008 über angefallene Zusatzkosten „blaue Tonne“ basierende Kalkulation der Müll und Wertstoffabfuhr für 2009 vom 20. Januar 2009. Zwischenzeitlich – mit Schreiben vom 15. Juli 2009 – akzeptierte der Antragsgegner die bereits in der vorgenannten Kalkulation berücksichtigte Änderung der Vergütungsstruktur und die daraus resultierende Erhöhung des Entgelts um ca. 190.000 € jährlich zu Gunsten der Beigeladenen. Mit Beschluss vom 11. Juni 2009 hat die Vergabekammer den in erster Linie auf Ausschreibung der streitgegenständlichen Entsorgungsleistungen der Sammlung von PPK von privaten Haushalten, hilfsweise auf Untersagung einer Änderung zu Gunsten der Beigeladenen des im bezuschlagten Entsorgungsvertrag vorgesehenen Entgelts gerichteten Nachprüfungsantrag der Antragstellerin als unzulässig zurückgewiesen. Zur Begründung hat die Vergabekammer vorrangig ausgeführt, dass die Beigeladene auch die mit dem flächendeckenden Einsatz der blauen Tonne anfallenden Leistungen im Rahmen des ursprünglich abgeschlossenen Entsorgungsvertrages erbringe. Selbst wenn man die am 3. März 2008 vereinbarte Einführung der blauen Tonne als eine vergaberechtspflichtige Änderung ansehe, handele es sich um eine zulässige Direktvergabe, weil die Voraussetzungen für eine Anfechtung von sog. Defacto-Vergaben mangels eines für den Antragsgegner erkennbaren Interesses der Antragstellerin an der Auftragsvergabe nicht vorlägen. Daher könne dahin stehen, ob die Voraussetzungen eines InHouse-Geschäfts gegeben seien. Das erscheine zweifelhaft, weil die Beigeladene über ihre Tochtergesellschafter nicht unerhebliche Drittumsätze erziele. Mit ihrer am 24. Juni 2009 beim Oberlandesgericht Celle eingegangenen sofortigen Beschwerde wendet sich die Antragstellerin gegen diese Entscheidung der Vergabekammer.

Das OLG Celle verpflichtet den Antragsgegner, die Entsorgungsdienstleistung der Sammlung von Altpapier aus privaten Haushalten durch Einführung eines Holsystems in Form der blauen Tonne in seinem Gebiet nicht ohne ein rechtmäßiges europaweites Vergabeverfahren zu vergeben. Diesbezüglich bereits abgeschlossene Entsorgungsverträge sind nichtig.

„…
b) Bei der Änderung, des ursprünglichen Entsorgungsvertrages dahingehend zukünftig auch blaue Tonnen für die Sammlung des Altpapiers einzusetzen, handelt es sich um die Vergabe eines öffentlichen Auftrags i. S. des § 99 Abs. 1 GWB.
aa) Ohne Erfolg berufen sich Antragsgegner und Beigeladene darauf, dass die Einführung der „blauen Tonnen“ keine vergaberechtspflichtige Änderung des bestehenden Entsorgungsvertrages darstelle, sondern eine Vertragsanpassung bedeute, die sich innerhalb der von der Rechtsprechung gezogenen Grenzen zur Ausschreibungspflicht von Vertragsänderungen halte.
(1) Grundsätzlich können auch Vertragsänderungen eine Ausschreibungspflicht begründen (vgl. Kulartz/Duikers, VergabeR 2008, 728 ff.. Eschenbruch, in: Kulartz/Kus/Portz, Kommentar zum GWB-Vergaberecht, § 99 Rdnr. 67 ff.). Der EuGH hat insoweit in seinem Urteil vom 19. Juni 2008 (C454/06, NJW 2008, 3341 ff. – pressetext Nachrichtenagentur GmbH/Republik Österreich u.a.) ausgeführt, dass Änderungen der Bestimmung eines öffentlichen Auftrags während seiner Geltungsdauer als Neuvergabe des Auftrags anzusehen sind, wenn sie wesentliche andere Merkmale aufweisen als der ursprüngliche Auftrag und damit den Willen der Parteien zur Neuverhandlung wesentlicher Bestimmungen dieses Vertrages erkennen lassen (NJW 2008, 3341, 3342 Tz. 34). Die Änderung eines öffentlichen Auftrags während seiner Laufzeit kann danach als wesentlich angesehen werden, wenn:

sie Bedingungen einführt, die die Zulassung anderer als der ursprünglich zugelassenen Bieter oder die Annahme eines anderen als des ursprünglich angenommenen Angebots erlaubt hätten, wenn sie Gegenstand des ursprünglichen Vergabeverfahrens gewesen wären (Tz. 35),
sie den Auftrag in größerem Umfang auf ursprünglich nicht vorgesehene Dienstleistungen erweitert (Tz. 36), sie das wirtschaftliche Gleichgewicht des Vertrages in einer im ursprünglichen Auftrag nicht vorgesehenen Weise zugunsten des Auftragnehmers ändert (Tz. 37).
(2) Gemessen an diesen vom EuGH sowie von der nationalen Rechtsprechung (vgl. OLG Düsseldorf, Beschlüsse vom 20. Juni 2001 – Verg 3/01, NZBau 2001, 696, 700 und vom 8. Mai 2002 – VIIVerg 815/01, zitiert nach JURIS Tz. 53, OLG Thüringen, VergabeR 2004, 113, 115 f.) aufgestellten Kriterien ist die beschlossene Einführung der blauen Tonne als eine vergaberechtlich relevante Änderung des ursprünglichen Entsorgungsvertrages anzusehen.
Die Einführung des Holsystems „blaue Tonne“ erfüllt bereits die erste vom EuGH für die Annahme einer wesentlichen und damit vergaberechtlich relevanten Änderung gebildete Fallgruppe der Wettbewerbsrelevanz (vgl. Urteil vom 19. Juni 2008 – C454/06 a.a.O., Tz.35), weil damit Bedingungen eingeführt werden, die die Zulassung anderer als der ursprünglich zugelassenen Bieter oder die Annahme eines anderen als des ursprünglich angenommenen Angebots erlaubt hätten, wenn sie Gegenstand des ursprünglichen Vergabeverfahrens gewesen wären.

In jedem Fall stellt die Einführung der blauen Tonne eine wesentliche Auftragserweiterung dar. Der dagegen erhobene Einwand, dass durch die Änderung keine neue Dienstleistung hinzugekommen sei, weil die Beigeladene weiterhin die PPK privater Haushalte einsammelt und diese an die vereinbarte Zielanlage übergibt, greift zu kurz und berücksichtigt die im Einzelnen unter Ziffer 3.4. des Entsorgungsvertrages geregelten Leistungspflichten der Beigeladenen nicht. Aus ihnen ergibt sich, welche konkreten Leistungen Gegenstand des vertraglich vereinbarten Leistungsumfangs sein sollten. Dazu gehörte neben der Straßensammlung zwar auch ein Holsystem in Gestalt von bereit gestellten 240 l bis 1.100 l fassenden Depotcontainer. Diese sollten aber nur in dem Bereich Gewerbe, Handel, Heime, Mehrfamilienhausbebauung und Freizeiteinrichtungen eingesetzt werden. Ein Holsystem in Form von auf Wunsch bereit gestellten blauen Tonnen, durch die das Einsammeln von PPK bei jedem Grundstückseigentümer vor Ort erfolgen sollte, wird dagegen in den detailliert beschriebenen vertraglichen Leistungspflichten an keiner Stelle erwähnt. Allein das spricht für die Annahme einer substanziell anderen Leistung (a.A. VK Brandenburg, Beschluss vom 17. Juni 2008 – VK 13/08, a.a.O. lediglich „andere Sammelvorrichtung“). Auch der Umstand, dass diese Form der Sammlung im Vergleich zu dem bislang vertraglich vereinbarten System für den Bürger wesentlich komfortabler und bequemer ausgestaltet ist und deshalb, wie sich aus den quantitativen Verschiebungen zugunsten des Holsystems „blaue Tonne“ ergibt, von der L. Bevölkerung entsprechend positiv angenommen wurde, belegt anschaulich, dass die Einführung der blauen Tonne als eine wesentliche Auftragserweiterung anzusehen ist. Zudem erfordert dieses Holsystem – wie bereits dargestellt – verschiedene technische Anpassung, eine Aufstockung des Fuhrparks und weiteres Personal, was ebenfalls für einen anderen Leistungsgegenstand spricht.

Dass eine vergaberechtlich relevante Vertragsänderung vorliegt, zeigt sich schließlich an der von der Beigeladenen wegen der Einführung der blauen Tonne mit Schreiben vom 13. Oktober 2008 in einer Nachtragskalkulation angebotenen und von dem Antragsgegner mit Schreiben vom 15. Juli 2009 akzeptierten Änderung der Vergütungsstruktur und der daraus resultierenden Erhöhung des Entgelts um ca. 190.000 € netto jährlich zu Gunsten der Beigeladenen. Diese war schon in der am 3. März 2009 vom Kreistag verabschiedeten und auf der vorgenannten Nachtragskalkulation der Beigeladenen über die angefallenen Zusatzkosten für die Einführung der „blauen Tonne“ basierenden Kalkulation der Müll und Wertstoffabfuhr des Antragsgegners für 2009 in Aussicht gestellt worden. Die Entgelterhöhung sowie die damit einhergehende Umgestaltung der Vergütungsstruktur (Erhöhung der Einheitspreise zu Pos. 4.1. „Abfuhr Straßensammlung“ um beinahe das Doppelte von 29,50 auf 55,54 € und Umstellung der Pos. 4.2. „Gestellung und Abholung von Depotcontainer“ vom Einheits auf einen Pauschalpreis von 4.570 €/Monat bei einer Papiermenge kleiner als 2.400 t) des ursprünglichen Entsorgungsvertrages sind erhebliche Preisänderungen und belegen ebenfalls, dass es sich bei den streitgegenständlichen Leistungen um eine neue Auftragsvergabe i. S. der Richtlinie 92/50/EWG des Rates vom 18. Juni 1992 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Dienstleistungen handelt. Denn der Preis ist eine wesentliche Bedingung eines öffentlichen Auftrags (EuGH, 3. Kammer, Urteil vom 19. Juni 2008 – C458/06, NJW 2008, 3341, 3344 Tz. 59 – Pressetext Nachrichtenagentur GmbH/Republik Österreich u. a.). Überschreitet der absolute Wert der Vertragsänderung den maßgeblichen Schwellenwert, ist der Anwendungsbereich des Vergaberechts grundsätzlich bereits deswegen eröffnet (so auch Kulartz/Duikers, VergabeR 2009, 728, 734). Das ist hier der Fall, weil der absolute Wert der Vertragsänderung umgerechnet auf die gesamte Vertragslaufzeit bis einschließlich 2016 mit über 1.500.000 € zu beziffern ist und damit den Schwellenwert isoliert betrachtet eindeutig übersteigt. Zudem stellt eine jährliche Entgelterhöhung in Höhe von ca. 12 % des gesamten Entgeltbetrages eine Größenordnung dar, bei der regelmäßig eine Änderung des wirtschaftlichen Gleichgewichts des Vertrages in einer im ursprünglichen Auftrag nicht vorgesehenen Weise zugunsten des Auftragnehmers anzunehmen ist, die die Gefahr eines Verstoßes gegen die Grundsätze der Transparenz und der Gleichbehandlung der Bieter in sich birgt (so auch: Kulartz/Duikers, VergabeR 2009, 728, 734 f.). Eine andere Beurteilung wäre ausnahmsweise nur dann möglich, wenn die Preisänderung während der Laufzeit des Auftrages nach den Bestimmungen des ursprünglichen Auftrags ausdrücklich erlaubt ist (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2008 C454/06, a. a. O. Tz. 60). Ein solcher Ausnahmefall ist vorliegend jedoch nicht gegeben: Nach § 14 Abs. 3 der „Besonderen Vertragsbedingungen“ des Entsorgungsvertrages gelten bei „anderen wesentlichen Änderungen der Leistung, etwa aufgrund von … oder anderer Beschlüsse des Kreistages des Landkreises L., bezüglich Vertragsanpassungen/Preisanpassungen die gesetzlichen Vorschriften, insbesondere § 2 VOL/B (…)“. Eine solche wesentliche Vertragsänderung stellt aber schon begriffsnotwendig eine vergaberechtlich relevante Änderung dar und ist folglich als Neuvergabe von Leistungen anzusehen. Unabhängig davon sieht § 2 Nr. 3 Satz 1 VOL/B vor, dass ein neuer Preis unter Berücksichtigung der Mehr und Minderkosten zu vereinbaren ist, wenn durch Änderungen in der Beschaffenheit der Leistungen die Grundlagen des Preises für die im Vertrag vorgesehene Leistung geändert werden. Darunter sind nicht – wie hier – Änderungen von Art und Umfang der Leistungen, sondern qualitative Änderungen in der Sache selbst, wie z. B. ein anderer Ausführungstermin, ein anderer Ort der Leistungserbringung oder eine Veränderung der im Zusammenhang stehenden Rechte sowie alle nach der Verkehrssitte branchenüblichen Nebenleistungen zu verstehen (Müller, in: Daub/Eberstein, Kommentar zur VOL/B, 3. Aufl. § 2 Rdnr. 20 ff.). Die Einführung eines in dem ursprünglichen Entsorgungsvertrag aus dem Jahre 2006 nicht vorgesehenen Holsystems in Form der blauen Tonnen wird davon aber –aus den bereits dargestellten Erwägungen – nicht erfasst.

5. Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht auch nicht entgegen, dass der Antragsgegner die Beigeladene mit der Einführung der blauen Tonnen inzwischen – unterstellt – kommunalrechtlich wirksam beauftragt und eine entsprechende Vergütungsanpassung beschlossen hat.

B. Der Nachprüfungsantrag ist auch begründet.
1. Der Antragsgegner hat gegen die §§ 97 Abs. 1, 100 Abs.1 GWB in Verbindung mit § 4 Abs. 1 VgV und § 3 a Nr. 1 Abs. 1 VOL/A 2. Abschnitt verstoßen, indem er die Einführung der blauen Tonnen ohne förmliches europaweites Vergabeverfahren vergeben hat, obwohl der Schwellenwert gem. § 2 Nr. 3 VgV i. V. m. der Verordnung (EG) Nr. 1422/2007 von 200.000 € überschritten wird.

2. Durch die fehlende Ausschreibung wurde die Antragstellerin in ihrem Recht auf Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren gemäß § 97 Abs. 7 GWB verletzt.“

II.

1.
Hier wäre denkbar, insoweit eine Option vorzusehen. Die Option müsste allerdings bereits jetzt hinreichend konkret („bestimmt“) abgebildet sein. Vertragsänderungen ohne vorheriges Vergabeverfahrens sind nur ausnahmsweise zulässig. Dies ist dann der Fall, wenn aus dem Erstvertrag klar hervorgeht, unter welchen Umständen und in welche Richtung der Vertrag modifiziert werden soll.  Optionen zur Vertragsverlängerung sind somit statthaft, wenn sie hinsichtlich Laufzeit und Anzahl hinreichend bestimmt sind. Das hat die Vergabekammer (VK) Sachsen-Anhalt in einem aktuellen Beschluss vom 16.01.2013 (2 VK LSA 40/12) klargestellt.  Die Vergabestelle schloss 1995 nach erfolgtem Vergabeverfahren einen Vertrag über den Bau und Betrieb einer Energieumwandlungsanlage sowie über die Wärme- und Stromlieferung. Der Vertrag sah unter anderem die Möglichkeit einer Verlängerung im beiderseitigen Einvernehmen der Vertragsparteien um ein Jahr vor Vertragsende vor. Bei der Vergabestelle kam es 2010 zu einer Änderung des Energiebedarfs. Sie beabsichtigte daher das Vertragswerk entsprechend abzuändern. Die spätere Antragstellerin unterbreitete der Vergabestelle in den Jahren 2010 und 2011 jeweils ein Richtpreisangebot über die Lieferung von Wärme. Auch die Rechtsnachfolgerin des ursprünglichen Vertragspartners reichte ein Angebot über eine künftige Wärme-und Stromversorgung ein. Dieses führte letztlich 2012 zu Verträgen über die Wärme- und Stromlieferung mit Laufzeiten bis 2027. Gegen den Vertragsabschluss als unzulässige De facto-Vergabe wandte sich die Antragstellerin mit einem Nachprüfungsverfahren.  „Vertragsverlängerung um zehn Jahre hätte im ursprünglichen Vergabeverfahren zu anderen Angeboten geführt“  Mit Erfolg. Die Kammer stellt fest, dass die Verträge aufgrund einer unzulässigen de-facto-Vergabe gemäß § 101b Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) unwirksam sind. Die Verträge seien als öffentlicher Auftrag zu qualifizieren und im Wege eines förmlichen Verfahrens zu vergeben. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Verträge nach dem Willen der Parteien eigenständigen Charakter gehabt hätten. Zwar seien die alten Verträge in die neuen Verträge übergegangen. Es hätten jedoch ausschließlich die Regelungen und Bestimmungen der neuen Verträge gelten sollen. Etwas anderes gelte aber auch dann nicht, so die Kammer, wenn man die Verträge als Anpassung der ursprünglichen Verträge nebst Verlängerung der Vertragslaufzeit ansehe. In diesem Fall hätten die Vertragsparteien den originären Vertrag wesentlich abgeändert. Von einer wesentlichen Änderung sei – mit dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) – auszugehen, wenn die Änderung die Annahme eines anderen als des ursprünglich angenommenen Angebots erlaubt hätte, sofern sie Gegenstand des ursprünglichen Vergabeverfahrens gewesen wäre. Das sei hier der Fall, da eine Verlängerung um weitere 10 Jahre dazu geführt hätte, dass die Bieter in einem Vergabeverfahren für den originären Vertrag eine andere Preisgestaltung vorgenommen hätten. „Verlängerungsoption ist zu unbestimmt, sie kann Vertragsänderung nicht rechtfertigen“  Auch die vereinbarte Verlängerungsoption sei zu unbestimmt und könne daher kein anderes Ergebnis stützen. Die Vertragsparteien hätten nicht geregelt, über welchen Zeitraum der Vertrag verlängert werden könne. Sie hätten auch nicht vereinbart, in welcher Anzahl von Vertragsverlängerungsoptionen Gebrauch gemacht werden könne. Eine Verlängerung sei hier zudem nur nach einer beiderseitigen Einvernehmens der Parteien möglich gewesen. Die Verlängerung stelle sich daher nicht nur als unbedeutende Erweiterung der bisherigen Vertragsbeziehung dar, sondern komme wirtschaftlich dem Abschluss eines neuen Vertrages gleich.

2.
Hier wäre denkbar, eine Rahmenvereinbarung zu schließen, die dann durch individualisierende Einzelvereinbarungen ausgefüllt wird. Die individualisierende Einzelvereinbarung müsste allerdings bereits jetzt hinreichend konkret abgebildet sein.

Mit der Vergabe von Rahmenvereinbarungen verbindet sich für öffentliche Auftraggeber die attraktive Möglichkeit, mehrere Einzelaufträge zu bündeln. Die Vergabe der Einzelaufträge erfolgt nach Maßgabe der in der Rahmenvereinbarung geregelten Bedingungen im Wege eines privilegierten Verfahrens.  Öffentliche Auftraggeber müssen die wesentlichen, nicht aber sämtliche Bedingungen für die Vergabe der Einzelaufträge mit Abschluss der Rahmenvereinbarung festlegen. Bei der Vergabe singulärer Rahmenvereinbarungen werden die Einzelaufträge, die auf der Rahmenvereinbarung beruhen, entsprechend den Bedingungen der (wirksamen) Rahmenvereinbarung und damit weitgehend formlos vergeben (vgl. § 4 Abs. 3 S. 1 VOL/A-EG). Sofern die Rahmenvereinbarung noch nicht alle Bedingungen für die Vergabe der Einzelaufträge festlegt (singuläre infinite Rahmenvereinbarungen), führt der Auftraggeber gemäß § 4 Abs. 3 S. 2 VOL/A-EG ein Konsultationsverfahren zur Vervollständigung der Bedingungen der Rahmenvereinbarungen durch. Die Vervollständigung darf allerdings nicht dazu führen, dass sich die Bedingungen zur Vergabe der Rahmenvereinbarungen nachträglich wesentlich ändern. Denn bei wesentlicher Änderung würde der Auftraggeber ein Aliud, eine andere Leistung, beschaffen. Diese wäre nicht mehr von der abgeschlossenen Rahmenvereinbarung gedeckt und müsste daher neu ausgeschrieben werden (vgl. EuGH, Urteil vom 19.06.2008, Rs. C-454/06-Pressetext).