EuGH zieht Grenzen für vergaberechtsfreie Inhouse-Geschäfte öffentlicher Auftraggeber

von Dr. jur. Thomas Ax
Da Inhouse-Geschäfte für öffentliche Auftraggeber eine zulässige Ausnahme von der vergaberechtlichen Ausschreibungspflicht darstellen, besitzt die Thematik große praktische Relevanz. In der vergaberechtlichen Rechtsprechung und Literatur bilden die damit zusammenhängenden Rechtsfragen inzwischen einen „Dauerbrenner“.

In einer aktuellen Entscheidung (EuGH, Urt. V. 29.11.2012, Rs. C-182/11 und C-183/11, „Econord SpA“) hat der EuGH die Anforderungen an die vergaberechtsfreie Beauftragung eines Unternehmens, das von mehreren öffentlichen Auftraggebern kontrolliert wird, präzisiert und verschärft.

Der EuGH hat in der grundlegenden „Teckal-Entscheidung“ festgelegt, dass ein Inhouse-Geschäft vorliegt, sofern der öffentliche Auftraggeber über das zu beauftragende Unternehmen eine Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle ausübt (Kontrollkriterium) und die Auftragnehmer-Gesellschaft im Wesentlichen für ihre öffentlichen Anteilseigner tätig wird (Wesentlichkeitskriterium).

Den Hintergrund der Vorlagefrage eines italienischen Gerichts bildete eine Konstellation, in der 36 Gemeinden lediglich geringfügig am Kapital eine öffentlichen Aktiengesellschaft beteiligt sind (gemeinsam insgesamt 0,2 % der Anteile), während eine Gemeinde als Hauptgesellschafter fungiert (99,8 % der Anteile). Die Minderheitsgesellschafter sind nach den zugrundeliegenden gesellschaftsrechtlichen Vereinbarungen berechtigt, gemeinsam einen Vertreter in den Aufsichts- und Verwaltungsrat des Gemeinschaftsunternehmens zu entsenden.

Im Ausgangspunkt seiner rechtlichen Würdigung stellt der EuGH fest, dass eine Kontrolle wie über eine eigene Dienstelle dann vorliegt, wenn der jeweilige öffentliche Auftraggeber in der Lage ist, eine wirksame strukturelle und funktionelle Kontrolle auszuüben.

Wenn mehrere öffentliche Auftraggeber ein Gemeinschaftsunternehmen zur Erfüllung einer gemeinsamen Aufgabe einschalten, ist es nach Ansicht des EuGH nicht erforderlich, dass jeder ein individuelles Kontrollrecht ausübt. Allerdings darf die Kontrollbefugnis nicht nur einem Gesellschafter zufallen, da andernfalls das Konzept der gemeinsamen Kontrolle ausgehöhlt würde. Soweit einem öffentlichen Auftraggeber in Bezug auf ein Gemeinschaftsunternehmen nur eine Stellung zukommt, die nicht die geringste Möglichkeit einer Beteiligung an der Kontrolle über diese Einrichtung sichert, ist demzufolge nicht davon auszugehen, dass er an der Ausübung der Kontrolle wie über eine eigene Dienststelle beteiligt wäre.

Die Entscheidung des EuGH zieht die Grenzen für vergaberechtsfreie Inhouse-Geschäfte öffentlicher Auftraggeber, die nur minderheitlich an einem Gemeinschaftsunternehmen öffentlicher Stellen beteiligt sind, deutlich enger. Damit begrenzt der Gerichtshof zugleich auch die Möglichkeiten einer interkommunalen Zusammenarbeit.

In welchem Umfang Minderheitsgesellschafter an der Kontrolle teilhaben müssen, lassen die Ausführungen des EuGH unbeantwortet. Die öffentliche Hand ist vor dem Hintergrund dieser neuen Rechtsprechung gehalten, ihre Beteiligungen an Gemeinschaftsunternehmen auf deren Inhouse-Fähigkeit zu überprüfen.