Neue kommunale Herausforderungen praxisgerecht meistern – auch ohne Vergaberecht oder zumindest mit weniger Vergaberecht Gemeinsam handeln – Mehrwerte nutzen
von Thomas Ax
Thomas Ax ist seit mehr als 20 Jahren erfolgreicher anwaltlicher Vergaberechtspraktiker. Thomas Ax ist Gründungspartner und Inhaber von Ax Rechtsanwälte. Ax Rechtsanwälte beraten ausschließlich in Sachen Öffentliches Vergaberecht und Vertragsrecht für Öffentliche Auftraggeber und Unternehmen. Ax berät mit einem multiprofessionellen Team in anwaltlich-rechtlicher Hinsicht, aber auch umfassend, d.h. auch strategisch, technisch-fachlich, betriebswirtschaftlich in Bezug auf die beabsichtigte Durchführung anspruchsvoller Vergabeverfahren bzw. in Bezug auf die Erarbeitung und Umsetzung erfolgversprechende Beteiligungsstrategien an ebensolchen Vergabeverfahren. Ax berät rund um die Beauftragung und Erbringung von Bau-, Liefer- und Dienstleistungen auf Grundlage des in der anwaltlichen Praxis erprobten, ganzheitlichen Ansatzes Vergabe- und Vertragsmanagement, kurz: VergMan® und Vertragsmanagement, kurz: VertragsMan Bauleistungen, Lieferleistungen, Dienstleistungen. Seit 1993 mehr als 5000 erfolgreiche Vergabeverfahren, seit 1999 mehr als 250 erfolgreiche Nachprüfungsverfahren. Ax: Seit 1993 mehr als 1000 Fachbeiträge in Fachzeitschriften zu vergaberechtlichen, baurechtlichen und architektenrechtlichen Zeitschriften, Verfasser von mehr als 70 Handbüchern, Leitfäden, Kommentaren, Herausgeber von zahlreichen Fachzeitschriften.
I. Interkommunale Kooperationen nutzen
Auch das neue Vergaberecht, vgl. § 108 Abs. 6 GWB neu, ist nicht anzuwenden auf Verträge, die zwischen zwei oder mehreren öffentlichen Auftraggebern im Sinne des § 99 Nummer 1 bis 3 GWB neu geschlossen werden, wenn 1. der Vertrag eine Zusammenarbeit zwischen den beteiligten öffentlichen Auftraggebern begründet oder erfüllt, um sicherzustellen, dass die von ihnen zu erbringenden öffentlichen Dienstleistungen im Hinblick auf die Erreichung gemeinsamer Ziele ausgeführt werden, 2. die Durchführung der Zusammenarbeit nach Nummer 1 ausschließlich durch Überlegungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse bestimmt wird und 3. die öffentlichen Auftraggeber auf dem Markt weniger als 20 Prozent der Tätigkeiten erbringen, die durch die Zusammenarbeit nach Nummer 1 erfasst sind.
Im Einzelnen:
§108 Absatz 6 GWB neu betrifft die Zusammenarbeit zwischen zwei oder mehr öffentlichen Auftraggebern auf horizontaler Ebene (oftmals auch interkommunale Kooperation genannt) und dient der Umsetzung des Artikel 12 Absatz 4 der Richtlinie 2014/24/EU. Anders als in den Absätzen 1 bis 5 fehlt es in diesen Fällen an einem Über-/Unterordnungsverhältnis und der damit verbundenen Kontrolle des Auftraggebers über den Auftragnehmer. Stattdessen soll § 108 Absatz 6 öffentlichen Auftraggebern die Möglichkeit einräumen, öffentliche Dienstleistungen unter bestimmten Voraussetzungen gemeinsam im Wege der Zusammenarbeit zu erbringen, ohne dass das Vergaberecht zur Anwendung kommt.
Aufträge für die gemeinsame Erbringung öffentlicher Dienstleistungen sollen nach § 108 Absatz 6 GWB neu dann von der Anwendung des Vergaberechts ausgenommen sein, wenn die Aufträge ausschließlich zwischen öffentlichen Auftraggebern geschlossen werden, die Durchführung dieser Zusammenarbeit ausschließlich von Erwägungen des öffentlichen Interesses bestimmt wird und kein privater Dienstleister einen Vorteil gegenüber seinen Wettbewerbern erhält (siehe im Einzelnen Erläuterungen zu Nummer 1 bis 3). Im Wesentlichen kodifizieren die EU-Richtlinien damit die Rechtsprechung des EuGH (vgl. EuGH, Urteil vom 13.6.2013, Rs. C-386/11, „Piepenbrock“; EuGH, Urteil vom 19.12.2012, Rs. C-159/11, „Lecce“ und EuGH, Urteil vom 9.6.2009, Rs. C-480/06, „Kommission/Deutschland“). Unerheblich ist nach § 108 Absatz 6 GWB neu, ob an den öffentlichen Auftraggebern nach § 99 Nummer 1 bis 3 GWB neu eine private Kapitalbeteiligung besteht. Sofern der Auftrag ausschließlich zwischen öffentlichen Auftraggebern nach § 99 Nummer 1 bis 3 GWB neu geschlossen wird und die übrigen Voraussetzungen des § 108 Absatz 6 Nummer 1 bis 3 GWB neu erfüllt sind, können somit auch öffentliche Auftraggeber mit einer privaten Kapitalbeteiligung die Ausnahmeregelung für die horizontale Zusammenarbeit in Anspruch nehmen. Aus § 108 Absatz 6 Nummer 1 GWB neu ergibt sich, dass öffentliche Auftraggeber grundsätzlich frei sind, ihre öffentlichen Dienstleistungen gemeinsam im Wege der Zusammenarbeit zu erbringen, ohne zur Einhaltung einer bestimmten Rechtsform verpflichtet zu sein. Die Zusammenarbeit ist dabei nicht auf bestimmte Dienstleistungen beschränkt, sondern kann alle Arten von Tätigkeiten erfassen. Die im Wege der Zusammenarbeit erbrachten Dienstleistungen müssen dabei nicht identisch sein, sondern können sich auch ergänzen.
Im Hinblick auf die Anforderung an die Zusammenarbeit zwischen den öffentlichen Auftraggebern bestimmt die Richtlinie 2014/24/EU (Artikel 12 sowie Erwägungsgrund 33), dass die Zusammenarbeit auf einem kooperativen Konzept beruhen muss. Dies erfordert jedoch nicht, dass alle teilnehmenden Stellen die Ausführung wesentlicher vertraglicher Pflichten übernehmen, solange sie sich verpflichtet haben, einen Beitrag zur gemeinsamen Ausführung der betreffenden öffentlichen Dienstleistung zu leisten. Nach § 108 Absatz 6 Nummer 2 GWB neu darf die Zusammenarbeit zwischen den öffentlichen Auftraggebern ausschließlich durch Überlegungen im Zusammenhang mit dem öffentlichen Interesse bestimmt werden. Dies gilt insbesondere auch für etwaige Finanztransfers zwischen den teilnehmenden öffentlichen Auftraggebern. Nach § 108 Absatz 6 Nummer 3 GWB neu dürfen die öffentlichen Auftraggeber auf dem offenen Markt weniger als 20 Prozent der Tätigkeiten erbringen, die durch die Zusammenarbeit nach Nummer 1 erfasst wird. Ähnlich wie durch das Wesentlichkeitskriterium in Absatz 1 Nummer 2 und Absatz 4 Nummer 2 soll damit sichergestellt werden, dass die öffentlich-öffentliche Zusammenarbeit nicht zu Wettbewerbsverzerrungen gegenüber privaten Unternehmen führt.
II. Inhousemodelle können Sinn machen
Grundlage wäre hier § 108 Abs. 1 bis 5 GWB neu. Auch das neue Vergaberecht ist nicht anzuwenden auf die Vergabe von öffentlichen Aufträgen, die von einem öffentlichen Auftraggeber im Sinne des § 99 Nummer 1 bis 3 an eine juristische Person des öffentlichen oder privaten Rechts vergeben werden, wenn 1. der öffentliche Auftraggeber über die juristische Person eine ähnliche Kontrolle wie über seine eigenen Dienststellen ausübt, 2. mehr als 80 Prozent der Tätigkeiten der juristischen Person der Ausführung von Aufgaben dienen, mit denen sie von dem öffentlichen Auftraggeber oder von einer anderen juristischen Person, die von diesem kontrolliert wird, betraut wurde, und 3. an der juristischen Person keine direkte private Kapitalbeteiligung besteht, mit Ausnahme nicht beherrschender Formen der privaten Kapitalbeteiligung und Formen der privaten Kapitalbeteiligung ohne Sperrminorität, die durch gesetzliche Bestimmungen vorgeschrieben sind und die keinen maßgeblichen Einfluss auf die kontrollierte juristische Person vermitteln.
Die Ausübung einer Kontrolle im Sinne von Nummer 1 wird vermutet, wenn der öffentliche Auftraggeber einen ausschlaggebenden Einfluss auf die strategischen Ziele und die wesentlichen Entscheidungen der juristischen Person ausübt.
Das gilt entsprechend, wenn der öffentliche Auftraggeber im Sinne des § 99 Nummer 1 bis 3 über eine juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts zwar keine Kontrolle im Sinne der Nummer 1 ausübt, aber 1. der öffentliche Auftraggeber gemeinsam mit anderen öffentlichen Auftraggebern über die juristische Person eine ähnliche Kontrolle ausübt wie jeder der öffentlichen Auftraggeber über seine eigenen Dienststellen, 2. mehr als 80 Prozent der Tätigkeiten der juristischen Person der Ausführung von
Aufgaben dienen, mit denen sie von den öffentlichen Auftraggebern oder von einer anderen juristischen Person, die von diesen Auftraggebern kontrolliert wird, betraut wurde, und 3. an der juristischen Person keine direkte private Kapitalbeteiligung besteht.
Eine gemeinsame Kontrolle besteht, wenn 1. sich die beschlussfassenden Organe der juristischen Person aus Vertretern sämtlicher teilnehmender öffentlicher Auftraggeber zusammensetzen; ein einzelner Vertreter kann mehrere oder alle teilnehmenden öffentlichen Auftraggeber vertreten, 2. die öffentlichen Auftraggeber gemeinsam einen ausschlaggebenden Einfluss auf die strategischen Ziele und die wesentlichen Entscheidungen der juristischen Person ausüben können und 3. die juristische Person keine Interessen verfolgt, die den Interessen der öffentlichen Auftraggeber zuwiderlaufen
Im Einzelnen:
§108 regelt erstmals den Bereich der von der Anwendung des Vergaberechts ausgenommenen öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit. Damit wird nunmehr gesetzlich Klarheit geschaffen, unter welchen Voraussetzungen zwischen öffentlichen Auftraggebern geschlossene Verträge von der Anwendung des Teils 4 des GWB ausgenommen sind.
Bislang basierten die Vorgaben hierzu auf den von der Rechtsprechung des EuGH entwickelten Grundsätzen. § 108 dient der Umsetzung von Artikel 17 der Richtlinie 2014/23/EU, Artikel 12 der Richtlinie 2014/24/EU und Artikel 28 der Richtlinie 2014/25/EU.
Grundsätzlich soll das Vergaberecht öffentliche Auftraggeber nicht in ihrer Freiheit beschränken, die ihnen übertragenen öffentlichen Aufgaben gemeinsam mit anderen öffentlichen Auftraggebern oder eigenen Unternehmen zu erfüllen. Allerdings ist der Umstand, dass beide Parteien einer Vereinbarung selbst öffentliche Auftraggeber sind, allein nicht ausreichend, um die Anwendung des Vergaberechts auszuschließen. Hierfür müssen vielmehr weitere Voraussetzungen erfüllt sein. Dadurch sollen insbesondere Wettbewerbsverzerrungen im Verhältnis zu privaten Unternehmen vermieden werden. Über Art und Umfang herrschte bislang allerdings mangels gesetzlicher Regelungen oftmals Ungewissheit.
Die neuen EU-Vergaberichtlinien schaffen insofern durch die neuen Vorschriften zur öffentlich-öffentlichen Zusammenarbeit Rechtssicherheit für öffentliche Auftraggeber und Auftragnehmer. Im Wesentlichen wird damit die Rechtsprechung des EuGH kodifiziert.
Im Rahmen der Umsetzung ins deutsche Recht sollen die europäischen Vorgaben möglichst eins-zu-eins übernommen werden.
§108 unterscheidet entsprechend der Vorgaben der EU-Richtlinien grundsätzlich zwischen der Zusammenarbeit auf vertikaler und horizontaler Ebene. Während die Zusammenarbeit auf vertikaler Ebene die verschiedenen Inhouse-Konstellationen betrifft und in den Absätzen 1 bis 5 geregelt ist, ist die horizontale Zusammenarbeit von öffentlichen Auftraggebern (bei Beteiligung von Kommunen oftmals auch interkommunale Kooperation genannt) in Absatz 6 geregelt.
§108 regelt nicht die Fälle, in denen Befugnisse und Zuständigkeiten für die Ausführung öffentlicher Aufgaben zwischen öffentlichen Auftraggebern oder Gruppen von öffentlichen Auftraggebern durch Vereinbarungen, Beschlüsse oder auf anderem Wege übertragen werden, ohne dass insoweit eine Vergütung für vertragliche Leistungen vorgesehen ist.
Diese Fälle unterfallen – ungeachtet der in § 108 geregelten Ausnahmen – von vornherein nicht diesem Teil, da es sich, wie auch Artikel 1 Absatz 6 der Richtlinie 2014/24/EU festhält, um Angelegenheiten der internen Organisation handelt.
§108 Absatz 1 dient der Umsetzung von Artikel 12 Absatz 1 der Richtlinie 2014/24/EU und betrifft die klassischen Inhouse-Konstellationen, in denen ein öffentlicher Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3 eine von ihm kontrollierte juristische Person des privaten oder öffentlichen Rechts beauftragt. Die Voraussetzungen hierfür finden sich in den Nummern 1 bis 3.
Gemäß § 108 Absatz 1 Nummer 1 ist zunächst erforderlich, dass der öffentliche Auftraggeber über die juristische Person eine ähnliche Kontrolle wie über seine eigenen Dienststellen ausübt. Damit wird die inzwischen langjährige Rechtsprechung des EuGH zum sogenannten Kontrollkriterium übernommen (erstmals EuGH, Urteil vom 18.11.1999, C-107/98, „Teckal“, Rn. 50). Die Ausübung einer Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle wird nach § 108 Absatz 2 vermutet, wenn der öffentliche Auftraggeber einen ausschlaggebenden Einfluss auf die strategischen Ziele und die wesentlichen Entscheidungen der kontrollierten juristischen Person ausübt. Dies entspricht den vom EuGH in seiner Rechtsprechung entwickelten Erfordernissen (ständige Rechtsprechung seit EuGH, Urteil vom 13.10.2005, C-458/03, „Parking Brixen“, Rn. 65; EuGH, Urteil vom 11.5.2006, C-340/04, „Carbotermo“, Rn. 36).
Gemäß § 108 Absatz 1 Nummer 2 ist weiterhin erforderlich, dass die kontrollierte juristische Person mehr als 80 Prozent ihrer Tätigkeiten in Ausführung der Aufgaben ausführt, mit denen sie von dem kontrollierenden öffentlichen Auftraggeber oder von anderen durch diesen öffentlichen Auftraggeber kontrollierten juristischen Personen betraut worden ist.
Damit wird das durch die Rechtsprechung entwickelte Wesentlichkeitskriterium, wonach die beauftragte juristische Person im Wesentlichen für den öffentlichen Auftraggeber tätig sein muss, präzisiert (ständige Rspr. des EuGH seit EuGH, Urteil vom 18.11.1999, C-107/98, „Teckal“, Rn. 50). Bislang bestand im Einzelnen jedoch Unsicherheit über den erforderlichen Umfang der Tätigkeiten, die für den öffentlichen Auftraggeber erbracht werden müssen. Die nun normierte 80-Prozent-Grenze sorgt insofern für Rechtssicherheit.
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Begünstigte der Ausführung des Auftrags der Auftraggeber selbst oder ein davon abweichender Nutzer der Leistungen ist.
§108 Absatz 1 Nummer 3 stellt entsprechend der langjährigen Rechtsprechung des EuGH klar, dass bei einer privaten Beteiligung an der beauftragten juristischen Person eine Inhouse-Vergabe grundsätzlich ausgeschlossen ist (ständige Rechtsprechung seit EuGH, Urteil vom 11.1.2005, C- 26/03, „Stadt Halle“, Rn. 49). Grund dafür ist, dass die Vergabe eines öffentlichen Auftrags ohne Wettbewerbsverfahren einem privaten Unternehmen, das am Kapital der kontrollierten juristischen Person beteiligt ist, einen unzulässigen Vorteil gegenüber seinen Wettbewerbern verschaffen würde.
Ungeachtet einer direkten privaten Kapitalbeteiligung findet Teil 4 keine Anwendung auf eine nicht beherrschende Form der privaten Kapitalbeteiligung und eine Form der privaten Kapitalbeteiligung ohne Sperrminorität, wenn diese gesetzlich vorgeschrieben sind und keinen ausschlaggebenden Einfluss auf die kontrollierte juristische Person vermitteln.
Zu beachten ist zudem, dass § 108 Absatz 1 Nummer 3 allein auf die direkte private Beteiligung an der kontrollierten juristischen Person abstellt. Unschädlich für eine Inhouse-Vergabe ist eine private Kapitalbeteiligung am kontrollierenden öffentlichen Auftraggeber.
Solche Beteiligungen führen in der Regel nicht zu einer nachteiligen Beeinflussung des Wettbewerbs zwischen privaten Unternehmen.
§108 Absatz 2 ist eine Vermutungsregelung hinsichtlich des Kontrollkriteriums im Sinne von Absatz 1 Nummer 1 (siehe Erläuterungen zu § 108 Absatz 1 Nummer 1) und dient der Umsetzung von Artikel 12 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2014/24/EU. Zur besseren Lesbarkeit wird der Unterabsatz 2 in einem gesonderten Absatz 2 umgesetzt.
§108 Absatz 3 erstreckt die erlaubten Inhouse-Vergaben des Absatz 1 auf weitere Konstellationen.
Die erste Alternative betrifft Konstellationen, in denen eine kontrollierte juristische Person einen Auftrag an ihren kontrollierenden öffentlichen Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3 erteilt (Auftrag der Tochter an die Mutter). Die zweite Alternative betrifft Formen der horizontalen Inhouse-Vergabe, in denen eine kontrollierte juristische Person einen Auftrag an eine andere juristische Person vergibt, die von demselben öffentlichen Auftraggeber kontrolliert wird (Auftrag im Schwesternverhältnis). Die Voraussetzungen des Absatz 1 Nummer 1 bis 3 sind in beiden Alternativen entsprechend anzuwenden.
§108 Absatz 2 ist eine Vermutungsregelung hinsichtlich des Kontrollkriteriums im Sinne von Absatz 1 Nummer 1 (siehe Erläuterungen zu § 108 Absatz 1 Nummer 1) und dient der Umsetzung von Artikel 12 Absatz 1 Unterabsatz 2 der Richtlinie 2014/24/EU. Zur besseren Lesbarkeit wird der Unterabsatz 2 in einem gesonderten Absatz 2 umgesetzt.
§108 Absatz 3 erstreckt die erlaubten Inhouse-Vergaben des Absatz 1 auf weitere Konstellationen.
Die erste Alternative betrifft Konstellationen, in denen eine kontrollierte juristische Person einen Auftrag an ihren kontrollierenden öffentlichen Auftraggeber gemäß § 99 Nummer 1 bis 3 erteilt (Auftrag der Tochter an die Mutter). Die zweite Alternative betrifft Formen der horizontalen Inhouse-Vergabe, in denen eine kontrollierte juristische Person einen Auftrag an eine andere juristische Person vergibt, die von demselben öffentlichen Auftraggeber kontrolliert wird (Auftrag im Schwesternverhältnis). Die Voraussetzungen des Absatz 1 Nummer 1 bis 3 sind in beiden Alternativen entsprechend anzuwenden.
§108 Absatz 4 Nummer 3 entspricht der Voraussetzung des Absatz 1 Nummer 3.
§108 Absatz 5 nennt die Voraussetzungen, die kumulativ erfüllt sein müssen, um eine gemeinsame Kontrolle im Sinne des Absatz 4 Nummer 1 zu bejahen.
III.Delegation ist nach wie vor möglich
$108 GWB neu regelt nicht die Fälle, in denen Befugnisse und Zuständigkeiten für die Ausführung öffentlicher Aufgaben zwischen öffentlichen Auftraggebern oder Gruppen von öffentlichen Auftraggebern durch Vereinbarungen, Beschlüsse oder auf anderem Wege übertragen werden, ohne dass insoweit eine Vergütung für vertragliche Leistungen vorgesehen ist.
Diese Fälle unterfallen – ungeachtet der in § 108 geregelten Ausnahmen – von vornherein nicht diesem Teil, da es sich, wie auch Artikel 1 Absatz 6 der Richtlinie 2014/24/EU festhält, um Angelegenheiten der internen Organisation handelt.
Bei einer delegierenden Vereinbarung zwischen den Kommunen überträgt die „abgebende“ Kommune ihre Rechte und Pflichten im Sinne einer kompletten Verantwortungs- und Aufgabenübertragung auf die „übernehmende“ Kommune. Die „abgebende“ Kommune wird in einem derartigen Fall von ihrer Pflicht zur Aufgabenwahrnehmung befreit. Auch bei den delegierenden Vereinbarungen wird überwiegend die Ansicht vertreten, dass dieser Vorgang vergaberechtsfrei ist. Indem bei der delegierenden Vereinbarung ebenso wie beim Zweckverband eine nahezu vollständige Kompetenzübertragung stattfindet, liegt auch in diesem Fall ein vergabefreier rein administrativer Akt vor. Die entsprechende Kommune hat sich vollständig von einer eigenen Beschaffung von Leistungen zurückgezogen. Allerdings ist jeweils im Einzelfall zu prüfen, ob sich die auftraggebende Körperschaft nicht doch in der Vereinbarung so viele Kompetenzen vorbehalten hat, dass von einer echten delegierenden Vereinbarung nicht mehr gesprochen werden kann. Unschädlich sind bloße Informationsrechte.
Lediglich das OLG Naumburg unterstellte in 2 Beschlüssen eine delegierende öffentlich-rechtliche Vereinbarung dem Vergaberecht. Diese Beschlüsse weichen jedoch durch ihre ausgeprägt wettbewerbsrechtliche Positionierung von der überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung und Literatur ab und werden aufgrund dessen als singuläre Entscheidungen bezeichnet.
Bei einer mandatierenden Vereinbarung zwischen Kommunen nimmt die „übernehmende“ Kommune eine Aufgabe in fremden Namen, also in der Form der Beauftragung wahr. Die Rechte und Pflichten der „abgebenden“ Kommune bleiben unberührt, es wird lediglich die Durchführung einer Aufgabe von einer Kommune auf die andere übertragen.
Im Einzelnen:
Die mandatierende Vereinbarung stellt nach überwiegender Meinung einen vergabepflichtigen Vorgang dar. Begründet wird dies damit, dass es bei der mandatierenden Vereinbarung an einer Übertragung der wesentlichen Kompetenzen auf die leistungserbringende Kommune fehle, daher überwiege der mit der Auftragsdurchführung verbundene Beschaffungscharakter.
Das OLG Düsseldorf hat bestätigt, dass das Vergaberecht auf die Aufgabenübertragung auf Zweckverbände und Anstalten öffentlichen Rechts (AöR) nicht anwendbar ist (Beschluss des OLG Düsseldorf v. 21.06.2006, Az.: VII Verg 17/06). Interessant ist die Begründung des Beschlusses. Zunächst weist das OLG Düsseldorf zu Recht darauf hin, dass das vielfach zugunsten von Vergabepflichten zitierte Urteil des EuGH in der Sache Kommission gegen Spanien keineswegs die Anwendung des Vergaberechts auf alle Leistungsbeziehungen zwischen öffentlichen Verwaltungen fordert. Aus der Entscheidung sei vielmehr der Schluss zu ziehen, dass es zwischen staatlichen und kommunalen Stellen Formen einer Zusammenarbeit geben kann, die dem Vergaberechtsregime nicht unterstehen. Organisationsfreiheit: Zuständigkeitsübertragungen sind Verwaltungsorganisation. Das OLG Düsseldorf stützt seine Begründung sodann maßgeblich auf die kommunale Organisationshoheit und stellt fest, dass das Vergaberecht nicht auf Maßnahmen anzuwenden ist, welche die interne Verwaltungsorganisation betreffen. Die Anwendung des Vergaberechts sei ausgeschlossen, wenn öffentlich-rechtliche Kompetenzen von einem Aufgabenträger auf einen anderen verlagert werden und dies auf einer gesetzlichen Ermächtigung beruht. Auf einen solchen dem Vergaberecht entzogenen Akt der Verwaltungsorganisation seien die EG-Vergaberichtlinien nicht anzuwenden. Das Gericht sieht die Gründung eines Zweckverbands als eine Form der Aufgabenbewältigung durch Eigenleistungen an und weist darauf hin, dass die Ausschreibungspflicht vor Gründung eines Zweckverbandes einen Zwang zur Privatisierung bedeuten würde. Vergaberecht könne aber immer erst zur Anwendung kommen, wenn der Auftraggeber sich entschlossen hat, Leistungen von einem am Markt tätigen privaten Unternehmen zu beschaffen. Das OLG Düsseldorf stützte seine Entscheidung zusätzlich auf den Umstand, dass im Verhältnis vom Auftraggeber zum Zweckverband die Voraussetzungen eines Inhouse-Geschäfts erfüllt sind und erachtete hierbei die gemeinsame Beherrschung durch mehrere Kommunen einerseits und die Tätigkeit des Zweckverbands im Wesentlichen für die Mitgliedskommunen im Ganzen andererseits als ausreichend. Es handelt sich aber nur um ein Zusatzargument. Die Entscheidung darf nicht dahingehend missverstanden werden, dass die Aufgabenübertragung nur dann vergaberechtsfrei ist, wenn die Inhouse- Kriterien erfüllt sind. Die Entscheidung ist auch deshalb besonders interessant, weil ihre Begründung der Vergaberechtsfreiheit ebenso auf den Abschluss delegierender Zweckvereinbarungen zutrifft.
Der EuGH hat am 13. Juni 2013 in der Rechtssache C-386/11 sein Urteil zum Anwendungsbereich der interkommunalen Zusammenarbeit verkündet. Darin hat der Gerichtshof die vergaberechtsfreie Zusammenarbeit von öffentlichen Einrichtungen wie Kommunen und Landkreisen durch eine sogenannte delegierende Aufgabenübertragung für Hilfsgeschäfte deutlich eingeschränkt.
Dem Urteil lag eine Vorlage des OLG Düsseldorf vom 6. Juli 2011 (Az. VII- Verg 39/11) zugrunde. In dem Ausgangsrechtsstreit beabsichtigte der Landkreis Düren mit der Stadt Düren einen öffentlich-rechtlichen Vertrag zu schließen, in dem die Reinigung der Gebäude des Kreises im Stadtgebiet Düren im Wege der delegierenden Aufgabenübertragung gegen finanzielle Entschädigung an die Stadt übertragen werden sollte. Dabei wollte sich der Kreis die Kontrolle der ordnungsgemäßen Durchführung der Aufgabe vorbehalten. Die Stadt wiederum sollte ermächtigt werden, sich zur Auftragserfüllung Dritter zu bedienen.
Der EuGH stellt zunächst fest, dass diese Vereinbarung alle Merkmale eines öffentlichen Auftrages nach Art. 1 Abs. 2 lit. a der Richtlinie 2004/18 erfüllt. Ein solcher öffentlicher Auftrag fällt aber zum einen nicht in den Anwendungsbereich des Vergaberechts der Union, wenn eine Inhouse-Vergabe vorliegt. Diese Ausnahme konnte hier eindeutig ausgeschlossen werden, da der Landkreis trotz der vereinbarten Kontrolle der ordnungsgemäßen Auftragsdurchführung keine Kontrolle über die Stadt wie über eine eigene Dienststelle ausüben kann. Zum anderen liegt eine Ausnahme vor, wenn öffentliche Einrichtungen eine Zusammenarbeit bei der Wahrnehmung einer ihnen obliegenden Gemeinwohlaufgabe vereinbaren. In einem solchen Fall sind die unionsrechtlichen Vergabevorschriften nicht anwendbar, sofern solche Verträge ausschließlich zwischen öffentlichen Einrichtungen ohne Beteiligung Privater geschlossen werden, kein privater Dienstleistungserbringer besser gestellt wird als seine Wettbewerber und die vereinbarte Zusammenarbeit nur durch Überlegungen und Erfordernisse bestimmt wird, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhängen.
Im vorliegenden Fall hat der EuGH entschieden, dass die Vereinbarung zwischen Landkreis und Stadt keine Zusammenarbeit zur Wahrnehmung einer Gemeinwohlaufgabe zum Gegenstand hat. Eine Vereinbarung, in der Hilfsgeschäfte ohne hoheitliche Aufgabenwahrnehmung von einem öffentlichen Auftraggeber auf eine andere öffentliche Stelle übertragen werden, ohne dass beide Stellen jeweils eigene Beiträge bei der Aufgabenerfüllung leisten, unterfällt demnach dem Vergaberecht. Im vorliegenden Fall hat der EuGH weiterhin festgestellt, dass dadurch, dass sich die Stadt zur Erfüllung der Aufgabe eines Dritten bedienen darf, dieser Dritte gegenüber anderen Unternehmen begünstigt werden könnte. Um eine Begünstigung Dritter durch den Vertrag über die öffentliche Zusammenarbeit festzustellen, kann es also bereits ausreichen, dass eine Einbeziehung weiterer Akteure durch diesen Vertrag ermöglicht wird.
Für öffentliche Auftraggeber bedeutet dies, dass eine delegierende Aufgabenübertragung von Hilfsgeschäften, wie Reinigungsdienstleistungen, Hausmeisterdienste oder auch einfache IT-Dienstleistungen, künftig regelmäßig nicht mehr vergaberechtsfrei möglich ist. Sollen derartige Hilfsgeschäfte auf andere öffentliche Einrichtungen übertragen werden, ist vielmehr ein Vergabeverfahren durchzuführen. Bei der Wahrnehmung hoheitlicher Aufgaben oder im Bereich der Daseinsvorsorge, wie etwa bei der Abfallentsorgung, ist dagegen eine vergaberechtsfreie Zusammenarbeit öffentlicher Stellen weiterhin möglich.
IV.Dialogmodell
Denkbar ist auch eine Kooperation im Sinne einer Nachfragebündelung (Nachfragegemeinschaft) und die gemeinsame Durchführung eines wettbewerblichen Dialogverfahrens.
In der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen zur Durchführung eines wettbewerblichen Dialogs beschreibt Nachfragegemeinschaft ihre Bedürfnisse und Anforderungen an die zu beschaffende Leistung. Gleichzeitig nennt und erläutert er die hierbei zugrunde gelegten Zuschlagskriterien und legt einen vorläufigen Zeitrahmen für den Dialog fest.
Nachfragegemeinschaft fordert eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen im Rahmen eines Teilnahmewettbewerbs öffentlich zur Abgabe von Teilnahmeanträgen auf. Jedes interessierte Unternehmen kann einen Teilnahmeantrag abgeben. Mit dem Teilnahmeantrag übermitteln die Unternehmen die von Nachfragegemeinschaft geforderten Informationen für die Prüfung ihrer Eignung.
Die Frist für den Eingang der Teilnahmeanträge beträgt mindestens 30 Tage, gerechnet ab dem Tag nach der Absendung der Auftragsbekanntmachung.
Nur diejenigen Unternehmen, die von Nachfragegemeinschaft nach Prüfung der übermittelten Informationen dazu aufgefordert werden, können am Dialog teilnehmen. Nachfragegemeinschaft kann die Zahl geeigneter Bewerber, die zur Teilnahme am Dialog aufgefordert werden, begrenzen.
Nachfragegemeinschaft eröffnet mit den ausgewählten Unternehmen einen Dialog, in dem Nachfragegemeinschaft ermittelt und festlegt, wie ihre Bedürfnisse und Anforderungen am besten erfüllt werden können. Dabei kann Nachfragegemeinschaft mit den ausgewählten Unternehmen alle Aspekte des Auftrags erörtern. Nachfragegemeinschaft sorgt dafür, dass alle Unternehmen bei dem Dialog gleich behandelt werden, gibt Lösungsvorschläge oder vertrauliche Informationen eines Unternehmens nicht ohne dessen Zustimmung an die anderen Unternehmen weiter und verwendet diese nur im Rahmen des jeweiligen Vergabeverfahrens. Eine solche Zustimmung darf nicht allgemein, sondern nur in Bezug auf die beabsichtigte Mitteilung bestimmter Informationen erteilt werden.
Nachfragegemeinschaft kann vorsehen, dass der Dialog in verschiedenen aufeinander folgenden Phasen geführt wird, sofern Nachfragegemeinschaft darauf in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen hingewiesen hat. In jeder Dialogphase kann die Zahl der zu erörternden Lösungen anhand der vorgegebenen Zuschlagskriterien verringert werden. Nachfragegemeinschaft hat die Unternehmen zu informieren, wenn deren Lösungen nicht für die folgende Dialogphase vorgesehen sind. In der Schlussphase müssen noch so viele Lösungen vorliegen, dass der Wettbewerb gewährleistet ist, sofern ursprünglich eine ausreichende Anzahl von Lösungen oder geeigneten Bietern vorhanden war.
Nachfragegemeinschaft schließt den Dialog ab, wenn er die Lösungen ermittelt hat, mit denen die Bedürfnisse und Anforderungen an die zu beschaffende Leistung befriedigt werden können. Die im Verfahren verbliebenen Teilnehmer sind hierüber zu informieren.
Nach Abschluss des Dialogs fordert Nachfragegemeinschaft die Unternehmen auf, auf der Grundlage der eingereichten und in der Dialogphase näher ausgeführten Lösungen ihr endgültiges Angebot vorzulegen. Die Angebote müssen alle Einzelheiten enthalten, die zur Ausführung des Projekts erforderlich sind. Nachfragegemeinschaft kann Klarstellungen und Ergänzungen zu diesen Angeboten verlangen. Diese Klarstellungen oder Ergänzungen dürfen
nicht dazu führen, dass wesentliche Bestandteile des Angebots oder des öffentlichen Auftrags einschließlich der in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen festgelegten Bedürfnisse und Anforderungen grundlegend geändert werden, wenn dadurch der Wettbewerb verzerrt wird oder andere am Verfahren beteiligte Unternehmen diskriminiert werden.
Nachfragegemeinschaft hat die Angebote anhand der in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen festgelegten Zuschlagskriterien zu bewerten. Nachfragegemeinschaft kann mit dem Unternehmen, dessen Angebot als das wirtschaftlichste ermittelt wurde, mit dem Ziel Verhandlungen führen, im Angebot enthaltene finanzielle Zusagen oder andere Bedingungen zu bestätigen, die in den Auftragsbedingungen abschließend festgelegt werden. Dies darf nicht dazu führen, dass wesentliche Bestandteile des Angebots oder des öffentlichen Auftrags einschließlich der in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen festgelegten Bedürfnisse und Anforderungen grundlegend geändert werden, der Wettbewerb verzerrt wird oder andere am Verfahren beteiligte Unternehmen diskriminiert werden.
Ein wettbewerblicher Dialog bietet sich insbesondere bei Dienstleistungen und Lieferungen an, die konzeptionelle oder innovative Lösungen erfordern. Nach Erwägungsgrund 43 der Richtlinie 2014/24/EU dürfen das Verhandlungsverfahren und der wettbewerbliche Dialog nicht genutzt werden bei Standarddienstleistungen oder Standardlieferungen, die von vielen Marktteilnehmern erbracht werden können.
Nach Erwägungsgrund 42 der Richtlinie 2014/24/EU hat sich der wettbewerbliche Dialog insbesondere in Fällen als nützlich erwiesen, in denen der öffentliche Auftraggeber nicht in der Lage ist, die Mittel zur Befriedigung seines Bedarfs zu definieren oder zu beurteilen, was der Markt an technischen, finanziellen oder rechtlichen Lösungen zu bieten hat. Diese Situation kann insbesondere bei innovativen Projekten, bei der Realisierung großer, integrierter Verkehrsinfrastrukturprojekte oder großer Computer-Netzwerke oder bei Projekten mit einer komplexen, strukturieren Finanzierung eintreten.
Umsetzungshindernisse bestehen nicht.
Oft wird eingewendet, dass eine gemeinsame Beschaffung von verschiedenen Auftraggebern vergaberechtlichen und kartellrechtlichen Bedenken begegnet.
Dem ist nicht so.
Mehrere öffentliche Auftraggeber können vereinbaren, bestimmte öffentliche Aufträge gemeinsam zu vergeben.
Soweit das Vergabeverfahren im Namen und im Auftrag aller öffentlichen Auftraggeber insgesamt gemeinsam durchgeführt wird, sind diese für die Einhaltung der Bestimmungen über das Vergabeverfahren gemeinsam verantwortlich. Das gilt auch, wenn ein öffentlicher Auftraggeber das Verfahren in seinem Namen und im Auftrag der anderen öffentlichen Auftraggeber allein ausführt. Bei nur teilweise gemeinsamer Durchführung sind die öffentlichen Auftraggeber nur für jene Teile gemeinsam verantwortlich, die gemeinsam durchgeführt wurden.
Das neue Vergaberecht § 4 VgV 2016 dient der Umsetzung der Artikel 38 und 39 der Richtlinie 2014/24/EU. Die in Artikel 37 der Richtlinie 2014/24/EU enthaltenen Regelungen zu zentralen Beschaffungstätigkeiten und zentralen Beschaffungsstellen sind bereits durch § 120 Absatz 4 GWB umgesetzt und werden durch Absatz 3 im Hinblick auf Dienststellen des Bundes ergänzt. Die Stärkung der zentralen Beschaffungstätigkeit soll nicht die derzeitige Praxis einer gelegentlichen gemeinsamen Beschaffung verhindern. Gleiches gilt für die bisherige Praxis, dass öffentliche Stellen im Namen und auf Rechnung anderer öffentlicher Auftraggeber Beschaffungen durchführen.
Zulässig ist die ad-hoc-Zusammenarbeit zwischen öffentlichen Auftraggebern.
In Abgrenzung zur zentralen Beschaffungstätigkeit handelt es sich bei der gelegentlichen gemeinsamen Auftragsvergabe um eine punktuelle Zusammenarbeit bei der Vergabe einzelner öffentlicher Aufträge.
Erforderlich ist insoweit nur eine diesbezügliche Vereinbarung der öffentlichen Auftraggeber.
Die kartellrechtlichen Grenzen der Zusammenarbeit bleiben allerdings unberührt.
Einer der praktisch bedeutsamsten Fälle einer allgemeinen kartellrechtlichen Frage mit konkretem Bezug zum Vergaberecht ist die Nachfragebündelung öffentlicher Auftraggeber im Wege von Einkaufskooperationen. Hier erkennt die Rechtsprechung teilweise eine vergaberechtliche Verknüpfung an und betrachtet eine entsprechende Rüge als im Vergabeverfahren zulässig (VK Baden-Württemberg, B. v. 7.1.2003 – Az.: 1 VK 68/02).
Eine solche Bündelung unterfällt nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zwar dem Kartellverbot des § 1 GWB, weil das Nachfrageverhalten abgestimmt und in einer (juristischen) Person gebündelt wird. Dies führt dann jedoch nicht zur Unzulässigkeit dieses Verhaltens, wenn die öffentlichen Auftraggeber eine erlaubte Einkaufskooperation (§ 4 Abs. 2 GWB) gebildet haben. Diese Vorschrift erlaubt kleinen und mittleren Unternehmen die Zusammenarbeit in solchen Einkaufskooperationen, damit sie vergleichbare Einkaufskonditionen wie Großunternehmen erzielen können. Diese Bestimmung findet auch zugunsten kleiner und mittlerer Gemeinden Anwendung, jedenfalls soweit sie als Nachfrager für bestimmte Geräte, z. B. Feuerwehrfahrzeuge, am Markt auftreten. Allerdings darf die Einkaufskooperation nicht ihrerseits eine so erhebliche Nachfragemacht entwickeln, dass der Wettbewerb wesentlich beeinträchtigt wird (BGH, Urteil vom 12.11.2002 – Az.: KZR 11/01).
Umsetzung:
1. Nachfragegemeinschaft wird begründet und beschließt gemeinsame Durchführung des Dialogverfahrens
2. Beauftragung eines versierten Beraters
3. Vorbereitung Auftragsbekanntmachung und Vergabeunterlagen: In der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen zur Durchführung eines wettbewerblichen Dialogs beschreibt Nachfragegemeinschaft ihre Bedürfnisse und Anforderungen an die zu beschaffende Leistung. Gleichzeitig nennt und erläutert er die hierbei zugrunde gelegten Zuschlagskriterien und legt einen vorläufigen Zeitrahmen für den Dialog fest.
4. Durchführung EG-weite Bekanntmachung: Nachfragegemeinschaft fordert eine unbeschränkte Anzahl von Unternehmen im Rahmen eines Teilnahmewettbewerbs öffentlich zur Abgabe von Teilnahmeanträgen auf. Jedes interessierte Unternehmen kann einen Teilnahmeantrag abgeben. Mit dem Teilnahmeantrag übermitteln die Unternehmen die von Nachfragegemeinschaft geforderten Informationen für die Prüfung ihrer Eignung. Die Frist für den Eingang der Teilnahmeanträge beträgt mindestens 30 Tage, gerechnet ab dem Tag nach der Absendung der Auftragsbekanntmachung.
5. Auswahl geeigneter Unternehmen: Nur diejenigen Unternehmen, die von Nachfragegemeinschaft nach Prüfung der übermittelten Informationen dazu aufgefordert werden, können am Dialog teilnehmen. Nachfragegemeinschaft kann die Zahl geeigneter Bewerber, die zur Teilnahme am Dialog aufgefordert werden, begrenzen.
6. Eröffnung des Dialogs: Nachfragegemeinschaft eröffnet mit den ausgewählten Unternehmen einen Dialog, in dem Nachfragegemeinschaft ermittelt und festlegt, wie ihre Bedürfnisse und Anforderungen am besten erfüllt werden können.
7. Durchführung des Dialogs: Dabei kann Nachfragegemeinschaft mit den ausgewählten Unternehmen alle Aspekte des Auftrags erörtern. Nachfragegemeinschaft sorgt dafür, dass alle Unternehmen bei dem Dialog gleich behandelt werden, gibt Lösungsvorschläge oder vertrauliche Informationen eines Unternehmens nicht ohne dessen Zustimmung an die anderen Unternehmen weiter und verwendet diese nur im Rahmen des jeweiligen Vergabeverfahrens. Eine solche Zustimmung darf nicht allgemein, sondern nur in Bezug auf die beabsichtigte Mitteilung bestimmter Informationen erteilt werden.
Nachfragegemeinschaft kann vorsehen, dass der Dialog in verschiedenen aufeinander folgenden Phasen geführt wird, sofern Nachfragegemeinschaft darauf in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen hingewiesen hat. In jeder Dialogphase kann die Zahl der zu erörternden Lösungen anhand der vorgegebenen Zuschlagskriterien verringert werden.
8. Abschichtung im Dialog: Nachfragegemeinschaft hat die Unternehmen zu informieren, wenn deren Lösungen nicht für die folgende Dialogphase vorgesehen sind. In der Schlussphase müssen noch so viele Lösungen vorliegen, dass der Wettbewerb gewährleistet ist, sofern ursprünglich eine ausreichende Anzahl von Lösungen oder geeigneten Bietern vorhanden war.
9. Abschluss Dialog: Nachfragegemeinschaft schließt den Dialog ab, wenn er die Lösungen ermittelt hat, mit denen die Bedürfnisse und Anforderungen an die zu beschaffende Leistung befriedigt werden können. Die im Verfahren verbliebenen Teilnehmer sind hierüber zu informieren.
10. Aufforderung endgültiges Angebot: Nach Abschluss des Dialogs fordert Nachfragegemeinschaft die Unternehmen auf, auf der Grundlage der eingereichten und in der Dialogphase näher ausgeführten Lösungen ihr endgültiges Angebot vorzulegen. Die Angebote müssen alle Einzelheiten enthalten, die zur Ausführung des Projekts erforderlich sind. Nachfragegemeinschaft kann Klarstellungen und Ergänzungen zu diesen Angeboten verlangen. Diese Klarstellungen oder Ergänzungen dürfen nicht dazu führen, dass wesentliche Bestandteile des Angebots oder des öffentlichen Auftrags einschließlich der in der Auftragsbekanntmachung oder in den Vergabeunterlagen festgelegten Bedürfnisse und Anforderungen grundlegend geändert werden, wenn dadurch der Wettbewerb verzerrt wird oder andere am Verfahren beteiligte Unternehmen diskriminiert werden.
11. Wertung: Nachfragegemeinschaft hat die Angebote anhand der in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen festgelegten Zuschlagskriterien zu bewerten.
12. Verhandlungen: Nachfragegemeinschaft kann mit dem Unternehmen, dessen Angebot als das wirtschaftlichste ermittelt wurde, mit dem Ziel Verhandlungen führen, im Angebot enthaltene finanzielle Zusagen oder andere Bedingungen zu bestätigen, die in den Auftragsbedingungen abschließend festgelegt werden. Dies darf nicht dazu führen, dass wesentliche Bestandteile des Angebots oder des öffentlichen Auftrags einschließlich der in der Auftragsbekanntmachung oder den Vergabeunterlagen festgelegten Bedürfnisse und Anforderungen grundlegend geändert werden, der Wettbewerb verzerrt wird oder andere am Verfahren beteiligte Unternehmen diskriminiert werden.