Der Vergabesenat des Kammergerichts Berlin hatte sich mit der Frage der Ausschreibungspflicht eines Kooperationsvertrages über die Entwicklung eines IT-Programms zu befassen (KG, Beschluss vom 16.09.2013 – Verg 4/13).
Die Antragstellerin begehrte die Feststellung der Unwirksamkeit eines zwischen dem Antragsgegner und der Beigeladenen geschlossenen Kooperationsvertrages. Darin vereinbarten diese die gemeinsame Entwicklung und Pflege einer Software, welche der Unterstützung der öffentlichen Verwaltung im Bereich der Jugendhilfe dienen sollte. Die Vergabekammer des Landes Berlin hatte den Nachprüfungsantrag der Antragstellerin mit Beschluss vom 30.04.2013 (VK-B1-01/13) zurückgewiesen. Der Vergabesenat des Kammergerichts stellte demgegenüber fest, dass der abgeschlossene Kooperationsvertrag unwirksam sei, weil dieser einen öffentlichen Auftrag im Sinne des § 99 Abs. 1 GWB darstelle, der ohne die notwendige Durchführung eines Vergabeverfahrens abgeschlossen wurde.
Der Kooperationsvertrag sei nicht als vergaberechtsfreie Dienstleistungskonzession zu behandeln. Kennzeichnend für eine Dienstleistungskonzession ist einerseits, dass die Gegenleistung des Auftraggebers für die Erbringung der Dienstleistung in der Überlassung des Rechts zur Vermarktung der Dienstleistung liegt und andererseits eine gegebenenfalls geldwerte Leistung des Auftraggebers an den Auftragnehmer, die einen wesentlichen Teil der Kosten, die dem Auftragnehmer durch die Erbringung der Dienstleistung entstehen, unabgedeckt lässt (BGH, Beschluss vom 08.02.2011, X ZB 4/10).
Der Kooperationsvertrag sah hier jedoch die Überlassung des Vermarktungsrechts an dem gemeinsam entwickelten Softwareprogramm an den Auftraggeber vor. Daneben wurde vereinbart, dass dieser „finanzielle Ressourcen“ in das gemeinsame Projekt einbringen sollte. Die Höhe der in Aussicht genommenen Zahlung des Auftraggebers sowie die Einbringung einer Reihe von Leistungen und Ressourcen seitens des Auftragnehmers sollte allerdings erst „im Rahmen der Einzelprojektpläne“ festgelegt werden.
Der Senat konnte daher auf der Grundlage des Kooperationsvertrages weder feststellen, ob und gegebenenfalls in welchem Umfang dem Auftragnehmer Kosten durch die Erbringung der von ihm geschuldeten Dienstleistung entstehen, noch, ob die vereinbarte Zahlung des Auftraggebers etwaige Kosten des Auftragnehmers im Wesentlichen abdecken werde. Der Senat betonte, dass die Aufspaltung der Auftragserteilung und der Entgeltregelung in zwei getrennte Verträge nicht zu einer „vergaberechtlich sturmfreien Bude“ führen dürfe.
Sodann wandte sich der Senat der Frage zu, ob der Kooperationsvertrag die von der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes entwickelten Voraussetzungen für eine ausschreibungsfreie interkommunale Zusammenarbeit erfüllt. Dies setzt unter Anderem voraus, dass der Vertragsgegenstand eine gemeinsam obliegende öffentliche Aufgabe der zusammenarbeitenden Stellen sei und die Zusammenarbeit nur durch Überlegungen und Erfordernisse bestimmt wird, die mit der Verfolgung von im öffentlichen Interesse liegenden Zielen zusammenhängen (EuGH, Urteil vom 09.06.2009, C-159/11; Urteil vom 19.12.2012, C-480/06). Dies verneinte der Senat hier.
Die Entwicklung und Pflege von Software sei schon keine öffentliche Aufgabe des Landes Berlin. Dem Land sei rechtlich nicht die Aufgabe zugewiesen, selbst eine bestimmte Software zu entwickeln. Gemäß dem Kooperationsvertrag beabsichtigte die Beigeladene zudem, das entwickelte Softwareprodukt auch „am Markt“ anzubieten. Damit verfolge sie kein öffentliches Interesse, sondern ein Erwerbsinteresse.
Nach Ansicht des Senats ist der Vertrag schließlich auch nicht aufgrund einer Auftragsdatenverarbeitung im Sinne des § 80 Abs. 5 SGB X dem Vergaberecht entzogen. Es sei nicht ersichtlich, dass die Beigeladene aufgrund des Kooperationsvertrages eine „Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten im Auftrag“ des Landes Berlin durchführen soll. Auch sei eine „Verarbeitung oder Nutzung von Sozialdaten“ nicht Voraussetzung für die Entwicklung oder Pflege des angestrebten Softwareprogrammes.