Interkomm Beratung: Stimmauswertung bei Bürgerbegehren

Frage:
Haben Vertreter eines Bürgerbegehrens das Recht, am Wahltag bei der Stimmauswertung anwesend zu sein?
Hat die Gemeinde das Recht zu bestimmen, dass Vertreter des Bürgerbegehrens n i c h t als Ersatzperson des Wahlausschusses benannt werden darf?

Antwort:
Ein eigenes Recht für Vertreter eines Bürgerbegehrens, am Wahltag bei der Stimmauswertung anwesend zu sein, gibt es nach derzeit geltendem Recht nicht.

Je nach Art der Wahl wird die Wahl ist das Wahlrecht und damit auch das Recht der Durchführung der jeweiligen Wahlen zersplittert in europäisches Recht, deutsche Bundesgesetze und Gesetze der Länder und Gemeinden. Es ist konkret geregelt u.a. in Art. 38 GG *1), in Verbindung mit dem bekanntlich teilweise wegen der Überhangsmandate verfassungswidrigen Bundeswahlgesetz, ferner gelten je nach Art der Wahl Gesetze der Gemeindeordnung für den Freistaat Bayern, Landkreisordnung für den Freistaat Bayern, Gemeinde- und Landkreiswahlgesetz, Gemeinde- und Landkreiswahlordnung und die Gemeinde- und Landkreiswahlbekanntmachung des Bayerischen Innenministeriums vom 15. November 2012 *2). Die konkrete Durchführung der Wahlen obliegt den Gemeinden als untere Verwaltungsbehörden oder eventuell auch im Rahmen ihrer Gemeindehoheit als eigene Angelegenheit.

Das Bundesverfassungsgericht als insoweit in Deutschland höchste Instanz stellt weiterhin konkrete Anforderungen an die Wahlen, die aus Art. 38 GG i.V.m. Art. 3 GG hergeleitet werden, dem Grundsatz der Gleichheit der Wahl.

Daraus wird gefolgert, daß jedermann sein aktives und passives Wahlrecht in formal möglichst gleicher Weise ausüben können soll (BVerfGE 12, 73 [77]; 34, 81 [98]; 41, 399 [413]; 48, 64 [81]).
Eine Verletzung des Wahlrechts und des Anspruchs des Wählers auf der Verfassung entsprechende Wahlen ist insoweit denkbar, als Gefahren der Wahlfälschungen bestehen und besonders durch gewollte oder ungewollte Fehler bei der Stimmenauszählung und Ermittlung des Wahlergebnisses.

Wenn die für einen Wahlbewerber gültig abgegebenen Stimmen nicht sämtlich als gültig bewertet oder nicht sämtlich für ihn gezählt werden, können – insbesondere bei knappem Wahlausgang – der Grundsatz der Wahlgleichheit und damit das Grundrecht des Wählers aus Art. 38 GG i.V.m. § 3 Abs. 1 GG verletzt sein.

Zu verlangen ist nach diesen Prinzipien nur, daß der Gesetzgeber ein Verfahren zu schaffen, das es erlaubt, Zweifeln an der Richtigkeit der von den Wahlorganen vorgenommenen Stimmenauszählung nachzugehen und erforderlichenfalls das Wahlergebnis richtigzustellen sowie die Sitzverteilung zu korrigieren.

In Bayern ist dieses Verfahren umgesetzt in Form der erwähnten Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern – Vollzug des Gemeinde- und Landkreiswahlgesetzes und der Gemeinde- und Landkreiswahlordnung (Gemeinde- und Landkreiswahlbekanntmachung – GLKrWBek) *2).

Die Ermittlung des Abstimmungsergebnisses erfolgt durch den Wahlvorstand (§§ 79, 81, 82) und ist in allen Einzelheiten in §§ 68 ff. geregelt.

Abschnitt II der Bekanntmachung regelt die Zusammensetzung der Wahlorgane, wozu auch der Wahlvorstand gehört sowie das Verfahren vor dem Beschwerdeausschuss.

Die Gemeinde, kein Recht, zu bestimmen, dass Vertreter des Bürgerbegehrens nicht als Ersatzperson des Wahlausschusses benannt werden darf. Das ergibt sich bereits aus Stellung der Wahlausschüsse als Organ der Selbstverwaltung. Die Wahlorgane sind danach unabhängig von den übrigen Gemeinde- und Landkreisorganen und deshalb z B. nicht an Weisungen des Gemeinderats oder des ersten Bürgermeisters gebunden. Da die Durchführung der Gemeinde- und Landkreiswahlen jedoch eine Aufgabe des übertragenen Wirkungskreises ist (VGH FSt. 1986, RNr. 15), unterliegen auch die Wahlorgane der Fachaufsicht nach den allgemeinen Bestimmungen (Art. 108 ff. GO; Art. 94 ff. LKrO), soweit sich aus den wahlrechtlichen Vorschriften nichts anderes ergibt (vgl. z B. Art. 32 Abs. 4 Satz 4).
Soweit die Gemeinde Vertreter des Bürgerbegehrens systematisch und gezielt von der Benennung als Ersatzpersonen des Wahlausschusses ausschließen würde, würde das rechtlich als eine sachlich nicht angemessene Einflussnahme auf das Wahlgeschehen zu bewerten sein.

*1) Grundgesetz
III. Der Bundestag (Art. 38 – 49)
Artikel 38
(1) Die Abgeordneten des Deutschen Bundestages werden in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt. Sie sind Vertreter des ganzen Volkes, an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur ihrem Gewissen unterworfen.
(2) Wahlberechtigt ist, wer das achtzehnte Lebensjahr vollendet hat; wählbar ist, wer das Alter erreicht hat, mit dem die Volljährigkeit eintritt.
(3) Das Nähere bestimmt ein Bundesgesetz.

*2) http://www.gesetze-bayern.de/jportal/portal/page/bsbayprod.psml?showdoccase=1&doc.id=VVBY-VVBY000039736&doc.part=X&doc.origin=bs