von Dr. jur. Thomas Ax
Die Zusammenarbeit mehrerer Kommunen ist ein wichtiges Standbein der einzeln oder gemeinsam wahrgenommenen kommunalen Aufgabenerfüllung. Damit haben die deutschen Kommunen und Landkreise ganz erhebliche Gestaltungsspielräume für interkommunale Zusammenarbeit. Unter Beachtung der einschlägigen Rechtsprechung können sie gemeinsame Aufgabenträger beauftragen oder gründen und sind nicht an bestimmte rechtliche Konstrukte gebunden.
Entscheidung des EuGH in Sachen „Stadtreinigung Hamburg“
In der Rechtssache „Stadtreinigung Hamburg“ (Urteil vom 09.06.20009, Rs. C-480/06) hatte der EuGH erstmals den für die kommunale Praxis bedeutsamen Fall einer nicht-institutionalisierten interkommunalen Zusammenarbeit auf der Grundlage eines öffentlich-rechtlichen Vertrags vom Anwendungsbereich des europäischen Vergaberechts ausgenommen. Gegenstand des Verfahrens war die Zusammenarbeit mehrerer Landkreise mit der Stadtreinigung Hamburg. Ohne an der Stadtreinigung Hamburg beteiligt zu sein, hatten die Landkreise diese mit der Verwertung ihrer Abfälle beauftragt. Ziel war die wirtschaftliche Verwertung alle Abfälle auf einer in Hamburg gelegenen Anlage. Es kommt, so der EuGH, entscheidend auf den Vertragszweck an: Die Gemeinden wollen ausschließlich ihre Abfallentsorgung sicherstellen, indem die Stadtreinigung für die Gemeinden diese Abfälle übernimmt und auf ihrer Müllverwertungsanlage verwertet. Die Landkreise übernehmen ihrerseits Verpflichtungen wie gegenseitiger Beistand zur Erfüllung der Entsorgungspflicht bei Notfällen. Andere Zwecke werden nicht verfolgt. Weiter sind an dem Vertrag keine privaten Unternehmen beteiligt. Es sind auch keine Unter-Aufträge vorgesehen. So geht es z.B. nicht direkt um den Bau und den Betrieb einer für die Abfallentsorgung benötigten Anlage durch Dritte.
Interkommunale Zusammenarbeit bei Vorliegen folgender Kriterien vergaberechtsfrei
Der EuGH sieht eine interkommunale Zusammenarbeit jedenfalls bei Vorliegen folgender Kriterien als vergaberechtsfrei an:
- Erfüllung einer im Allgemeininteresse liegenden Aufgabe bzw. von Aufgaben, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhängen;
- Die Kooperation erfolgt ausschließlich zwischen öffentlichen Stellen ohne die Beteiligung Privater;
- Die Kooperation erfolgt auf vertraglicher Grundlage oder in Form einer institutionalisierten Zusammenarbeit wie beispielsweise einem Zweckverband.
Der EuGH hat außerdem hervorgehoben, dass die Zusammenarbeit zwischen den öffentlichen Einrichtungen nicht zu Finanztransfers zwischen diesen führen dürfe, die über die Erstattung des Teils der Kosten hinausgeht, der grundsätzlich von jedem öffentlichen Aufgabenträger selbst zu tragen wäre. Für den Gerichtshof ist offenbar bedeutsam, dass nur eine Kostenerstattung ohne Gewinnmarge vereinbart wird, um Wettbewerbsverzerrungen vorzubeugen. Ob dieses Erfordernis dem konkreten Einzelfall geschuldet war oder generell – im Sinne einer Voraussetzung (4) – beachtet werden muss, lässt sich dem Urteil nicht zweifelsfrei entnehmen.
Entscheidung des EuGH in Sachen „Forschungsauftrag“
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat mit Urteil vom 19.12.2012 (Rs. C-159/11, „Forschungsauftrag“) die mit der Entscheidung „Stadtreinigung Hamburg“ begonnene Rechtsprechung zur Zulässigkeit der vergaberechtsfreien interkommunalen Zusammenarbeit öffentlicher Einrichtungen auf rein vertraglicher Basis bestätigt
und weiter präzisiert.
In dem aktuell vom EuGH entschiedenen Fall hatte eine öffentliche Einrichtung aus dem Gesundheitswesen einer Universität ohne Ausschreibung einen Forschungsauftrag zur Erdbebenanfälligkeit der Krankenhäuser einer italienischen Provinz erteilt. Die Einrichtungen vereinbarten als Kostenerstattung 200.000,00 EUR netto ohne Gewinn, die mit der Aufgabenwahrnehmung betraute Universität durfte jedoch hochqualifiziertes externes Personal heranziehen.
Vergaberechtsfreie Zusammenarbeit öffentlicher Einrichtungen auf vertraglicher Basis
Der EuGH verneint im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung eine vergaberechtsfreie Zusammenarbeit öffentlicher Einrichtungen auf vertraglicher Basis, falls die Prüfung durch das vorlegende Gericht ergeben sollte, dass:
- ein solcher Vertrag nicht die Wahrnehmung einer diesen Einrichtungen gemeinsam obliegenden Aufgabe zum Gegenstand hat. Der EuGH äußerte erhebliche Zweifel im Hinblick auf das Vorliegen einer gemeinsamen öffentlichen Aufgabe. Beide Einrichtungen seien zur Untersuchung der Erdbebensicherheit der Gebäude nicht verpflichtet.
- der Vertrag dazu führt, einen privaten Dienstleistungserbringer besser zu stellen als seine Wettbewerber. Eine solche Besserstellung käme nach Ansicht des Gerichtshofs in Betracht, wenn die Universität zur Durchführung des Vertrags private Dienstleistungserbringer für bestimmte Leistungen heranziehe.
Öffentliche Einrichtungen müssen eine ihnen jeweils originär obliegende Aufgabe gemeinsam wahrnehmen
Der EuGH bestätigt somit grundsätzlich die Möglichkeit, dass öffentliche Einrichtungen vergaberechtsfrei nicht nur durch ein inhousefähiges Gemeinschaftsunternehmen, sondern auch auf rein vertraglicher Basis zusammenarbeiten können. Wesentliche Voraussetzung hierfür ist zunächst, dass die öffentlichen Einrichtungen eine ihnen jeweils originär obliegende Aufgabe gemeinsam wahrnehmen.
Aus diesem Grund hatte beispielsweise die Vergabekammer Baden-Württemberg mit Beschluss vom 31. Januar 2012 die Zusammenarbeit zwischen einer Kommune und einem Zweckverband, an dem die Kommune nicht beteiligt war, als vergaberechtspflichtigen Dienstleistungsauftrag der Kommune an den Zweckverband zur Klärschlammentsorgung bewertet.